Während wir diese Zeilen schreiben, ist der Tahrir-Platz Schaubühne gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen der Opposition gegen Mubarak und Teilen des alten Regimes, vor allem Sicherheitskräften in Zivil. Sie versuchen so ein Klima des Terrors zu schaffen und alle glauben zu lassen, es gehe um die Auseinandersetzung zwei rivalisierenden Gruppen. Sie versuchen den Tahrir-Platz einzunehmen, der zu einem Symbol des Kampfes gegen den Tyrann Mubarak geworden ist. Das ist die aktuelle Antwort des noch am Leben festhaltenden Regimes, das schwer angeschlagen und durch die Aktion der Massen ins Wanken gebracht worden, gleichzeitig wackelt eine seit 30 Jahren die Region bestimmende imperialistische Ordnung.
Gleichzeitig versucht dass Regime, die Wut der Massen durch Versprechungen im Zaum zu halten. So werden Taktiken von minimalen Zugeständnisse angewandt, wie die Eröffnung eines Dialogs mit der Opposition, mit der Bedingung dass die Proteste enden, oder die jüngste Ankündigung Mubaraks Sohn Gamal sich nicht um die Nachfolge seines Vaters bewerben zu wollen - all dies um die Gemüter zu beruhigen und die Massen zu demobilisieren. Das Ziel ist, den am vergangenen Freitag eröffneten Prozess, der sich nicht nur auf den Tahrir-Platz konzentriert sondern das ganze Land durchläuft, zu entschärfen um so das Wesentliche des Regimes und seiner Institutionen aufrecht zu erhalten. Deswegen versucht Mubarak sich als Garant einer Ìbergangsregierung darzustellen, die freie Wahlen vorbereite, genauso wie es sich die imperialistischen Staaten, allen voran die USA wünschen, die noch vor einigen Tagen Mubarak als einen Verbündeten in vielerlei Hinsicht. Denn er habe „sich sehr verantwortungsvoll verhalten hinsichtlich geopolitischer Interessen in der Region, dem Nah-Ost-Friedensprozess und hinsichtlich der Anstrengungen Ägyptens, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren.“, und die heute aufgrund der Angst, den ihnen die Massenmobilisierungen in Ägypten hervorrufen, „konkrete Schritte für eine politische Reform“ fordern genauso wie „Zurückhaltung beim Einsatz von Gewalt.“ So habe nach Aussagen des Sprechers der Obama-Regierung Robert Gips „Mubarak nun die Chance zu zeigen, wer genau er ist“. Deutschland, Frankreich und England forderten ihrerseits in einer gemeinsamen Erklärung Mubarak zur Einleitung eines „Transformationsprozesses“ auf, der sich in freien und fairen Wahlen widerspiegeln müsse.
Neben dem Imperialismus, auf den Mubarak immer zählen konnte, macht er sich der Illusionen zu nutzen, die die Massen noch in die Armee haben, einer der wichtigsten Pfeiler des Regimes, der zurzeit jedoch wie ein vom zu bekämpfenden Regime und Regierung losgelöster Körper angesehen wird. Doch, wie die Ereignisse vom Mittwoch zeigten, ist die Unparteilichkeit des Militärs bis jetzt nur ein Manöver um das Regime am Leben zu halten, denn das Militär ist die einzige Institution auf der sich ein stabiles Regime nach Wünschen der alten Eliten gründen könnte. Daher versucht dieser zentrale Pfeiler des Staates auf jeden Fall vor den Augen der Massen neutral zu wirken. So verspricht das Militär, nicht gewaltsam gegen die Anti-Mubarak-Bewegung vorzugehen, lässt jedoch zu, dass die Häscher in zivil dies ungeahndet tun. Gerade deshalb riefen sowohl der Vizepräsident Ägyptens, Omar Suleimán als auch das Militär die Bevölkerung dazu auf, die Ausgangsperren zu respektieren und in ihre Häuser zurück zu kehren. So sei für das Militär „die Botschaft der Demonstranten (sei) angekommen, ihre Forderungen seien bekannt. Jetzt könnten die Demonstranten das normale Leben im Land wiederherstellen.“
Anderseits ist es auch nicht verwunderlich, dass die politischen Oppositionsparteien insgesamt und insbesondere die Muslimbrüder (als zentrale Oppositionskraft Ägyptens) nicht eine zentrale Führungsrolle in diesem revolutionären Prozess gegen das Mubarak-Regime übernehmen wollen, sondern vielmehr pragmatisch handeln und Bündnisse mit laizistischen Oppositionen und dem Militär suchen. So unterstützten sie ElBaradei als Unterhändler und sprechen sich gegen das herrschende Klima der Gewalt aus, das einen friedlichen Ìbergang zur Demokratie verhindere. ElBaradei sprach sich beschwichtigend noch einmal dafür aus, dass Mubarak bis zum heutigen Freitag abtreten solle, denn die Protestbewegung, hauptsächlich von der Jugend geführt, für Freitag eine neue Demonstration mit dem Namen „Tag des Abgangs“ Mubaraks plant, und zu einer weiteren Radikalisierung der Bewegung führen könnte.
Wir haben also einerseits Führungen wie die der Muslimbrüder, die bisher eher eine mäßigende Rolle spielen und dem Protest keine klare Perspektive des offenen Kampfes gegen Mubarak und sein Regime geben. Denn diese kleinbürgerlichen Führungen sind an das lokale Kapital gebunden und fürchten eine wirklich unabhängige Mobilisierung der Massen. Die Unterstützung der Muslimbrüder gegenüber ElBaradei zielt darauf ab, ihm Legitimität in den Massen zu verschaffen, da er keine eigene soziale Basis hat und ihn die schmutzige Arbeit der Verhandlungen mit dem Regime machen zu lassen um selbst nicht ihr Ansehen zu verlieren. Angesichts dieser Situation fordert ElBaradei auch das Militär dazu auf, einzugreifen und der Gewalt ein Ende zu bereiten. Er weiß genau, dass wenn die Massen voranschreiten und sich wirklich unabhängig und nicht innerhalb bestimmter Grenzen mobilisieren, dann wird es auch für ihn und kleinbürgerlich demokratische Führungen schwierig eine auf Verhandlungen basierende lösung der Situation zu finden, der einzige Weg um die Ordnung, Stabilität und Kontinuität von Mubaraks Werk zu garantieren. Auf der anderen Seite sehen wir Massenmobilisierungen und unbegrenzte Generalstreiks, bei denen schon am Dienstag 90.000 Krankenpfleger die Arbeit niederlegten und die Hafenanlagen von Alexandria und Damietta lahmgelegten. Diese Bewegung strebt praktisch gen einer radikalen lösung, also unbewusst in Richtung Revolution. In diesem Prozess spielt vor allem die Jugend eine wichtige Rolle, eine gut ausgebildete Generation, der jedoch die Perspektive genommen wurde und die sich während der immer härter werdenden Proteste radikalisiert.
Daher ist es wichtig, dass die Arbeiterklasse zusammen mit den subalternen Klassen und der Jugend Selbstverteidigungsorgane aufstellen und ein revolutionäres Programm erheben, dass die Falle eines angeblichen Ìbergangs zur Demokratie bekämpft, die letztendlich die Interessen der ägyptischen Bourgeoisie und die der Imperialisten wahren soll. Daher ist heute der einzig wirkliche demokratische Ausweg im Ruf nach einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung zu finden, auf den Ruinen des aktuellen Regimes. Diese würde die Erfahrungen der Massen und den revolutionären Prozess beschleunigen und wäre ein Anstoß um für eine Regierung der Arbeiterklasse und Armen zu kämpfen, die sich auf Organe der Arbeiterdemokratie stützt und die Kapitalisten und Imperialisten enteignet – ein erster Schritt für eine sozialistische Revolution in der arabischen Welt.
Angesichts der dramatischen Situation, die Ägypten widerfährt und den sich eröffnenden Perspektiven, sind wir in den imperialistischen ländern wie Deutschland dazu aufgerufen, ganz konkret und sofort den Kampf der Ausgebeuteten und Unterdrückten in Ägypten zu unterstützten. Dafür ist es heute wichtig, die Gründung von Solidaritäts-Komitees an Unis, Schulen und Arbeitsplätzen voranzutreiben. Soli-Komitees für den Kampf des ägyptischen Volkes, der kämpfenden Arbeiterklasse, der Jugend auf den Barrikaden und den Frauen, die die deutsche Regierung darauf drängen, seiner Heuchelei ein Ende zu setzten und sofortig jegliche Beziehungen zu Mubarak beenden, indem sie ihm alle wirtschaftliche und militärische Unterstützung untersagen und die diplomatischen Beziehungen zum Mubarak-Regime abbrechen. Diese Soli-Komitees sollten auch die deutschen Massenorganisationen wie die Gewerkschaften oder linken Parteien dazu auffordern, nicht nur mit Worten den Kampf des ägyptischen Volkes zu unterstützten (soweit sie es überhaupt tun), sondern tatsächlichen Druck auf die deutsche Regierung im Sinne des ägyptischen Volkes auszuüben. Komitees könnten Solidaritätskampagnen organisieren, finanzielle Unterstützung sammeln, damit die streikenden ArbeiterInnen stand halten können, Hilfe für die Widerstandsbewegung die grausam unterdrückt wird, sammeln um letztendlich zu helfen, dass dieser beispielhafte Kampf des ägyptischen Volkes wirklich zum Sturz des Tyrannen und seines ganzen verkommenen Regimes führt. Es ist möglich, wie wir in Tunesien gesehen haben, mit dem einheitlichen, entschiedenen Kampf diktatorische Regierungen zu stürzen!
– Internationalistische Solidarität!
– Verbreitung und Unterstützung in Deutschland der politischen Kämpfe in Ägypten!
– Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit der ägyptischen Diktatur!
– Nieder mit der von den USA und der EU unterstützten Diktatur Mubaraks!
– Für eine Regierung der Arbeiter und des ägyptischen Volkes!
– Die arabische Revolution muss siegen!
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