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Nach den Wahlen vom 17. Juni in Griechenland
von : Courant Communiste Révolutionnaire - Plateforme Z dans le NPA

09 Jul 2012 | Um die Regierung Samaras im Dienste der Troika in die Knie zu zwingen, werden wir die lösung nicht im Parlament finden. Wir müssen den Weg des Kampfes wieder betreten und die Reihen der ArbeiterInnen und der Jugend wiederschließen.

Um die Regierung Samaras im Dienste der Troika in die Knie zu zwingen, werden wir die lösung nicht im Parlament finden. Wir müssen den Weg des Kampfes wieder betreten und die Reihen der ArbeiterInnen und der Jugend wiederschließen.

Par Philippe Alcoy

Am Ende hat die Mitte-Rechts-Partei, Neue Demokratie (ND) von Antonio Samaras, die Parlamentswahlen vom 17. Juni gewonnen. Ein sehr knapper Sieg, mit 29,6% der Stimmen gegen 26,8% für SYRIZA, der von Alexis Tsipras angeführten „Koalition der radikalen Linken“.

Eine „seltsame“ Regierung von ND-PASOK-DIMAR

Das absolut undemokratische Wahlrecht, vor einigen Jahren von den griechischen SozialdemokratInnen der PASOK konstruiert, schenkt der Partei mit den meisten Stimmen einen „Bonus“ von 50 Sitzen. Dadurch hat ND nun 129 von 300 Abgeordneten, gegen 71 von SYRIZA. Um seine Regierung in Diensten der Troika aus EU, EZB und IWF aufstellen zu können und die Mehrheit im Parlament zu gewinnen, hat Samaras nun an die Abgeordneten von PASOK appelliert (12% der Stimmen, 33 Sitze), genauso an die der Demokratischen Linken (DIMAR, rechte Abspaltung von SYRIZA, 6% und 17 Sitze, die ursprünglich gesagt hatte, sie stelle sich gegen die Sparprogramme und die Memoranden). „Für diejenigen, die nicht mit der griechischen Situation vertraut sind“, unterstreicht ein Analyst, „mag diese Koalition ein wenig seltsam erscheinen, aber das ist nicht der Fall; in den letzten Monaten haben diese drei Parteien eine inoffizielle Gruppe gebildet, die der Ansicht war, dass Griechenland um jeden Preis in der Eurozone bleiben müsse, alle bemüht die ausgehandelten Memoranden der EZB und des IWF zu reformieren.“ In diesem Sinne „suchten die Wähler der ND und ihrer PartnerInnen nach Stabilität, den Ausstieg Griechenlands aus dem Euro befürchtend und einen starken Widerwillen gegen die linke Rhetorik von SYRIZA verspürend.“ [1]

Die Wahlen vom 6. Mai haben, auf der elektoralen Ebene, wie der Zusammenbruch des 1974 nach dem Fall der Militärdiktatur etablierten Regimes ausgesehen. Denn in diesen vorgezogenen Wahlen nach dem Ende der technokratischen Regierung von Lukas Papademos haben die Säulen des griechischen Zweiparteiensystems, ND und PASOK, zusammen nur 32% der abgegebenen Stimmen bekommen. Keine stabile Mehrheit konnte sich aus den Ergebnissen bilden, was zu einer Neuwahl führte. Am 17. Juni haben die konservativeren Sektoren der Gesellschaft einen Block um ND gebildet. Die Parteien der Austerität, Säulen des Zweiparteiensystems, haben nun 42% der abgegebenen Stimmen bekommen (48%, wenn man die Stimmen von DIMAR dazu zählt). So konnten die Bourgeoisie und die Troika, inmitten des Debakels, ein gewisses, wenn auch sehr instabiles Gleichgewicht finden. Wie lange wird es halten? Das wird von der Entwicklung der weltweiten Wirtschaftskrise, ihrer Auswirkungen in der Eurozone, der Entwicklung der spanischen und der italienischen Krise und selbstverständlich vom Rhythmus des Klassenkampfes abhängen.

Das alles soll nicht heißen, die griechische Bourgeoisie habe eine neue stabile Form des Zweiparteiensystems gefunden, mit den Parteien der Austerität auf der einen, und SYRIZA auf der anderen Seite. Im Endeffekt, auch wenn die Koalition der „radikalen Linken“ ihren Kurs gemäßigt und sich als eine „verantwortungsvolle Linke“ präsentiert hat, je stärker die Stimmen in den Umfragen für sie anstiegen, ist im Hinblick auf die Wahlen vom 17. Juni [2] für die nationale Bourgeoisie wie für ihre „PartnerInnen“ auf den Finanzmärkten in keinem Fall eine „vollwertige und glaubwürdige“ Option (zumindest nicht im Moment). Es muss hinzugefügt werden, dass der Rekordwert von 38% Nicht-WählerInnen ebenfalls ein Ausdruck des Legitimitätsverlustes des Regimes in den Augen der Massen ist.

Das Ergebnis der Neonazis, eine bedenkliche Erscheinung für die ArbeiterInnenbewegung

Eines der Elemente, das die größte Aufmerksamkeit der ArbeiterInnen und der RevolutionärInnen verdient, ist das Ergebnis der extremen Rechten, verkörpert durch die „unabhängigen Griechen“ (einer chauvinistischen und xenophoben Abspaltung von ND) und die „Goldene Morgenröte“ (Chryssi Avghi) , einer offen neonazistischen Strömung. Auch wenn die „unabhängigen Griechen“ ein bisschen an Land verloren haben mit ihren 7,5% im Vergleich zu ihren 10% im Mai (was ND zu Gute kam), konnte Chryssi Avghi ihre 7% halten. Dies ist ein sehr hohes Ergebnis für eine halb-mafiöse Gruppe mit einem explizit rassistischen und xenophoben Diskurs, für die der privilegierte Klüngel heutzutage die ImmigrantInnen sind (mit oder ohne Papiere). Ihre Fraktion von 18 Abgeordneten im Parlament stellt ihnen eine ausgezeichnete Tribüne zu Verfügung, um ihr ultrareaktionäres Gift zu verbreiten, das die Ausgebeuteten in (gute) Einheimische und „verbrecherische Einwanderer“ zu spalten versucht. Zweifellos wird die Bourgeoisie keinen Augenblick zögern, die Banden der Goldenen Morgenröte wenn nötig gegen die gesamte ArbeiterInnenbewegung zu verwenden, und nicht nur gegen migrantische ArbeiterInnen und linke AktivistInnen, wie bisher.

Dieser Aufschwung rechtsextremer Ideen reagiert im Grunde auf eine Situation der tiefen ökonomischen und sozialen Krise, eingebettet in die weltweite Krise des Kapitalismus, die die griechische Gesellschaft erschüttert. Nichtsdestoweniger spielen die Parteien der „Mitte“ eine verhängnisvolle Rolle, in dem sie mit ihrem immer xenophoberen Diskurs reaktionärere Ideen legitimieren. So wird, wenn sie ins Parlament zurückkehren, der Diskurs von Chryssi Avghi, „Razzien in Krankenhäusern und Kindergärten durchzuführen und die ImmigrantInnen und ihre Kinde auf die Straße zu werfen, damit GriechInnen ihren Platz einnehmen können“ [3] in die gleiche Richtung wie der Diskurs der etablierten Parteien gehen. Im Endeffekt ist es in diesem Zusammenhang „schwierig, zwischen der herrschenden Rhetorik von der ‘Invasion der illegalen ImmigrantInnen’ und dem ‘extremistischen’ Slogan ‘Ausländer raus aus Griechenland’ von Chryssi Avghi zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund sieht die Goldene Morgenröte so aus, als wolle sie lediglich ‘Recht und Ordnung’ in Athens Straßen garantieren, wie es die anderen Partei der Rechten ebenfalls tun. Es ist kein Zufall, dass die Goldene Morgenröte eine große Popularität bei den Polizeikräften besitzt. In einer bekannten Fernsehsendung hat ein Abgeordneter von Chryssi Avghi, Ilias Kasidiaris, zwei linke Abgeordnete körperlich angegriffen, und einige haben geglaubt, dass dieser Akt diejenigen, die für die Goldene Morgenröte gestimmt haben, davon abhalten würde, es wieder zu tun. Aber Kasidiaris ist wiedergewählt worden, und viele haben diesen Angriff als eine Attacke auf die korrupte politische Ordnung gesehen.“ [4]

Aber die Goldene Morgenröte wird sich nicht mit Reden aufhalten oder sich auf das „parlamentarische Spiel“ beschränken. Bereits jetzt führen ihre AktivistInnen Angriffe vor allem auf migrantische ArbeiterInnen. Deswegen ist es dringend notwendig, dass die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, Gewerkschaften, Parteien und die antifaschistischen Bewegungen selbstorganisierte Organe der Selbstverteidigung schaffen. Diese müssen den Kampf gegen Aggressionen faschistischer Banden und xenophobe Hetze mit Forderungen nach Notfallmaßnahmen und Ìbergangsforderungen gegen die Folgen der Krise und die Sparpläne verbinden. Der Boden, auf dem die Faschisten wachsen ist das Elend, die Folgen der Krise. Um sie zu bekämpfen ist es notwendig, dass die ArbeiterInnen, griechisch und migrantisch, die radikalisierte Jugend und revolutionäre AktivistInnen beginnen, gegen die nicht weniger reaktionäre Spaltung der ArbeiterInnenbewegung durch die Gewerkschaftsbürokratien und ihre reformistischen Komplizen zu kämpfen, im Sinne der Splitterung der Gewerkschaften in die zwei Föderationen (ADEDY und GSEE) und die gewerkschaftliche Strömung der griechischen KP (PAME), die alle gemeinsame Mobilisierung der ArbeiterInnen ablehnen, die nicht ihrer Kontrolle unterliegen. Genauso ist es nötig in den Fabriken, den Bildungsstätten und den Stadtvierteln eine ArbeiterInneneinheitsfront aufzustellen. Weder, indem es die Polizei des bürgerlichen Staates zur Hilfe ruft, noch indem sie von der Justiz eben dieses Staates fordert, die faschistischen Gruppen zu „verbieten“, kann sich das Proletariat ihrer entledigen. Noch einmal, wir dürfen in unserem Kampf gegen den Faschismus kein Vertrauen in den Staat der KapitalistInnen haben. Einzig die Einheit der Ausgebeuteten und Unterdrückten und die Selbstverteidigung erlauben einen effektiven Kampf gegen die faschistischen Banden, die, wenn die Situation völlig eskaliert und die ArbeiterInnen auf die Straße zurückkehren, sich in den Dienst des Großkapitals stellen werden.

SYRIZA, eine „verantwortungsbewusste Opposition“?

SYRIZA ist bei den Wahlen nicht Erster geworden, wie es einige Umfragen vorhergesehen hatten. Die Gruppe von Tsipras ist dennoch „siegreich“ aus den Wahlen gekommen. Im Endeffekt wäre ihr Wahlprogramm unmöglich zu verwirklichen gewesen. Während sie sich gegen die Sparmaßnahmen und die Memoranden stellen (auch wenn sie sich mit der Zeit hin zu einer „diplomatischen“ Haltung zur Troika entwickelt haben), hat sich Tsipras für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone und der EU ausgesprochen. Und das, ohne dass die griechische Bourgeoisie und die internationalen GläubigerInnen auf eine von SYRIZA angeführte Volksfrontregierung zur Beruhigung der Lage gewettet hätte. Eine Fraktion der SYRIZA-Führung war sich selbst dieses unlösbaren Widerspruches bewusst. Deshalb hat nur wenige Tage vor der Wahl Nikos Hanias, Kandidat von SYRIZA für Korinth auf der peleponesischen Halbinsel, seinen Rücktritt erklärt, denn, wie er sagte, „wenn SYRIZA auch nur für eine Stunde an die Macht käme, wäre das katastrophal für Griechenland und unsere Kinder.“ [5]

Vor diesem Hintergrund hätte ein Sieg von SYRIZA sicherlich die Blockadesituation verlängert, die Bildung einer Regierung erschwert und so die Situation der Instabilität verschärft, was die Führer von SYRIZA ebenfalls verhindern wollten. In diesem Sinne hat Tsipras erklärt, „dass die Abwesenheit einer Regierung nicht weitergehen könne. (…) Ein Land braucht eine Regierung, sei sie rechts oder links“ [6]. So hat die Tatsache, dass ND siegen und mit ihren PartnerInnen eine Regierung bilden konnte, SYRIZA in eine „bequeme“ Lage gebracht, als Hauptkraft der linken Opposition im Parlament [7], wo die Kommunistische Partei (KKE) sich in Folge ihrer sektiererischen und selbstherrlichen Politik stark verkleinert hat.

Aber wenn die von ND angeführte Regierung sich der vollen Kontinuität der Attacken gegen die Lebensbedingungen der ArbeiterInnen und der Massen verschreibt, kann Tsipras nicht mehr so gut verheimlichen, was schon im Wahlkampf herauskam: Er hat durchaus die Absicht, die Kämpfe und die Wut, die sich in den Betrieben und auf den Straßen ausdrückt, in institutionelle und parlamentarische Formen zu leiten, sie zu kontrollieren und zu beherrschen. Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse erklärte Tsipras, dass „SYRIZA ihre Sympathisanten nicht dazu aufrufen wird, auf den Straßen gegen die Sparmaßnahmen zu demonstrieren (…) [Sie] wird ihre Energien darauf konzentrieren, ‘einen Schutzschild für all die zu schaffen, die an den Rand gedrängt werden. Die Solidarität und der Widerstand sind beide wichtig, aber momentan ist die Solidarität das Wichtigere. Unsere Rolle ist es inner- und außerhalb des Parlamentes zu sein, um die positiven Maßnahmen zu unterstützen und die negativen zu verurteilen, immer indem wir Alternativen vorschlagen. Griechenland braucht mutige und entschiedene Führer, die in der Lage sind die Wut des Volkes dazu zu nutzen, das Beste für das Land zu erreichen’.“ [8]

Die Situation in Griechenland ist dennoch längst nicht stabil…

Anstatt ihre Parlamentssitze dafür zu benutzen, eine Tribüne für die ArbeiterInnen und die Massen zu schaffen, sieht man, wie SYRIZA darauf besteht, mit ihnen die Mobilisierung der ArbeiterInnen und der Massen zu bremsen. In dem Moment, in dem die Attacken der Troika und ihrer lokalen Komplizen weitergehen werden, ist es notwendig, sich im Gegenteil darauf vorzubereiten, sie in den Straßen zu bekämpfen, mittels Streiks, Besetzungen und Mobilisierungen in den Betrieben, den Nachbarschaften, den Universitäten und den Schulen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im Fall der Zuspitzung der Klassenkämpfe die aktuelle Regierung immer bonapartistischer wird, wenn nicht die KapitalistInnen sogar entscheiden, die Mechanismen der bürgerlichen Demokratie ganz auszusetzen, um Repressionen gegen die Ausgebeuteten durchzuführen, ohne darauf zu verzichten an, verbrecherische faschistische Banden zu appellieren. In dieser Perspektive kann die Politik der Kanalisierung der Kämpfe in das „parlamentarische Spiel“ durch Tsipras nur katastrophal für die ArbeiterInnenbewegung sein. Im Gegensatz zu einer solchen „Linksopposition“, die sich für einen Alternativengeber einer Regierung im Dienste der Troika hält, ist es notwendig, alle ArbeiterInnen hinter einem Programm dringender Ìbergangsforderungen zu mobilisieren um die Troika und ihre Komplizen in die Knie zu zwingen. In diesem Sinne ist auch die Solidarität mit der griechischen ArbeiterInnenklasse und Jugend, auch in den imperialistischen Zentren Deutschland und Frankreich, notwendig. Die Fort- und Rückschritte in Griechenland werden einen gigantischen Einfluss auf unsere Fähigkeit haben, hier der Austeritätspolitik für die Bosse der Regierungen Hollande und Merkel zu widerstehen, die die brutalen Memoranden gegen das griechische Volk gemeinsam und mit Brüssel durchsetzen.

übersetzt von RIO

 

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