Von Wladek Flakin
Der Höhenflug von SYRIZA hat eine breite Debatte in der revolutionären Linken ausgelöst. Viele Kräfte, die sich auf den Trotzkismus berufen, unterstützten Tsipras und Co. mehr oder weniger unkritisch. Aber auch unter den Kräften, die SYRIZA richtigerweise als eine reformistische Partei kritisieren und den Aufbau einer revolutionären Alternative fordern, gibt es den Vorschlag, die letztere aus der ersteren zu schaffen. So schrieb die „Liga für die Fünfte Internationale“ (LFI, internationale Strömung der Gruppe Arbeitermacht) in einer Stellungnahme: „RevolutionärInnen müssen dafür kämpfen, Syriza zu einer Partei des Kampfes, einer Partei der Aktion zu machen, mit einem Wort: zu einer revolutionären Partei.“ Nach dem guten Wahlergebnis stünde diese eurokommunistische Partei „vor der Herausforderung, […] die ”šRegierung der nationalen Rettung‘ [zu] verjagen und eine Arbeiterregierung [zu] errichten“[1].
Aber dummerweise erklären alle SprecherInnnen von SYRIZA bei jeder Gelegenheit, dass sie den Euro und die Europäische Union retten wollen – sie sehen ihre Herausforderung darin, das kapitalistische System aufrecht zu erhalten und nicht zu stürzen. Vor diesem Hintergrund haben sie in der Vergangenheit hin und wieder zu Aktionen aufgerufen – aber immer mit der Perspektive, die Aktionen der Massen zurückzuhalten. Denn eine reformistische Partei, die auch Aktionen macht, ist eben keine revolutionäre Partei – nicht „mit einem Wort“ und auch sonst nicht.
Die LFI schlägt RevolutionärInnen in Griechenland vor, in SYRIZA einzutreten und dafür zu kämpfen, „Syriza vom Einfluss des Reformismus zu befreien und ein revolutionäres Programm durchzusetzen.“[2] „So könnte Syriza noch stärker zu einer Führung im Kampf für die Macht der Arbeiterklasse werden.“[3]
SYRIZA ist aber nicht eine undefinierte Partei, die mehr oder weniger unter dem Einfluss des Reformismus steht, und noch weniger ist sie eine mehr oder weniger starke Führung im Kampf für die Macht der ArbeiterInnen. Sie ist im Wesentlichen ein Wahlverein ohne starke organische Bindungen zur ArbeiterInnenklasse in Griechenland.
Die LFI ruft trotzdem dazu auf, Entrismus in SYRIZA zu machen. Entrismus ist jedoch richtig verstanden die Taktik, dass eine revolutionäre Gruppe in eine reformistische Massenpartei eintritt, um Teile der Basis von der Partei zu brechen[4]. Doch die LFI verbindet ihre Taktik, im Gegensatz zur Entrismus-Taktik Trotzkis, mit der Illusion, dass man dadurch eine reformistische Partei in eine revolutionäre verwandelt werden könnte. Davon gibt es keinerlei historische Beispiele: selbst in Fällen, in denen eine klare Mehrheit in einer linksreformistischen Partei für eine revolutionäre Perspektive gewonnen wurde, etwa bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) im Jahr 1920 oder bei der Section Française de L’Internationale Ouvrière (SFIO) im gleichen Jahr, mussten die Mehrheit mit den Parteispitzen und ihren Apparaten brechen, um jeweils kommunistische Parteien zu gründen.
Trotzki kritisierte die stalinistische Führung der Komintern dafür, dass sie die chinesische Nationalpartei KMT in eine revolutionäre Partei verwandeln wollten. „Wenn man die Kuomintang nicht als bürgerliche Partei, sondern als neutrale Arena für den Kampf um die Massen betrachtet, wenn man mit den neun Zehnteln der linken Basis auftrumpft, um die Frage, wer der Herr im Hause ist, zu verschleiern, so bedeutet das, daß man die Stärke und die Macht der Spitze festigt“. Die StalinistInnen haben „sich vorgemacht, daß durch einfache Neuwahlen auf den Parteitagen der Kuomintang die Macht aus den Händen der Bourgeoisie in die Hände des Proletariats übergehen werde. Kann man sich eine rührendere, idealistischere Anbetung der ”šParteidemokratie‘ […] vorstellen?“[5]
Genau diese idealistische Vorstellung, die Trotzki kritisierte, wurde von verschiedenen Teilen der trotzkistischen Bewegung nach dem Zweiten Weltkrieg übernommen. TrotzkistInnen wie Michael Pablo oder Ted Grant argumentierten, dass sozialdemokratische oder stalinistische Parteien durch eine längerfristige und halb versteckte Beeinflussung durch TrotzkistInnen in Instrumente der proletarischen Revolution verwandelt werden könnten. So rechtfertigten sie ihre teilweise jahrzehntelange Anpassung an reformistische Parteien.
Sonst bemühen sich die GenossInnen der LFI, sich von dieser zentristischen Tradition zu distanzieren, doch im Falle von SYRIZA vertreten sie eine klar zentristische Vorstellung. Obwohl sie beispielsweise bei einer Veranstaltung in Berlin verneinten, dass SYRIZA zu einer revolutionären Partei gemacht werden könnte, rufen sie in ihren Publikationen immer wieder unzweideutig dazu auf. Diese Art des Hin- und Her-Schwankens ist typisch für eine zentristische Perspektive.
Leider schlagen sie illusorischen Projekte dieser Art nicht nur bei SYRIZA, sondern auch auf internationaler Ebene vor: Um das Ziel einer revolutionären Internationale der ArbeiterInnen und Jugend zu erreichen, schlagen sie vor, irgendeine Internationale mit irgendwem – etwa mit dem venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez und seiner bürgerlich-nationalistischen Partei PSUV – gründen und diese für eine revolutionäre Perspektive zu gewinnen. Mit dieser Perspektive haben wir schon mehrmals öffentlich debattiert und vor diesem Hintergrund laden wir die GenossInnen zur Debatte über ihre Politik zu SYRIZA ein.
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