„Die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen [sind] entweder unmöglich oder reaktionär.“ – W.I. Lenin, 1915
Die Europa-Wahlen am 25. Mai könnten alle Rekorde brechen: Noch nie war das Desinteresse so groß. Laut einer Umfrage zeigten 72 Prozent der Deutschen nur geringes oder gar kein Interesse an diesem Urnengang. [1]
Das liegt auch nicht nur daran, dass die Phrasen auf den diesjährigen Wahlplakaten besonders inhaltsleer sind. Das zu wählende Parlament ist nur eine demokratische Fassade für die EU-Bürokratie, die von den europäischen Großmächten geleitet wird. Dieses Parlament entscheidet nichts.
Der Charakter der Europäischen Union wird deutlich, wenn man sich die Situation in Griechenland oder Portugal anschaut: Die EU setzt eine massive Senkung der Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung durch, um die Profite deutscher und französischer Banken zu sichern. Das deutsche Kapital will sie nutzen, um seine Hegemonie über ganz Europa durchzusetzen – auch wenn dies nicht ohne Reibungen und Konfrontationen mit den anderen europäischen Imperialismen vonstatten gehen wird, allen voran Frankreich.
Nicht nur an der europäischen Peripherie, sondern auch beim diplomatischen Gerangel um die Ukraine oder bei Militäreinsätzen in Zentralafrika wird deutlich, wie die EU die Interessen europäischer Konzerne durchsetzt. Die Repression gegen Geflüchtete – die vor den Folgen imperialistischer Herrschaft aus ihren ländern fliehen müssen – wird durch die EU koordiniert.
Dennoch hat die Linkspartei auf ihrem Parteitag im Februar in Hamburg diesen Bund kapitalistischer Staaten anerkannt – man möchte ihn lediglich etwas „sozialer“ machen. Dazu passt, dass im April erstmalig Bundestagsabgeordnete der Linkspartei offen für einen Auslandseinsatz des deutschen Militärs gestimmt haben , während noch weitere Mitglieder der Linksfraktion den Einsatz mit Enthaltung unterstützten, und einige andere nicht anwesend waren, sich also diesem politischen Kampf verweigerten. Obwohl das klar gegen das Parteiprogramm und das Europawahlprogramm verstößt, protestiert bisher nur eine kleine Minderheit in der Linkspartei dagegen und fordert den Ausschluss der KriegstreiberInnen aus der Partei. [2] Selbst trotzkistische Strömungen wie Marx21 oder die SAV äußern sich bisher verhalten und relativierend über diesen Dammbruch.
Die Linkspartei zeigt sich immer offener als eine Stütze des Systems, die jederzeit bereit wäre, die Geschäfte des deutschen Imperialismus mitzuführen. Die Unterstützung für den Kriegseinsatz – die parlamentarisch gesehen auch vollkommen überflüssig war – ist eine symbolische Geste, die zeigt, dass man jedes soziale oder pazifistische Versprechen über Bord zu werfen bereit ist, wenn man dafür nur an die Regierung kommt. Deswegen ist die Akzeptanz der EU für sie selbstverständlich. Die Linkspartei-Bürokratie erkennt im Aufstieg des deutschen Imperialismus ihr eigenes materielles Interesse als vermittelnde Instanz zwischen dem deutschen Kapital und Teilen der ArbeiterInnenklasse.
Dabei ist die tatsächliche Vereinigung Europas eine dringende Aufgabe. Die Produktivkräfte der Menschheit sind längst über die engen Grenzen der Nationalstaaten hinaus gewachsen – nicht nur durch ganz Europa, sondern um den Globus herum erstrecken sich die Produktionsprozesse. Dieser Widerspruch zwischen international organisierter Produktion und national getrennten Gruppen von KapitalistInnen, die auf eigene Staaten angewiesen sind, bedroht die Menschheit immer wieder mit neuen Krisen und Kriegen. Nur die ArbeiterInnenklasse, deren Interessen nicht an Nationalstaaten gebunden sind, kann diese Grenzen überwinden.
Zur Zeit profitieren rechte und rechtsextreme Kräfte von der Krise in Europa. Mit rassistischen Losungen und Rufen nach mehr „Souveränität“ bemühen sie sich, die Reihen der ArbeiterInnen noch weiter zu zersplittern und somit die Krise zu vertiefen. Die ArbeiterInnenbewegung muss eine eigene lösung der Krise aufzeigen, die sich auf die freiwillige Vereinigung Europas auf sozialistischer Grundlage orientiert. Obwohl Deutschland aktuell noch von der stärkeren Unterwerfung der europäischen Peripherie profitiert, werden auch ArbeiterInnen in Deutschland eher früher als später für die Kosten der Krise aufkommen müssen. Denn auch wenn die deutsche Regierung heute noch von der sozialen Ruhe im Land profitiert, um sich auf ihre expansive Außenpolitik zu konzentrieren, bereitet sie jetzt schon Angriffe im eigenen Land vor. Der aktuelle Angriff auf das Streikrecht ist ein Vorbote davon. Deswegen brauchen wir jetzt eine Politik der aktiven Solidarität mit den Kämpfen unserer Klassengeschwister in anderen ländern, um den Kurs des deutschen Imperialismus zurückzuschlagen.
Vor diesem Hintergrund sollten die ArbeiterInnen und Jugendlichen keiner Partei eine Stimme geben, die zur Europawahl antritt. Auf dem Wahlzettel steht keine ernstzunehmende Option gegen die kapitalistische Krise und gegen den zunehmenden Militarismus. Deswegen sollte man den Wahlzettel ungültig machen, indem man schreibt: Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa! Das ist auch ein Zeichen dafür, dass wir eine Partei brauchen, die für die politische Unabhängigkeit der Arbeiter-Innenklasse von den Bourgeoisien und ihren Institutionen sowie für die internationale Einheit unserer Klasse steht.
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