Es war kurz vor Mitternacht am 12. August, als das Abstimmungsergebnis bekanntgegeben wurde: Das Parlament der argentinischen Provinz Neuquén hatte mit 26 zu 9 Stimmen für ein Gesetz zur Enteignung der Keramik-Fabrik Zanon gestimmt. Die Gebäude, Maschinen und auch die Marke “Zanon” gehören nicht mehr dem Kapitalisten Luigi Zanon - sie gehören der GenossInnenschaft FaSinPat (”Fabrica Sin Patrones”, Fabrik Ohne BesitzerInnen).
Vor dem Parlamentsgebäude verfolgten Hunderte von Zanon-ArbeiterInnen und UnterstützerInnen die Sitzung auf einer Großleinwand. Nach der Verabschiedung des Gesetzes haben sie gejubelt, sich umarmt und geweint. Die Enteignung war das Ergebnis eines Kampfes, der seit mehr als acht Jahren andauert.
Im Jahr 2001, am Vorabend der argentinischen Wirtschaftskrise, versuchte der Besitzer Luigi Zanon, die Fabrik zu schliessen und alle 380 ArbeiterInnen auf die Straße zu werfen, ohne Abfindungen oder überhaupt ausstehende löhne zu lohnen. Aber die ArbeiterInnen reagierten mit der Besetzung der Fabrik im Oktober 2001. Sie fingen an, Waren aus dem Lager zu verkaufen, um das ihnen geschuldete Geld zu bekommen. Als die Lagerbestände ausgingen, beschloss die ArbeiterInnenversammlung am 21. März 2002, die Produktion unter ArbeiterInnenkontrolle aufzunehmen.
Die Zanon-ArbeiterInnen erkannten: eine Fabrik ohne ArbeiterInnen funktioniert nicht, aber eine Fabrik ohne Chefs kann sehr gut funktionieren.
In den acht Jahren der ArbeiterInnenselbstverwaltung haben die Zanon-ArbeiterInnen - die ihre Fabrik in FaSinPat umbenannten - sich gegen Räumungsversuche durch den Staat und durch SchlägerInnen im Sold der BesitzerInnen und der Gewerkschaftsbürokratie verteidigt. Sie bauten Solidarität auf mit anderen besetzten Fabriken, der Arbeitslosen-Bewegung, Menschenrechtsorganisationen (wie den Madres de Plaza de Mayo), Gewerkschaften, linken Parteien und dem örtlichen indigenen Volk der Mapuche. Mehrere Male waren sie in der Lage. Generalstreiks in Neuquén zur Verteidigung der Besetzung zu organisieren.
Allerdings ist die Enteignung der Fabrik ist nur eine Teillösung für die Zanon-ArbeiterInnen: Sie fordern die vollständige Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle, damit Zanon bei voller Kapazität und im Dienst der Bevölkerung funktionieren kann, ohne Entschädigung für die ehemaligen BesitzerInnen und ihre GläubigerInnen. Sie erkennen an, dass ihr Projekt nur erfolgreich sein kann, wenn die gesamte Wirtschaft, auf nationaler und internationaler Ebene, unter ArbeiterInnenkontrolle gestellt und der Ausbeutung ein Ende gesetzt wird.
Der Kontrast zwischen kapitalistischer Produktion und ArbeiterInnenkontrolle ist erstaunlich gewesen: Während Herr Zanon behauptete, löhne kürzen und Hunderte ArbeiterInnen entlassen zu müssen, waren die ArbeiterInnen selbst - die nicht vollständig den Zwängen des kapitalistischen Marktes unterliegen - in der Lage, allen einen existenzsichernden Lohn zu zahlen (und zwar den gleichen Lohn), die Zahl der Arbeitsplätze fast zu verdoppeln (von 260 zu Beginn der Besetzung auf 470 heute) und der örtlichen Gemeinschaft Keramik-Produkte zur Verfügung zu stellen (für Schulen, Krankenhäuser etc.).
Der Kampf der Zanon-ArbeiterInnen ist ein Beispiel für ArbeiterInnen auf der ganzen Welt, die im Zuge der Krise mit Massenentlassungen und Fabrikschließungen konfrontiert sind. Im letzten Jahr wurden Dutzende Fabriken rund um die Welt besetzt, aber die meisten Besetzungen zielten auf höhere Abfindungen, die keine längerfristigen Perspektiven für die arbeitslos gewordenen ArbeiterInnen bieten. Jedes Werk, das von Schließung bedroht wird, muss besetzt und von den ArbeiterInnen verwaltet werden. Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle ist nicht nur möglich: Er ist die einzige Möglichkeit, um Arbeitsplätze und Lebensunterhalte zu retten.
FaSinPat, auch wenn es nur ein sehr kleines Beispiel darstellt, zeigt dass eine Fabrik ohne KapitalistInnen erfolgreich sein kann. Es zeigt, dass ein Wirtschaftssystem, das von den ArbeiterInnen zur Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Klasse möglich ist.
Es muss klar sein, dass die Erfahrungen von Zanon nicht einfach ein Produkt der Dynamik des Kampfes oder der spontanen Militanz der ArbeiterInnen war. Die revolutionäre Linke in Argentinien, in erster Linie die trotzkistische Partei PTS, spielte eine führende Rolle im ganzen Prozess. Wie Raul Godoy, eine Führungsfigur bei der Besetzung und ein Mitglied der PTS, erklärt: “Es war notwendig, dass wir in jeder Versammlung, selbst in jeder Unterhaltung für eine revolutionäre Strategie argumentiert und gekämpft haben. Am Anfang haben die ArbeiterInnen es nicht verstanden - sie haben es ganz klar abgelehnt - aber in der Hitze der Krise und des Kampfes wurde diese Strategie vollständig aufgenommen.”Für die Umsetzung einer Strategie der ArbeiterInnenkontrolle ist es notwendig, dass eine revolutionäre marxistische Organisation unter den ArbeiterInnen vertreten ist.
Unterstützt den Kampf der Zanon-ArbeiterInnen für die vollständige Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle!
Jedes Werk, dass von der Schließung bedroht ist, muss besetzt und von den ArbeiterInnen verwaltet werden!
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