Wir, Zehntausende Jugendliche und ArbeiterInnen im ganzen Spanischen Staat, haben angefangen, uns aufzulehnen gegen die Auswirkungen der Krise, gegen die Anpassungs- und Kürzungspläne und gegen eine „falsche“ Demokratie, an die niemand mehr glaubt. Denn sie zeigen uns, ohne es zu verschleiern, dass in Wirklichkeit die großen Unternehmen und die Banken regieren, welche die Unterstützung der Parteien PSOE, PP oder CIU genießen.
Es existieren bereits mehr als 70 Zeltstädte im ganzen Spanischen Staat und darüber hinaus auch schon in unterschiedlicher Stärke in Europa in zahlreichen Städten in Italien, Frankreich, Deutschland, Portugal… Der „arabische Frühling“, der in Tunesien losging, hat endgültig das Mittelmeer überquert. Wir können also, in Anlehnung auf die Revolutionswelle von 1848/49 nach Jahrzehnten der Reaktion, von einem neuen „Völkerfrühling“ sprechen.
Es gibt kein Zurück mehr. Von nun an werden sie mit uns rechnen müssen. Wir werden kämpfen bis zum Scheitern ihrer Arbeitsreform, ihres Rentenkürzungspakets, ihrer Kürzungen im Gesundheits- und Bildungsbereich, ihrer Versuche, uns zu den Zeiten der [faschistischen] vertikalen Gewerkschaft zurückzuwerfen… Der größte Angriff auf die ArbeiterInnen und verarmten Sektoren seit der Diktatur muss uns zuerst schlagen, wenn er durchgehen will. Aber wir sind entschlossen und wie unsere Großeltern 1936 sagten: ¡No pasarán! ¡Pasaremos! [Sie kommen nicht durch. Wir kommen durch.]
Wir wollen nicht für ihre Krise zahlen. Wir wollen nicht die düstere Zukunft, die uns Jugendlichen, Frauen, ArbeiterInnen dieses katastrophale System bereitet. Deshalb ist es notwendig, den Kampf aufzunehmen: für Arbeit für alle, für die Verteilung der Arbeit unter allen Händen ohne Lohneinbußen, für die Enteignung aller Großunternehmen unter ArbeiterInnenkontrolle und auch jener Firmen, die ihre Tore schließen oder die Beschäftigten entlassen, für die Enteignung aller Wohnungen der SpekulantInnen, gegen die rassistische Politik der AusländerInnengesetze, gegen die Leiharbeitsfirmen und die prekären Arbeitsverträge, für die Verstaatlichung des Bankensektors unter ArbeiterInnenkontrolle… Wir wollen alles!
Aber diese falsche „Demokratie“ wird uns nichts geben. In diesem Regime herrscht die selbe gesellschaftliche Klasse, die unter der Diktatur herrschte. Ihr „Ìbergang“ [zur Demokratie] hat die Interessen der Bourgeoisie bewahrt und uns eine Demokratie auferlegt, in der der ganze staatliche Apparat und die mächtigen Familien nicht nur überlebt und ihre absolute Straflosigkeit durchgesetzt, sondern auch noch verdammt gute Geschäfte gemacht haben: sie sind die wahren GewinnerInnen. Das beste Beispiel ist die Tatsache, dass es keine Autonomie für die Nationalitäten im Spanischen Staat gibt, oder auch, dass der Erbe Francos als Staatschef immer noch Juan Carlos I, „König von Spanien Dank Francos Gnade“, ist.
In der Zeltstadt auf der Puerta del Sol in Madrid wurden einige radikal-demokratische Forderungen aufgestellt, wie die Abschaffung des Senats, des Parteiengesetzes, des Sondergerichts audienca nacional oder das Ende der Monarchie, die wir sehr begrüßen. Denn die aus den Eingeweiden des Franco-Regimes entstandene Demokratie wird zunehmend in Frage gestellt; die Privilegien und Korruption der politischen Kaste, das Zweiparteienwahlgesetz… sind komplett illegitim in unseren Augen. Diese und weitere Forderungen gegen die Rettung der Banken, für den Erhalt der öffentlichen Dienste, für Arbeit oder das Recht auf Wohnung sind eine sehr gute Basis, von der wir aus voranschreiten können.
Gegen dieses „demokratische“ Regime – wohlgemerkt nur im Namen – müssen wir einen konstituierenden Prozess im ganzen Spanischen Staat erzwingen, eine verfassungsgebende Versammlung (zusammengesetzt aus gewählten Delegierten in einem einheitlichen Schlüssel von KandidatInnen pro EinwohnerInnen), die einen Prozess eröffnet, in dem wir darüber diskutieren, wie wir alle demokratische Angelegenheiten sowie unsere ökonomische und gesellschaftliche Situation lösen können. Aber diesen radikal-demokratischen Ausweg, den bereits zig Tausende von uns auf der Straße fordern, werden wir nur mit unserem Kampf erreichen. Die Parteien der Bourgeoisie und ihre Institutionen, wie der Wahlausschuss, der die Demonstrationen vom Samstag verbietet, werden alles mögliche tun, damit wir unsere Ziele nicht erreichen.
Um sie zu besiegen, müssen wir deshalb die Zeltdemonstrationen massiver machen. Gleichzeitig müssen wir uns mit den anderen sich im Kampf befindlichen Sektoren vereinigen. Gehen wir zu den Schulen, Universitäten, Straßenvierteln und vor allem zu den Arbeitsstätten, um Basiskomitees und Versammlungen zu organisieren, mit dem Ziel, die Bewegung zu erweitern und zu festigen. Es ist fundamental, dass jene Klasse, die die wichtigsten Hebel dieser Gesellschaft in ihren Händen hält, also die ArbeiterInnenklasse, mit ihren eigenen Methoden interveniert, um der Regierung, dem Regime und der Bourgeoisie den „Gnadenstoß“ zu versetzen. Wir müssen uns für dieses Ziel vereinigen und fordern daher alle ArbeiterInnen, die gegen Schließungen und Entlassungen kämpfen, oder dafür, dass ihre Tarifverträge entblockiert werden, auf, sich uns anzuschließen, und genauso das Krankenhauspersonal, welches gegen Kürzungen kämpft und die Studierenden, die gegen die Vermarktwirtschaftlichung der Universitäten kämpfen… Die Gewerkschaftslinke und die kämpferischen Sektoren und Basisgruppen der Mehrheitsgewerkschaften müssen sich auch an diesen Schlachten beteiligen. Koordinieren wir uns und erweitern wir die Kämpfe in den Arbeitsstätten, Schulen und Universitäten. Somit werden wir den verräterischen Gewerkschaftsanführern einen Generalstreik und einen Kampfplan aufzwingen, die nichts anderes tun in ihrem Leben als in den Verhandlungstischen zu sitzen, und dabei unsere Zukunft verkaufen.
Den Kampf in allen Sektoren zu erweitern und zu stärken, einen revolutionären Kampf in Angriff nehmen, um dieses verfaulte Regime zu Grabe zu tragen, ist der einzige Ausweg, um die Forderungen aller Jugendlichen und ArbeiterInnen, die bereits basta gesagt haben, durchzusetzen.
Clase contra Clase, 20. Mai 2011
„Clase contra Clase“ ist die spanische Sektion der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale (FT-CI) im spanischen Staat. Die FT-CI ist eine internationale Strömung mit Sektionen in Argentinien, Mexiko, Bolivien, Brasilien, Chile, Venezuela, Costa Rica – dazu gehören auch Mitglieder der revolutionären Strömung (CCR) der NPA in Frankreich und „Internationaler Klassenkampf“ in Deutschland. Die Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) ist in Deutschland, Tschechien und der Schweiz aktiv. RIO und die FT-CI arbeiten eng zusammen. Wenn du dieses Flugblatt interessant findest, würden wir gern mit dir diskutieren!
|