Vom humanitären Einsatz zum Krieg
Die anfangs als “humanitärer Einsatz” deklarierte imperialistische Besatzung Afghanistans wird nun “umgangssprachlich” als Krieg bezeichnet. Die "Enttabuisierung des Militärischen"(G. Schröder) geht voran, die „Kultur der Zurückhaltung“ ist endgültig vorbei. Nach Jahre der Heuchelei sind die deutsche Bourgeoisie, die bürgerlichen Politiker und Medien bereit, die Eingewöhnungsphase der Bevölkerung in Deutschland an militärische Auseinandersetzungen durch das entsprechende Vokabular zu ergänzen: nicht humanitärer Einsatz sondern Krieg!
»Wir müssen die Menschen in diesem Land klar darauf hinweisen, was für Belastungen die Einsatz-Szenarien der Gegenwart und auch der Zukunft mit sich bringen werden. « (zu Guttenberg) Die herrschende Klasse gewöhnt die Bevölkerung in Deutschland daran, über die Notwendigkeit des Krieges nachzudenken, wie auch sich mit dem militärischen Vokabular wieder vertraut zu machen: Kriegsinvaliden, Kriegerwitwen, Kriegerdenkmäler, Tapferkeitsmedaille, Kriegshelden, wobei diese noch in Särgen gefeiert werden. Dabei gilt „Wer arm ist, muss eher in Afghanistan sterben.“ (Wolffsohn, 21.04.10), denn „Die lebensgefährlichen, tödlichen Dienstleistungen sind den Unterschichten vorbehalten.” (Prof. Wolffsohn, von der Bundeswehr-Universität München, 21.04.10). Wer reicht ist, kommt gar nicht erst an die Front.
Ergänzend zu dieser ideologischen Operation wurde auch der rechtliche Rahmen klar definiert, ganz im Sinnen der Forderung Guttenbergs für mehr Rechtsicherheit für deutsche Soldaten zu sorgen. Die von der Bundesanwaltschaft verkündete Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Bundeswehr-Oberst Georg Klein kommt einer Reinwaschung gleich. Die deutschen Klassen-Justiz sendet wichtige Signale an die Männer und Frauen an der Front, nach dem Motto „Keine Sorge, egal was ihr anstellt, werden wir Euch nicht strafrechtlich verfolgen“. Die Vernichtung des Gegners, wie Klein auf einem Zettel notierte, verstößt laut Auffassung der Bundesanwaltschaft weder gegen die Vorschriften des Völkerstrafgesetzbuchs noch gegen die Bestimmungen des Strafgesetzbuches, mehr noch, sie hält die Bombardierung für verhältnismäßig. Die Reaktionen ranghoher Militärs und bürgerlicher Politiker waren deshalb voller Begeisterung: "Freispruch erster Klasse" (Ernst-Reinhard Beck, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) denn "Es gibt allen Soldaten mehr Sicherheit", (Wolfgang Schmelzer, stellvertretender Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes).
Das Unternehmen Krieg und ihre Nutznießer
Die Herausforderung globale Verantwortung zu übernehmen, verlangt auch den Willen führen zu wollen. Dafür braucht die siebte Wirtschaftsmacht der Welt eine schlagkräftige Armee. Mit einem Anflug von bisweilen ungewohnter Ehrlichkeit, was eine Welle der Empörung aller Kriegsparteien – angefangen bei der CDU über die SPD und Grüne- hat diesbezüglich Bundespräsident Horst Köhler, ehemaliger Leiter des berüchtigten IFWs, den wahren Charakter der kriegerischen Interventionen der Bundeswehr zutreffend formuliert: „Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.“ (DR, 22.05.2010).
Deshalb und um genau die Interessen des deutschen Kapitals zu wahren, um die Handelswege für deutsche Güter frei zu haben, um den reibungslosen Handel zu garantieren, bekommt die deutsche Rüstungsindustrie den Auftrag, die Bewaffnung der deutschen Besatzer zu modernisieren, denn laut einem Geheimbericht der Bundeswehr offenbart sie „gravierende“ Mängel: Zu schwache Munition, keine Artillerie, zu wenige Helikopter usw. Die nun angekündigten Sparmaßnahmen bei der Bundeswehr zielen lediglich darauf, den Modernisierungsprozess der Bundeswehr in eine globale agierende schnelle Eingreifstruppe zu beschleunigen.
Das gigantische Unternehmen des Krieges kostet Deutschland (mit 16 Prozent am Nato-Budget der zweitgrößte Zahler nach den USA) im Jahr rund 1,3 Milliarden Euro für Verteidigung und Entwicklungshilfe. Dabei sind von den seit 2001 nach Afghanistan geflossenen ca. 4 Milliarden Euro ca. 40 Prozent als Unternehmensgewinne und Beratergehälter nach Deutschland zurückgeflossen. Nutznießer der Gelder vor Ort waren vor allem deutsche Firmen, die die Projekte durchführen, vor allem deutsche Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, Krauss-Maffei, Siemens , aber auch Logistikunternehmen wie DHL, Deutsche Bahn, Bekleidungsdienstleister Lion Apparel Deutschland GmbH und viele mehr. Allein der Afghanistan-Einsatz kostet die Bundesrepublik im Jahr rund 1,3 Milliarden Euro für Verteidigung und Entwicklungshilfe.
Nach optimistischer Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dürfte der Krieg am Hindukusch Deutschland 36 Milliarden Euro kosten. Dabei haben die DIW-Forscher ein "realistisches" Szenario durchgerechnet, das unterstellt, der Abzug deutscher Truppen könne bereits 2013 beginnen. Sollte sich der Einsatz bis 2020 verlängern würden die Kosten des Krieges am Hindukusch auf mehr als 70 Milliarden Euro summieren.
25.000 halten 140.000 imperialistische Söldner in Schach
Die Bundeswehrsoldaten kämpfen in Afghanistan also nicht um abstrakte Ideale wie Demokratie oder Menschenrechte, sondern schlichtweg um die ökonomischen Interessen deutscher Konzerne. Sie töten um die hegemonialen Ambitionen des deutschen Kapitals durchzusetzen. Die Sicherheit deutscher Interessen verteidigt man bekanntlich am Hindukusch.
Wenn aber die Bundeswehr selbst angegriffen wird, und dabei Tote in den eigenen Reihen zu beklagen hat, ist man sich nicht zu Schade, die i.d.R. mit Sandalen, Sturmgewehren und Panzerfäusten bewaffneten Taliban als feige und hinterhältig zu diffamieren, die „verabscheuungswürdige“ und logischerweise „hinterhältige“ (Merkel, Steinmeier, Westerwelle) Angriffe ausüben.
Genau diesen ca. 25.000 schlecht ausgerüsteten Kämpfern gelingt es, einer militärischen Koalition bestehend aus 140.000 Soldaten aus 43 Nationen Paroli zu bieten. Die Erklärung dafür ist wohl nicht militärischer sondern gesellschaftlicher Natur: Die afghanische Bevölkerung hasst die Besatzer und gewährt den gegen sie kämpfenden Gruppen, auch der Taliban, Unterstützung. Das vom Außenminister Guido Westerwelle angekündigte Aussteigerprogramm für „Mitläufer“ der Gotteskrieger, das den Kämpfern eine „wirtschaftliche und soziale" (Seufzer) Perspektive bieten soll, bezeugt einerseits diese unbestreitbare Tatsache, andererseits das Fehlen einer klaren Strategie der herrschenden Klasse für Afghanistan und die Sorge angesichts der Unpopularität des Krieges in der deutschen Bevölkerung.
Eine revolutionäre Haltung
Der Kampf der Bevölkerung der Halbkolonien gegen die Besatzungsarmeen wie Deutschland, die letztendlich nur die Interessen des deutschen Kapitals mit der Waffe durchsetzen wollen, ist berechtigt und vollkommen legitim, denn dieser Kampf ist ein elementares demokratisches Recht. Dabei stellt die Niederlage jeder imperialistischen Macht objektiv einen fortschrittlichen Akt der Unterdrückten Massen da, trotz ihren klerikalen und reaktionär bürgerlichen Führungen. Daher verteidigen wir als Revolutionäre im Kriegsfall zunächst „die Mitglieder dieser radikal islamischen Organisationen gegenüber den Angriffen reaktionärer Mächte, seien sie imperialistischer Natur oder aus dem Israelischen Staat. Wir verteidigen das Recht Irans, als halbkoloniales Land, sich dem Druck des US-und europäischen Imperialismus zu widersetzen.“ Dazu gehört auch die Rechte der islamischen Gemeinden im Westen zu verteidigen, wo sie ständig den Schikanen der Behörden und dem grasenden Rassismus ausgesetzt sind: „Auch verteidigen wir ihre kulturellen Rechte in imperialistischen ländern, die wie im Falle Frankreichs [nun auch Belgien] gern als „demokratisch“ auftreten, aber den muslimischen Frauen das Tragen vom Schleier in den Schulen verbietet“.
Klar jedoch ist, dass diese Verteidigung im Kriegsfall nur einen ersten Schritt darstellt und Revolutionäre sich letztendlich für die die Befreiung der Massen der islamischen Welt einsetzten, sich jedoch klar gegen ihre reaktionäre Führungen wie Beispielsweise die Taliban stellen, da sie in keinster Weise zu einer Befreiung der Massen führen können und somit bekämpft werden müssen: „Aus einer antiimperialistischen Haltung heraus bekämpfen wir die islamischen Führungen, die die reaktionäre Strategie der Errichtung eines Gottesstaates verfolgen, der grundlegende demokratischen Rechte abschafft. Deshalb sind diese Führungen Feinde der Befreiung der Arbeiter, der Ausgebeuteten und Unterdrückten. Klerikale Führungen verweisen gern auf eine illusorische „Gläubigergemeinde“, dabei wollen sie nur die obszöne Klassenteilung in den islamischen Gesellschaften verschleiern. Sie sind erbittert dagegen, dass die Arbeiterklasse den Kampf gegen den Imperialismus und seine Diener, die lokalen Regierungen, mit einer unabhängigen Politik anführt. Jedes Mal, wenn die klerikalen Führungen an die Regierung kamen, haben sie ihren Charakter als Agenten der lokalen kapitalistischen Klassen gezeigt; sie haben die Unterdrückung der großen Volksmehrheiten mittels repressiver Regimes aufrechterhalten. Deshalb und jenseits ihrer sozialen Demagogie oder den Widersprüchen, die sie mit den USA haben können, stellen diese klerikalen Führungen in den muslimischen ländern die schwierigsten Hürden für die proletarische und sozialistische Revolution dar.“
In ländern wie Afghanistan wäre im Falle einer Niederlage der imperialistischen Armeen die Signalwirkung für die Ausgebeuteten und Unterdrückten der ganzen Welt unübersehbar: Die mächtigen imperialistischen Armeen sind bezwingbar. Dies würde den Widerstand gegen Ausbeutung, Armut und Unterdrückung weltweit beflügeln.
Das Proletariat in den imperialistischen ländern muss erkennen, dass die Schwächung der eigenen Bourgeoisie seinen Kampf beflügeln wird. Mit dem Kapital kann es keinen Frieden geben. Das Ìberleben des Kapitals basiert nur auf der tagtäglichen Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterklasse. Sollten die imperialistischen Ambitionen Deutschlands in Afghanistan oder sonst wo scheitern, würde dies den Kampf gegen die Pläne des deutschen Kapitals anspornen, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise von der Arbeiterklasse tragen zu lassen.
Auch die kämpferische Jugend muss neben der Solidarisierung mit den Kämpfen der eigenen Arbeiterklasse gegen das Kapital sich mit dem Anliegen der Unterdrückten Massen in den von den imperialistischen Mächten überfallenen ländern einsetzen. Dies kann durch Demonstrationen und Kampagnen ausgedrückt werden, aber auch durch die stringente Abwehr der Militarisierung wie beispielsweise die Werbungs- und Rekrutierungsrunden der Bundeswehr an deutschen Schulen und Universitäten, gegen die sich schon im letzten Jahr Jugendliche und auch Lehrer der GEW gemeinsam wehrten. So können Komitees an Schulen und Universitäten gebildet werden um im nächsten Bildungsstreik den Kampf gegen den imperialistischen Einsatz der Bundeswehr und die Militarisierung im Inneren wieder zu einem zentralen Thema zu machen.
Der Kampf gegen die imperialistischen Interventionen im Irak, in Afghanistan und dem nahen Osten, die Forderungen nach dem sofortigen Abzug der imperialistischen Armeen, allen voran der Bundeswehr und US-Armee, ist eine internationalistische und revolutionäre Pflicht! Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
Sofortiger Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan!
Bundeswehr raus aus dem Kosovo, aus dem Nahen Osten und aus Afrika!
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