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Der Kampf der Kumpel
von : RIO | Revolutionären Internationalistischen Organisation, Deutschland , Mark Turm

07 Oct 2012 | Die Krise in Europa vertieft sich von Tag zu Tag. In den südeuropäischen Staaten hat die Krise zu einem regelrechten Einbruch der Wirtschaft geführt. länder wie Griechenland oder neuerdings der Spanische Staat sind an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten und destabilisieren zusätzlich die ohnehin angeschlagene (...)

Von Mark Turm

Die Krise in Europa vertieft sich von Tag zu Tag. In den südeuropäischen Staaten hat die Krise zu einem regelrechten Einbruch der Wirtschaft geführt. länder wie Griechenland oder neuerdings der Spanische Staat sind an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten und destabilisieren zusätzlich die ohnehin angeschlagene Eurozone.

Spanien, die ehemals fünftgrößte Wirtschaft Europas, wird zum ernsthaften Problem für die Zukunft der Europäischen Union, denn aufgrund der engen Wirtschaftsbeziehungen Spaniens mit Frankreich und Deutschland könnte Spaniens Fall diese Motoren der EU und somit die EU insgesamt als das Europa des Kapitals in die Tiefe stürzen. Seit dem Platzen der von den deutschen Banken maßgeblich finanzierten Immobilienblase im Jahr 2008 ist der Spanische Staat in einen Sog der Schuldenkrise geraten, der auch die deutschen Banken und Kreditinstitute mitzunehmen droht[1].

Die herrschende Klasse Spaniens versucht mittels ihres Staates, ihre Krise zu bekämpfen, indem sie ihre eigenen Verluste und die der ausländischen GläubigerInnen, die als Folge des Platzens der Spekulationsblase im Bau- und Immobiliensektor entstanden waren, zu sozialisieren versucht. Das war der Fall Anfang August 2011, als das durch den Zusammenschluss von mehreren Sparkassen mit einer Vielzahl von faulen Immobilienkrediten in ihren Bilanzen gegründete Kreditinstitut Bankia[2] nach mehreren Finanzspritzen in Milliardenhöhe durch die Zentralregierung vollständig verstaatlicht wurde. Man konnte die Verluste nicht mehr durch Zahlenspiele verstecken. Gleichzeitig legen vor allem spanische Banken ihre Gelder vermehrt im Ausland an. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres zogen Anleger insgesamt 163 Milliarden Euro aus Spanien ab, was 16 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung entspricht.

Intern sieht es für Spanien nicht besser aus, im Gegenteil: Die Finanzlage der Autonomen Gemeinschaften spitzt sich ununterbrochen zu. So hat Katalonien, stärkste Wirtschaftsregion des Landes, die ein Viertel des spanischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, den größten Schuldenberg angehäuft, insgesamt rund 42 Milliarden Euro. Um dieser sich zuspitzenden Finanzlage zu begegnen, haben bereits jetzt vier Regionen (Katalonien, Murcia, Valencia und Andalusien) bei der Zentralregierung in Madrid Finanzhilfen in Milliardenhöhe beantragt, nachdem die Zentralregierung im Juli 2012 einen 18 Milliarden Euro schweren Liquiditätsfonds für die Autonomen Gemeinschaften geschaffen hatte, der ähnlich funktioniert wie der europäische EFSF, und der die Umgehung der in den Autonomie- Statuten festgelegten Eigenständigkeit der Regionen in Haushaltsfragen vorschreibt.

Die Spannungen zwischen den verschiedenen regionalen Bourgeoisien im Spanischen Staat spitzen sich zu. Die katalanische Bourgeoisie droht mit der Unabhängigkeit Kataloniens, will aber nur eine größere finanzielle Eigenständigkeit. Dabei greift sie die berechtigten Forderungen der katalanischen Massen nach Selbstbestimmung auf, um sich eine soziale Basis zu verschaffen, um bessere Bedingungen gegenüber der spanischen Bourgeoisie auszuhandeln. Damit lenkt sie von der Tatsache ab, dass die katalanische Regierung die Vorreiterin bei den Kürzungen im sozialen Bereich ist, was ihren reaktionären Charakter unterstreicht.

Alles deutet darauf hin, dass sich der Spanische Staat, neben Griechenland, schnell in das neue „schwächste Glied“ der EU verwandeln könnte. Die Krise des post-franquistischen Regimes, mit dem sich der spanische Kapitalismus seit dem Ende der Diktatur ausdehnen konnte, verschlimmert sich. Ihre institutionellen Säulen sind wackelig, angefangen bei der Monarchie. Auch die territoriale Einteilung in die Autonomen Gemeinschaften wird in Frage gestellt, denn alle Flügel der Bourgeoisie sind sich darüber einig, den „Sozialstaat“ in seiner bisherigen Form abzuschaffen, aber die Probleme fangen an, sobald entschieden werden muss, wer als Erster mit Kürzungen dran ist. Ein Ausdruck dieser Spannungen ist der Streit um die Hilfen für Katalonien aus dem Liquiditätsfonds für die Autonomen Gemeinschaften. Nun versucht die katalanische Bourgeoisie mit Unabhängigkeitsparolen, sich einen größeren Verhandlungsspielraum zu verschaffen. Dieser Kurs kann jedoch Kräfte frei setzen, die weit über das Ziel hinaus gehen, das sie erreichen will. Die gewaltige Demonstration für die Unabhängigkeit Kataloniens, auf der 1,5 Millionen Menschen Barcelona zum Erliegen brachten, ist eine erste Kostprobe. Die nationale Frage in Spanien kommt angesichts der harten Sparmaßnahmen mit Wucht zurück, und droht das Nachfolgeregime der Franco-Diktatur in die Luft zu sprengen.

Auch der Pakt von Moncloa von 1977, mit dem der „friedliche Ìbergang zur Demokratie“ beschlossen wurde, ohne die Interessen der KapitalistInnen anzutasten, und das auf die so genannte Sozialpartnerschaft und die Standortlogik gegründete Gewerkschaftsmodell sind schwer angeschlagen. Der Versuch der Rücknahme historisch erkämpfter Rechte der ArbeiterInnen durch Arbeitsmarktreformen, die an Arbeitsgesetze der Franco-Ära erinnern, kann dazu führen, dass die von der Gewerkschaftsbürokratie garantierte Stabilität durchbrochen wird. Die Brutalität der Angriffe der Bourgeoisie erschwert die Arbeit der Gewerkschaftsbosse wie Ignacio Fernández Toxo und Cándido Méndez, Anführer der Gewerkschaftsverbände CCOO und UGT, oder ihrer NachfolgerInnen, die stets eine Politik der Klassenversöhnung verfolgten, dabei Arbeitskämpfe kanalisieren und ins Leere laufen lassen. Ein beeindruckendes erstes Beispiel davon war der 65-tägige Streik der Kumpels aus den Kohlerevieren in Asturien, León und Navarra gewesen, der das ganze Land aufgrund ihrer radikalen Kampfmethoden sowie der riesigen Solidaritätswelle unter breiten Schichten der Bevölkerung erschütterte.

Die sozialen Folgen der kapitalistischen Krise

Die spanische Regierung versucht, die Krise mit einem milliardenschweren Sparpaket zu stemmen. Bis zu 65 Milliarden Euro will die Regierung in den nächsten zweieinhalb Jahren einsparen. Um den Bankensektor zu retten und die Interessen der KapitalistInnen zu schützen, müssen die Lohnabhängigen und verarmten Massen in Spanien eine weitere massive Senkung ihres Lebensstandards dulden. Bereits bevor die brutalen Kürzungen angekündigt worden waren, mussten im einst als Musterland der Eurozone geltenden Spanien 63 Prozent der Bevölkerung mit weit weniger als tausend Euro im Monat zurecht kommen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 50 Prozent und selbst von den Jugendlichen, die Arbeit haben, müssen 40 Prozent mit Zeitverträgen arbeiten. Selbst während der „fetten Jahre“ sanken die Reallöhne, die nicht mit der Inflation mithielten. Anders gesagt geht es der Jugend in Spanien erstmals seit Jahrzehnten schlechter als ihren Eltern. Und die Armut nimmt zu: JedeR fünfte RentnerIn und jedes sechste Kind sind unterhalb der Armutsgrenze.

Nun hob trotz anderslautender Wahlversprechen die Regierung die Mehrwertsteuer kurzerhand auf 21% an, steigerte den verminderten Mehrwertsteuersatz von acht auf zehn Prozent, reduzierte die Hilfen für Arbeitslose, erhöhte die indirekten Steuern auf Energie, will die öffentliche Verwaltung reduzieren, und Teile der Sonderzahlungen für BeamtInnen streichen. Dafür bekommt der Spanische Staat Lob von der EU-Kommission, von Schäuble und von Merkel. Nicht aber von vielen Sektoren der ArbeiterInnenschaft, allen voran den BergarbeiterInnen, die gegen die Streichung von Subventionen für die Kohleindustrie – was den Tod fast aller Zechen des Landes bedeutet – auf die Straße gingen.

Der Aufstand der BergarbeiterInnen: Radikale Methoden gepaart mit reformistischem Bewusstsein

Die Nachricht über die Subventionskürzungen für den Bergbausektor schlug wie eine Bombe ein. Die BergarbeiterInnen und ihre Familien verstanden, dass dies eine Kriegserklärung war, denn es ging um ihre Existenz und die ganzer Landstriche.

Trotz aller zuvor gemachten Vereinbarungen, die Kohleförderung bis 2018 laufen zu lassen und neue Arbeitsplätze in den Regionen zu schaffen, kündigte die Regierung dieses Jahr die sofortige Streichung von 64 Prozent der Subventionen (in etwa 300 Millionen Euro) an, was die Schließung der unrentablen Zechten bedeutet, also fast alle vierzig Zechen, von denen laut Gewerkschaftsangaben 8.000 Arbeitsplätze direkt und 17.000 indirekt abhängig sind[3]. Die Zukunftsperspektiven für die noch im Bergbau Beschäftigten und ihre Familien, die in den Bergbauregionen von Asturien, León, Aragón ausschließlich von dieser Aktivität abhängig sind, sind dunkel. Dies gilt umso mehr für die kommenden Generationen – denn im Spanischen Staat muss zum Beispiel mehr als die Hälfte der unter 34-Jährigen noch bei den Eltern leben, weil die Mieten zu hoch sind. Nicht mal das Auswandern in die Großstädte ist eine Perspektive, denn in Barcelona oder Madrid sind die Lebenshaltungskosten ähnlich hoch wie in Frankfurt oder München! Wer noch einen Beweis dafür suchte, den hat er: Arbeitslosigkeit und Misere sind das Einzige, was der Kapitalismus noch garantieren kann.

Die Kumpels errichteten Straßensperren und es folgten harte Auseinandersetzungen mit der Policía Nacional (Nationalpolizei) und Guardia Civil („Zivilgarde“, spanische paramilitärische Spezialpolizei). Streikende ArbeiterInnen verschanzten sich in den Bergwerken und die Frauen der BergarbeiterInnen protestierten lautstark im Senat, was ihnen große Sympathien in der Bevölkerung brachte. Etwa 200 BergarbeiterInnen machten sich auf den Weg nach Madrid, um die Regierung dazu zu bewegen, ihnen Gesprächsbereitschaft und Verständnis entgegen zu bringen. Dennoch lag ein Hauch von Rebellion in der Luft. Der Kampf war heldenhaft und die Kampfbereitschaft war riesig. Viele erinnerten sich an die Geschichten der Großeltern, die 1934 15 Tage lang eine „Republik der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen“ in Asturien aufrechterhielten, bevor sie von republikanischen Truppen unter der Führung des damals noch unbekannten Generals Franco niedergemetzelt wurden, oder an die Geschichten der Eltern über das Jahr 1962, als die BergarbeiterInnen Asturiens mit einem riesigen Streik dem massenhaften Kampf gegen die Franco-Diktatur den Weg ebneten.

65 Tage lang hielt die Streikfront und die angewandten Methoden wurden immer radikaler. Dennoch blieben ihre politischen Forderungen leider weit hinter der Radikalität ihrer Methoden zurück.

Als die 200 BergarbeiterInnen vom „Schwarzen Marsch“ in Madrid ankamen, wurden sie von Zehntausenden jubelnd empfangen. Es war ein triumphaler Einzug, der von Parolen wie „Wir sind alle BergarbeiterInnen“ und „Sie vertreten uns doch“ begleitet wurde (letztere war in Anlehnung an das Motto der Empörten-Bewegung, „Sie vertreten uns nicht“, die an die bürgerlichen PolitikerInnen von PP und PSOE gerichtet war). Die Kumpels wurden somit in kürzester Zeit zu einem Widerstandsmodell für große Sektoren im Spanischen Staat angesichts der harten Kürzungen der mittlerweile verhassten Regierung.

Als die DemonstrantInnen durch die Straßen von Madrid marschierten und das Industrieministerium erreichten, um ihre Forderungen zu überbringen, wurden sie von der Bereitschaftspolizei brutal angegriffen. Die Regierung hatte am Vorabend der Ankunft des „Schwarzen Marsches“ der BergarbeiterInnen in Madrid eine weitere Provokation geliefert, indem sie die bereits erwähnten Kürzungen in Höhe von 65 Milliarden Euro im Parlament ankündigte.

Hätte die Regierung gegenüber den Kumpels Schwäche gezeigt, hätte sie an Glaubwürdigkeit eingebüßt, was zur Folge gehabt hätte, dass zahlreiche andere Sektoren, die gleichfalls von den Sparmaßnahmen gebeutelt sind, ihrem Unmut Ausdruck verleihen würden, und sich nach dem Beispiel der BergarbeiterInnen gerichtet hätten. Die spanische Regierung, unterstützt von der EU und EZB und beflügelt von der demobilisierenden Politik der Gewerkschaftsführungen, griff hart durch, um den wegen ihres „revolutionären Temperaments gefürchteten Bergarbeitern von Asturien“[4] präventiv das Rückgrat zu brechen. Denn der Kampf der asturischen BergarbeiterInnen und ihrer Frauen entwickelte sich schnell zu einem Vorbild des Widerstandes gegen die Kürzungsorgie der Regierung. Hätte ein Sektor des Proletariats einen Sieg – auch einen Teilsieg – gegen die von den Bourgeoisien in Europa angeordneten Kürzungen errungen, die im Wesentlichen den Interessen des deutschen Kapitals entsprechen[5], hätte dieser beweisen, dass es doch eine Alternative zu Armut und Misere gibt, dass sich das Kämpfen lohnt, dass es möglich ist, die Interessen der Lohnabhängigen zu verteidigen, so würde das Auswirkungen in ganz Europa haben. Die Lehren dieses Kampfs müssen daher studiert und die Stärken und Schwächen ausgewertet werden, um sich auf die nächsten Kämpfe vorzubereiten, die bereits vor der Tür warten.

Die Rolle der Gewerkschaftsführungen von CCOO und UGT

Aber die Rechnungen müssen wir mit dem Wirt machen, und in den ArbeiterInnenreihen heißt dieser „Gewerkschaftsbürokratie“. Obwohl ihre Methoden immer radikaler wurden, war die größte Hürde der BergarbeiterInnen ihr reformistisches Bewusstsein, das von den Gewerkschaftsführungen kultiviert wird, die auf parlamentarische Initiativen der sozialdemokratischen PSOE setzten, um das Gesetzesprojekt über den allgemeinen Staatshaushalt abzulehnen, und darauf vertrauten, dass die SenatorInnen der konservativen Regierungspartei PP mit der Parteidisziplin brechen und sich ebenfalls weigern würden, dem Gesetz zustimmen. Das Ergebnis war, anders als von der Gewerkschaftsbürokratie gehofft, dass das neue Gesetz angenommen und die dagegen protestierenden Frauen von der Polizei aus dem Senat geworfen wurden – eine gute Schule über das Demokratieverständnis der bürgerlichen Parteien!

Als die BergarbeiterInnen in Madrid eintrafen, wäre es notwendig gewesen, auf die Provokationen der Regierung mit einer Radikalisierung des Konfliktes zu antworten, in die Offensive zu gehen, den Streik auf andere Sektoren auszuweiten, eine Streikkasse zu organisieren, die vereinzelten Streiks und Bewegungen zu koordinieren und schließlich den Generalstreik aufzurufen, um der Regierung das Handgelenk zu brechen. Jedoch war die Politik der Gewerkschaftsbürokratien der großen Gewerkschaftsverbände UGT und CCOO, die den Konflikt anführten, eine Politik der Demobilisierung und des Auslaufen-Lassens, um eine Radikalisierung zu verhindern. Sie riefen dazu auf, sich „geordnet zurückzuziehen“ und auf die Provokationen der Polizei nicht zu antworten, obwohl es durchaus Kampfbereitschaft gab. Gleichzeitig setzten sie ihre Hoffnungen auf die Gespräche mit der Regierung und starteten ohnmächtige Kampagnen wie Unterschriftensammlungen. Sie organisierten auch vereinzelte Versammlungen in den Betrieben, statt öffentliche Massenversammlungen zu veranstalten – vor allem dort, wo sich die Müdigkeit und Demoralisierung unter den BergarbeiterInnen ausbreiteten, die das Ende des Konfliktes und eine schnell Rückkehr zur Arbeit wollten.

Dadurch konnten sie in zweierlei Aspekten punkten: einerseits gaben sie sich demokratisch, andererseits führten sie eine selektive Demobilisierungskampagne durch, die die kämpferischen von den zurückhaltenden Belegschaften trennte. Darüber hinaus verfolgten sie eine zersetzende Politik der Versöhnung zwischen den Beschäftigten und den Bossen, um „gemeinsam die Zukunft der spanischen Kohle zu verteidigen“. Dabei wurden sie von den Stadtverwaltungen der betroffenen Städte unterstützt, deren Einkünfte und Arbeitslage schon immer stark von der Kohle abhängig waren. Durch einen Diskurs der Aufrechterhaltung des Standortes wurde die Frage der Einheit der ArbeiterInnenklasse verschleiert.

Mit so einer Politik, die den Feind als Freund ausgibt, und als höchste Ebene des Kampfes auf Gespräche über die sozialverträgliche Zerschlagung der Kohleförderung setzt, ist es auch kein Wunder, dass sich Enttäuschung ausbreitete. Am 65. Tag des Streiks rief die Gewerkschaftsbürokratie dazu auf, den Streik „kurzfristig“ zu beenden, um sich eine Verschnaufpause zu verschaffen und im September wieder zuzuschlagen. Seitdem ist nichts mehr von Streik zu hören.

Statt zu den BergarbeiterInnen zu gehen, gingen die Chefs von CCOO und UGT Anfang Juli lieber zu Angela Merkel, die eher bereit war, sich mit beiden zu treffen, als der spanische Regierungschef. Das haben Toxo und Méndez, wie die spanische Tageszeitung „El País“ berichtete, als einen kleinen Erfolg gewertet (!), und Anfang August gingen sie auch zum Elefantenjäger Juan Carlos, König von Spanien, um sich beim Monarchen über die Sparpolitik der Regierung zu beklagen (!) und ein Referendum über den Sparkurs zu fordern. Gleichzeitig fordern UGT und CCOO gemeinsam mit dem DGB ein „umfassendes und langfristig angelegtes Konjunktur-, Wachstums- und Aufbauprogramm – eine Art Marshallplan für Europa“[6], um aus der Rezession herauszuwachsen.

Die Rolle der gewerkschaftlichen Linken …

Außer durch manche Aufrufe zu Solidaritätsaktionen vereinzelter Organisationen hat sich die spanische Gewerkschaftslinke, bestehend aus kleineren linken Gewerkschaften und linken Flügeln der großen Verbände, bisher als unfähig erwiesen, eine Alternative zur Politik der großen Gewerkschaftsbürokratie aufzuzeigen. Sie haben weder zu Solidaritätsaktionen außerhalb der Bergbauregionen aufgerufen noch zur Förderung einer Streikkasse, die die BergarbeiterInnen initiierten.

Im schlimmsten Fall hat sich die Gewerkschaftslinke durch ihre Stille hervorgetan, im besten Fall durch die reine Beschreibung des Kampfes auf journalistischer Art und Weise. Ausnahmen bilden die kleine Demonstration der CNT in Barcelona und weitere Aktionen der asturischen Gewerkschaft CSI[7]. Die CGT[8], obwohl sie den BergarbeiterInnenstreik begrüßte, hatte keine Alternative zur politischen Orientierung der mehrheitlichen Gewerkschaftsverbände. Sie rief zwar zu „aktiver“ Solidarität auf, beschränkte sich dabei aber auf die Unterstützung ohnehin stattfindender Versammlungen und Aktionen. Dabei hätte sie ihr Gewicht in den Regionen, wo sie stark ist, dazu benutzen können, schlagkräftige Solidaritätsaktionen zu starten.

… und der politischen Linken

Die Rolle der politischen Linken in Spanien ist ebenfalls ziemlich traurig. Ein bemerkenswertes Beispiel lieferte die Gruppe En Lucha (Im Kampf). Die spanische Schwesterorganisation der britischen Socialist Workers Party und des deutschen Marx21-Netzwerks in der Linkspartei hatte eine eklektische Haltung zu diesem Streik mit verschiedenen Positionen, die nicht unterschiedlicher hätten sein können. Einerseits betont En Lucha die zentrale Bedeutung der ArbeiterInnenklasse als revolutionäres Subjekt, hat aber auch kein Problem damit, Artikel von AktivistInnen der 15M-Bewegung zu veröffentlichen, die die Zentralität der ArbeiterInnenklasse im Kapitalismus aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess auf eine ästhetische Frage reduzieren, die „Klasse“ zu „Leuten“ machen oder an Stelle von „ArbeiterInnen“ die „Gemeinden“ treten. Diese AktivistInnen halten Ìberlegungen über die strategische Bedeutung des Kampfes der BergarbeiterInnen aus einer Klassenperspektive – wie etwa von den GenossInnen unserer Schwesterorganisation im Spanischen Staat, Clase contra Clase – für eine „Unterstützung der Bergarbeiter in subalterner und kriecherischer Haltung“, womit letztlich eine politische Anbiederung an CCOO und UGT mittels eines gezierten Vokabulars begründet werden soll[9].

Gleichzeitig aber veröffentlicht En Lucha andere Artikel, die genau diesen Thesen widersprechen, ohne auf diese Verwirrung einzugehen. Statt für einen pro-proletarischen Pol zu kämpfen, tritt diese Gruppe in einem Block mit Sektoren auf, die auf der Suche nach neuen Subjekten, nach neuen Organisationsformen und neuen Ideologieformen sind. Doch wie wir über diese Suche geschrieben haben: „Die Klassengesellschaft, die Ausbeutung, die Plünderung der armen Massen, der Imperialismus, die Unterdrückung bestehen aber weiterhin. Die Bourgeoisie als herrschende Klasse ist nach wie vor existent. Was sich ändert sind die Bedingungen des Kampfes, das Kräfteverhältnis, aber die Gegner, der Ursprung des Konfliktes und die Bedingungen für den Sieg sind immer noch da.“[10]

Doch statt eine solche These konsequent zu vertreten, bildet En Lucha praktisch einen prinzipienlosen Block. Dies ist Ausdruck der Anpassung an die Vorurteile, die über den revolutionären Marxismus herrschen, dessen Prinzipien mit denen der sowjetischen Bürokratie identifiziert werden. Das führt direkt zur politischen Anpassung dieser Gruppe an 15M-AktivistInnen, eine typisch zentristische Verwischung von politischen Gegensätzen, ohne es für nötig zu halten, die eigene Inkonsistenz zu begründen. Diese „Verwischung der Gegensätze zwischen den verschiedenen Tendenzen“ ist laut dem russischen Revolutionär Leo Trotzki typisch für zentristische Organisationen[11].

Eine revolutionäre Antwort ist notwendiger denn je

Damit die Bevölkerung in Asturien, León und Navarra eine würdige Zukunft hat; damit die Arbeitslosenzahlen nicht noch weiter steigen, wie es in Deutschland in den einstigen Kohlerevieren im Ruhrgebiet geschah, wo ehemalige Bergbaustädte wie Duisburg oder Dortmund die höchsten Arbeitslosenzahlen im ganzen Bundesgebiet haben; damit das asturische Proletariat wieder eine Ehrenrolle in den nächsten Klassenauseinandersetzungen spielen kann, muss es seine Kampfkraft wieder erlangen. Es muss, wie die GenossInnen von Clase contra Clase sagen, zunächst den Ballast, den die versöhnlerische Gewerkschaftsbürokratie darstellt, abwerfen. Es muss den sozialen Dialog ablehnen und nur auf seine eigenen Kräfte vertrauen. Es müssen Kampforgane der breiten Basis entstehen, welche den Streik anführen. Es müssen Streikkomitees gewählt werden, die die Forderungen der Beschäftigten, nicht der Bosse, durchsetzen.

Solche Organe könnten einerseits einen Kampfplan aufstellen, andererseits ein Programm entwerfen für eine lösung im Sinne der ArbeiterInnen, ihrer Familien und der verarmten Massen der Region. Eine solche lösung würde mit der Verstaatlichung aller Zechen unter ArbeiterInnenkontrolle anfangen. Somit könnten die Beschäftigten sich der Kontrolle der Bosse entziehen und die staatlichen Subventionen selbst verwalten, damit die Beschäftigten und ihre Klassengeschwister eine Zukunft frei von Armut und Misere haben.

Das Proletariat im spanischen Staat kann stolz auf seine Kampftradition zurückblicken. Die neuen Generationen, die den Kampf aufnehmen, müssen aus diesen zahlreichen Erfahrungen lernen. Es ist eine unerschöpfliche Reserve, die von der bürgerlichen Ideologie als veraltet, überholt, unbrauchbar abgestempelt wird. Leider gibt es viele Sektoren, die sich als links verstehen, die sich diesem Dogma anschließen und die ArbeiterInnenklasse sowie ihre Methoden der Organisation und des Kampfes ablehnen, wie zum Beispiel manche FreundInnen der bereits leise und ruhmlos gestorbenen Occupy-Bewegung in Frankfurt und Berlin das Proletariat als überholt, ja als ein Relikt der Vergangenheit, ansahen.

Wir RevolutionärInnen dagegen sind fest vom revolutionären Potential der ArbeiterInnenklasse überzeugt. Ein Blick in die Realität beweist dies. Zum Beispiel verursachte ein einziger Streiktag des Flugbegleitpersonals der Lufthansa den Herrschenden mehr Kopfschmerzen, als das Stilisieren des Campings zu einer weltverändernden Kampfform. Wir RevolutionärInnen müssen uns die besten Erfahrungen unserer Klasse zu eigen machen, sie kritisch aktualisieren und die besten Traditionen daraus wieder anzuwenden lernen.

Die GenossInnen unserer Schwesterorganisation Clase contra Clase (CcC) sowie die GenossInnen der Gruppierung NO PASARAN (NP), die aus einem revolutionären Flügel der 15M-Bewegung entstanden ist, haben, soweit es ihnen möglich war, die Kämpfe der BergarbeiterInnen begleitet und gemeinsam mit ihnen in verschiedenen Städten wie Madrid, Saragossa und Barcelona Solidaritätsaktionen durchgeführt.

Als marxistische RevolutionärInnen in Deutschland halten wir es für unsere elementare Pflicht, Solidarität mit den Kämpfen im Spanischen Staat zu organisieren. Dazu gehören nicht nur Kundgebungen und Veranstaltungen im „Herzen der Bestie“, sondern auch finanzielle und materielle Unterstützung für die revolutionäre Bewegung dort. Die GenossInnen von CcC und NP treten für ein alternatives Programm zur Gewerkschaftsbürokratie und zur reformistischen und zentristischen Linken ein, um die Zurückeroberung der Gewerkschaften aus den Klauen der Gewerkschaftsbürokratie voranzutreiben: ein Programm der Klassenunabhängigkeit, um die Weichen für die Schaffung einer revolutionären Partei der ArbeiterInnen und der Jugend zu stellen.

Wir müssen Solidarität mit den Kämpfen der Lohnabhängigen überall dort üben, wo sie den Kampf gegen ihre und unsere Bourgeoisie aufnehmen, wie heute in Griechenland oder im Spanischen Staat, wo Sektoren der Massen sich den von unserer imperialistischen herrschenden Klasse gemeinsam mit den griechischen und spanischen Bourgeoisien initiierten Angriffen widersetzen. Denn wenn es auch Konflikte zwischen den Bourgeoisien dieser länder gibt, wollen sie alle die Krise auf die ArbeiterInnenklasse abwälzen. Daher ist der Widerstand der spanischen und griechischen ArbeiterInnen und Jugend nicht zu trennen von unserem Widerstand gegen unsere eigene Bourgeoisie in Deutschland.

Wir müssen die rassistische und chauvinistische Hetze gegen die so genannten „Südländer“ bekämpfen; wir müssen den Diskurs über den sozialen Frieden, wie von der Gewerkschaftsbürokratie propagiert wird, als Augenwischerei entlarven; wir müssen die natürlichen Organe der ArbeiterInnenklasse, die Gewerkschaften, in Kampforgane unserer Klasse verwandeln, die die Interessen dieser internationalen Klasse über alle Landesgrenzen hinweg verteidigt. Wir müssen all diejenigen politisch bekämpfen, die sich der Sozialdemokratie nach wie vor anbiedern, denn dadurch verhindern sie die Entstehung und Entwicklung von revolutionären Tendenzen in der ArbeiterInnenbewegung.

Denn es gilt nach wie vor: Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

 

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