Von Mark Turm
Im Zuge der Auswirkungen der Absatzkrise in der Autoindustrie und Nutzfahrzeugproduktion in Europa schreitet FIAT Industrial bei ihrer LKW-Tochter Iveco mit ihren Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen voran, in deren Zuge europaweit fünf Werke geschlossen werden sollen – und das trotz des im ersten Quartal 2012 verzeichneten Gewinnsprungs um mehr als 90 Prozent auf 207 Millionen Euro gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres. Dabei werden nach dem Wunsch des Konzerns mehr als Tausend Beschäftigte ihre Jobs verlieren, 670 von 1100 Arbeitsplätzen gehen dabei in der Montage verloren.
In Deutschland sind drei Produktionsstätten betroffen: Ulm, Weisweil und Görlitz. Außerdem sollen die Produktionsstätten im französischen Chambery sowie im österreichischen Graz geschlossen werden. Bereits zuvor waren die Bus-Produktionsstätten im Avellino (Italien) und in Barcelona (Spanien) geschlossen. Die Feuerwehrwagen-Tochter Camiva, in der Renault Group, kündigte bereits im Mai die Schließung einer Fabrik in Saint-Alban-en-Leysse in Savoyen an.
Angesichts dieser Entwicklung „forderten“ Iveco-Betriebsrat und IG Metall ein „Zukunftskonzept“, einen „sozial verantwortungsbewussten Umgang mit dieser Umstrukturierung“, um zumindest in Ulm „das 100-jährige Bestehen der Lkw-Produktion am Standort Ulm feiern“ [1] zu können. Dass die Produktion „ohne Störungen durch die Belegschaft weiterläuft“[2] , dafür würden sie schon sorgen, denn „[s]ie wollen weiterarbeiten, in welcher Form auch immer, am liebsten auf ihren heutigen Arbeitsplätzen.“[3]
Die Auswirkungen des sozialpartnerschaftlichen Kurses der Gewerkschaftsbürokratie sind Lehre und Warnung für all diejenigen KollegInnen, die nach wie vor einen Job haben: Mit sozialpartnerschaftlichen Methoden lässt sich lediglich die Misere verwalten, die Arbeitslosigkeit mitgestalten: In Ulm wurde der ursprünglich geplante Abbau von 670 Beschäftigten auf 500 gesenkt. Um den KollegInnen das endgültige Aus der LKW-Produktion in Ulm zu versüßen, wurden sie mit der Verlagerung von Aufgaben von anderen Standorten nach Ulm „entschädigt“. Nun soll in Ulm ein sogenannter „Exzellenzstandort“ für Feuerwehrfahrzeuge entstehen.
Der Standort Weisweiler sollte Ende des Jahres geschlossen werden, die Entlassung der rund 180 bei Iveco Beschäftigten sollte nach der Vorstellung von Betriebsrat und IG Metall mit einer vom Unternehmen finanzierten Beschäftigungsgesellschaft verbunden werden, die den KollegInnen eine drei Jahre lange Brücke in die Arbeitslosigkeit garantiert.
Jedoch wollte Iveco die Schließung schneller voranbringen und billiger gestalten. Deshalb engagierte die Geschäftsleitung ein Räumkommando, um das Werk dort zu leeren. LKWs waren unterwegs, um Maschinen und Geräte abtransportieren zu lassen. Durch das Fortschaffen der Produktionsmittel versuchte die Geschäftsleitung Tatsachen zu schaffen, um die Belegschaft zu demoralisieren und die Schließung billiger zu gestalten. Als die KollegInnen dies erfuhren, fürchteten sie, dass mit jedem Laster Material die Möglichkeit Druck auszuüben sank, und damit ihre Chancen auf eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Unternehmen kleiner würden.
Die Reaktion war spontan und eindrucksvoll. Ìber eine Telefonkette mobilisierten sich die Beschäftigten, die alle Zufahrten zum Werk blockierten. Die Bevölkerung des kleinen Städtchen unterstützte die Maßnahme, danach eilten zu den Werkstoren der Bürgermeister und einige VertreterInnen der IG Metall. Die Blockade-Maßnahme wurde über das ganze Wochenende durchgehalten, da die KollegInnen fürchten, jederzeit würde das Räumkommando wieder auftauchen. Die Antwort erschreckte Geschäftsleitung, Betriebsrat und Gewerkschaftsfunktionäre, von denen mehrere im Aufsichtsrat von Iveco sitzen, gleichermaßen. Rasch wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen, und ein Kompromiss gefunden, nicht mal der „Schlichterspruch“ des früheren Geschäftsführers des „Arbeitgeber“verbandes Südwestmetall war nötig, denn „[b]eide Streitparteien seien aufeinander zugegangen, um eine Einigung zu erzielen.“[4]
Welche Lehren sind zu ziehen?
Es ist offensichtlich, dass am Ende des sozialpartnerschaftlichen Kurses stets Arbeitsverschlechterungen, ALG I und Hartz IV, Elend und Armut stehen. Eine Alternative für die Beschäftigten und ihre Familien gibt es nicht im Rahmen der von den GewerkschaftsbürokratInnen und UnternehmerInnen hochgepriesenen Sozialpartnerschaft. Einen Ausweg aus dem Teufelskreis aus Verhandlungen und Verzicht gibt es nur, wenn die Beschäftigten für ihre Rechte und Arbeitsplätze kämpfen, sich selbst organisieren, ihre Organisationen von KarrieristInnen und den UnternehmerInnen dienstbaren FunktionärInnen bereinigen. Es ist schlicht falsch zu glauben, Entlassungen seien unumgänglich und Abfindungen, unabhängig von ihrer Höhe, das Beste, was man rausholen kann, ohne bis zum Ende gekämpft zu haben.
Die Politik der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokratie führt auf geradem Wege zur Arbeitsplatzvernichtung, mit denen die KapitalistInnen einen Weg aus der Krise finden, zu Lasten der ArbeiterInnen.
Deshalb müssen wir für eine Alternative des Kampfes eintreten, der nicht möglich ist, ohne den politischen Kampf gegen die verräterische Gewerkschaftsbürokratie aufzunehmen, einen Kampfplan zur Verteidigung der Arbeitsplätze aufstellen, damit die Krise der KapitalistInnen von sie selbst getragen wird.
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