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Für eine revolutionäre Antwort auf den Zionismus!
von : Friedrich Jäger

18 Sep 2014 | Sieben Wochen lang fand ein Massaker in Gaza statt. Ìber 2.000 Menschen wurden durch israelische Angriffe getötet, 100.000 in die Obdachlosigkeit gebombt. Am 26. August wurde eine erste unbefristete Waffenruhe abgeschlossen. Kurz zuvor steigerte das israelische Militär nochmal seine Angriffe zur Liquidierung der palästinensischen Führung in Gaza. (...)
Für eine revolutionäre Antwort auf den Zionismus!

Versuch einer Debatte mit der Sozialistischen Alternative (SAV)

Sieben Wochen lang fand ein Massaker in Gaza statt. Ìber 2.000 Menschen wurden durch israelische Angriffe getötet, 100.000 in die Obdachlosigkeit gebombt. Am 26. August wurde eine erste unbefristete Waffenruhe abgeschlossen. Kurz zuvor steigerte das israelische Militär nochmal seine Angriffe zur Liquidierung der palästinensischen Führung in Gaza. Die militärische Abriegelung des Gebiets bleibt voraussichtlich trotz Waffenstillstand bestehen. Der Ausgang wie das Massaker selbst sind herbe Niederlagen für das palästinensische Volk, trotz der aus Netanjahus Zustimmung zum Waffenstillstands hervorgehenden neuesten Regierungskrise im israelischen Kabinett und der kleineren Zugeständnisse an Gaza. Die Hamas geht angesichts eines ausgebluteten palästinensischen Volks politisch gestärkt als Führung des Widerstands hervor. Ein weiteres Ergebnis des Massakers ist eine Niederlage der deutschen Linken, die ihre Unfähigkeit und Bereitschaft zur Kapitulation unter Beweis stellt, indem sie zwischen vermittelnder Heuchelei und offener Solidaritätsverweigerung laviert.
Politisch war die jüngste israelische Aggression der Versuch, die Juni-Einheitsregierung aus Fatah und Hamas zu zerschlagen und die radikalen Teile des Widerstands zu schwächen, um eine aggressivere Siedlungspolitik zu ermöglichen. [1]

Die sogenannte Operation „Protective Edge“, eine Kombination aus Bombenterror und Bodenoffensive, militärischen Hinrichtungen, Vernichtung jeglicher Infrastruktur und Angriff auf die Moral, soll das palästinensische Volk spalten und mit Bomben niederwerfen. Sie ist außerdem vor dem Hintergrund der dauerhaften Besatzung der arabischen Gebiete in ganz Palästina zu sehen. Denn die militärische Besatzung mit den ständigen Invasionen und die „zivile“ Siedlungspolitik sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Israels Bauminister Uri Ariel (Siedlerpartei) bezeichnete die Ausschreibung von 1.100 neuen Siedlerhäusern im Westjordanland als „angemessene zionistische Antwort“ auf die Bildung der „palästinensischen Terrorregierung“. [2]

Der Staat Israel und der Kampf der PalästinenserInnen: Versuch einer Debatte mit der SAV

Das Tatsache der permanenten Unterdrückung Palästinas, Ausdruck der zionistischen Politik Israels, wird von großen Teilen der deutschen Linken nicht anerkannt. Anders als in Großbritannien oder Frankreich, verlief die Solidaritätsbewegung in Deutschland sehr lau und wird zuweilen von einer falschen Antisemitismusdebatte überdeckt. Die moralische oder politische Gleichsetzung der israelischen Armee mit der Hamas, des Unterdrückers mit den Unterdrückten, ist ein verbreitetes Muster, das den palästinensischen Widerstand delegitimiert und die Solidarität lähmt. Bis in den trotzkistischen Zentrismus hinein, prominentestes Beispiel ist das CWI (Committee for a Workers’ International, internationale Strömung der SAV), finden wir irreführende Gedankenspiele von der „Zwei-Staaten-lösung“ und anpasslerisches Umschiffen einer Kritik des Zionismus als Ideologie und Staatsräson der Besatzung. Eine anti-imperialistische Position in Deutschland muss indes klar die weltweiten Unterdrückungsstrukturen offenlegen, um eine unversöhnliche Politik im eigenen Land betreiben zu können. Deshalb kommen wir um eine Abrechnung mit relativierenden und verdeckt pro-zionistischen Positionen nicht umhin.

Das Recht der PalästinenserInnen auf nationale Selbstbestimmung und ihren eigenen Staat ist mit dem Imperialismus und dem Staat Israel nicht zu machen. Gerade die vermittelnde Position der „Zwei-Staaten-lösung“ ist deshalb so gefährlich, weil sie unterstellt, dass auf friedlichem Wege die Unterdrücker aufhören könnten zu unterdrücken. Ihre Praxis ist der Oslo-„Friedensprozess“, der bisher nichts als eine Vertiefung der Besatzung gebracht hat. Das CWI vertritt diese These der „Zwei Staaten“, verbunden mit der Behauptung, der Kampf für den Sozialismus in Israel und Palästina, ja sogar zwei separate sozialistische Staaten seien möglich, ohne auf dem Weg dorthin den zionistischen Staat zu zerschlagen. [3]

Die Betrachtung Israels als „einfaches“ kapitalistisches Land, ohne auf den Zionismus einzugehen, ist irreführend, die Gleichsetzung beider Seiten nicht hinnehmbar.

Gaza ist das Gefängnis des Volkes Palästinas. Dass die Gefangenschaft von Zeit zu Zeit – wie jetzt möglicherweise mit den Waffenstillstandsverhandlungen – Freigänge erlaubt, ändert nichts an seinem Charakter als Institution der Apartheid.http: [4]

Wenn wir das zionistische Regime des Staates Israel mit der Apartheid vergleichen, dann in erster Linie, weil PalästinenserInnen in versprengten, von Mauern und Checkpoints durchzogenen, zur See blockierten, vom Militär kontrollierten und wirtschaftlich völlig abhängigen, zerbombten Gebieten zu leben gezwungen werden. Jederzeit können die einfachsten Freiheiten des palästinensischen Volkes gewaltsam zurückgenommen werden. [5]

Diese Bestimmung des zionistischen Staates wird sich mit einer „Zwei-Staaten-lösung“ nicht ändern, denn wir können bei unseren Urteilen nicht von liberalen Luftschlössern ausgehen, mit ihren völkerrechtlichen Teilungsplänen, von der imperialistischen Schutzmacht USA erwirkten Verträgen, zahnlosen Selbstverwaltungen und ungleichen Koexistenzen. Wir müssen von den realen Interessen und Kräfteverhältnissen ausgehen, die Gaza und das Westjordanland zu einer Kolonie Israels machen. Sie würden die fortgesetzte nationale Unterdrückung einer Kolonie Palästina sowie des arabischen Teils der israelischen Bevölkerung bedeuten, wenn es zu einer Staatsgründung Palästina „neben“, das heißt in Wirklichkeit irgendwo in, Israel käme. Was das CWI vorschlägt, ist der Sozialismus in einem Gefängnis. Die territoriale Integrität eines Staats Palästinas ist nicht ohne die Zerschlagung des Staates Israels zu machen. Und ein sozialistisches Palästina/Israel kann nicht erlangt werden, wenn das tägliche Klassenunrecht des zionistischen Staates wie vom CWI als naturgegeben akzeptiert wird.

Das CWI versucht den auf die Einsperrung und permanente polizeiliche und militärische Unterdrückung abzielenden Vergleich zur Apartheid Südafrikas soziologisch auszuhebeln, indem die Bevölkerungsverhältnisse genannt werden: In Südafrika wurden 90 Prozent der Bevölkerung mit einem kodifizierten Rassismus unterdrückt. Die Frage liegt nahe: Warum leben relativ wenige AraberInnen in Palästina und Israel? Weil das zionistische Projekt nur durch eine Welle von Kriegen zu etablieren war, sodass etwa die Hälfte der 9,4 Mio. PalästinenserInnen nicht in Palästina oder Israel leben, sondern auf die Region verstreut; 3,7 Mio. von ihnen sind anerkannte Geflüchtete. Das CWI hingegen bezeichnet es im selben Artikel als „Ìbergangsforderung“, der israelischen ArbeiterInnenklasse, die sich aus Angst „ins Meer getrieben zu werden“ verteidige, zu sagen: „You decide what the borders of a future state will be under a socialist confederation“ und bestärkt, angesichts der Unterdrückungsverhältnisse in diesen Grenzen, offen den Chauvinismus. [6] Diese Haltung ist eine Anpassung an das Durchschnittsbewusstsein der ArbeiterInnenaristokratie Israels.

Teil dieser höchst problematischen Positionierung ist auch die Ignoranz gegenüber der nationalen Frage und des politischen Kampfes gegen Unterdrückung, die hier de facto nicht als notwendige Momente im Sinne der Theorie der Permanenten Revolution anerkannt werden. Wer sagt, Israel ist ein kapitalistischer Staat wie jeder andere auf dieser Welt, nivelliert das konkrete Regime dieses Staates durch sein Abstraktum. Ebenso ließe sich sagen: Das Südafrika der Apartheid war ein kapitalistischer Staat; das wäre äußerlich keine falsche Aussage, aber in ihrer Banalität irreführend. Der Besondere am zionistischen Staat ist, dass er die Ausweitung seiner Grenzen auf Kosten Palästinas und der Destabilisierung in der arabischen Region unternimmt und als imperialistischer Brückenkopf fungiert. Das macht es unmöglich, mit einem zionistischen Israel den revolutionären Massenkampf für die Beseitigung der kapitalistischen Ordnung und für die Verwirklichung des Sozialismus zu führen. Dazu wäre die Losung eines sozialistischen, einigen, laizistischen und multiethnischen Palästinas nötig. Der Kampf gegen die Bourgeoisie im Nahen Osten ist eng verbunden mit dem Kampf gegen die Unterdrückung.

Das CWI schreibt, der Widerstand müsse „durch Massenaktionen und mit einem Appell an die israelische Arbeiterklasse – unter Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts für die israelisch-jüdische Bevölkerung (sic!) – für eine gemeinsame und demokratische lösung geführt werden.“ [7]

Die Methoden der Hamas sind zweifellos abzulehnen und müssen von Massenaktionen abgelöst werden, wie es das CWI feststellt. [8]

Es ist auch richtig, dass es im Nahen Osten keine sozialistische Perspektive ohne die Teilnahme der israelischen ArbeiterInnenklasse geben kann. Daraus aber zu folgern, dass sich RevolutionärInnen mit dem zionistischen Staat zunächst anfreunden müssen, um die israelischen ArbeiterInnen gegen die Regierung zu mobilisieren, ist grundfalsch. Die Forderung nach Anerkennung des „Selbstbestimmungsrechts“ Israels bedeutet, die Anerkennung des Existenzrechts eines zionistischen Staates als Bedingung für jegliche revolutionäre Politik zu erklären.

Diese Position wird aktuell in einer Polemik Sascha Stanicic‘ gegen die IST (International Socialist Tendency) und das ihr nahestehende Netzwerk marx21 wiederholt. [9] Darin erleben wir erneut die völlige Verdrehung der nationalen Frage: Für Stanicic gilt das Selbstbestimmungsrecht primär für die unterdrückende Nation. Das palästinensische Volk habe das Recht seiner UnterdrückerInnen auf „Selbstbestimmung“ anzuerkennen. Dass diese „Selbstbestimmung“ auf nichts anderem als der militärischen Besatzung und Unterdrückung eines Volkes beruht, scheint dem Komitee nichts zu bedeuten. Israel, immerhin eine Atommacht mit einer der am höchsten gerüsteten Armeen der Welt, wird im selben Artikel analog zur prä-bürgerlichen Kolonie der frühesten USA verhandelt. Was bedeutet das „Selbstbestimmungsrecht“ für das CWI überhaupt und was unterscheidet sein Urteil von jenem liberal-völkerrechtlicher FlankenspielerInnen des Imperialismus?
Lenin formuliert das Recht der Selbstbestimmung der Nationen als anti-imperialistische demokratische Notwendigkeit – Stanicic formuliert es als formalistischen Apologismus für Unterdrückung. Ersterer benennt ausdrücklich die Notwendigkeiten, „auf die historische Bedingtheit und den Klassencharakter aller Forderungen der politischen Demokratie (sowie) auf die Notwendigkeit, die konkreten Aufgaben der Sozialdemokratie der unterdrückenden Nationen von denen der Sozialdemokratie der unterdrückten zu unterscheiden“ einzugehen. [10]

Diese sophistische Umkehrung der Wirklichkeit in der nationalen Frage hat Konzept. Denn das CWI fordert „ein faires Gerichtsverfahren (…) sowohl angeklagte Israelis als auch PalästinenserInnen, die im Verdacht stehen, für Gräueltaten im Rahmen des Konfliktes verantwortlich zu sein. Sie müssen vor spezielle öffentliche Gerichte gestellt werden, die der Aufsicht von VertreterInnen der abhängig Beschäftigten und der Gemeinden beider Seiten der Konfliktlinie unterliegen müssen.“ [11]

Hier sollen die Unterdrückten mit den UnterdrückerInnen gemeinsam vor ein Gericht kommen, das über die jeweilige Legitimität der Gewalt urteilen möge. Wessen Moral soll hier genüge getan werden? Diese Forderung bedeutet, die Gewalt schlechthin ist das Ìbel, nicht etwa das Unterdrückungsverhältnis, aus dem die Gewalt resultiert.
Auch in der Frage der Gewalt dürfen wir aber Unterdrückte und Unterdrückende nicht gleichsetzen. Ein militärischer Angriff durch Israel braucht eine militärische Niederlage. In Israel muss für die Niederlage der eigenen Armee eingetreten werden, auch durch die dortige Sektion des CWI. Denn dass Israel militärische Siege einkassiert und die arabische Bevölkerung damit erfolgreich unterdrückt, erhält auch den nationalistischen Druck auf die israelischen ArbeiterInner aufrecht. Solange Israel es schafft, seine militärischen Angriffe als notwendige Schutzmaßnahmen gegen einen vermeintlichen Aggressor zu verkaufen und die Fiktion der beinahe natürlichen Feindschaft zwischen JüdInnen und Moslems unter der jüdischen Bevölkerung aufrecht zu halten, wird es auch keinen breiten Widerstand unter der israelischen ArbeiterInnenklasse geben. Die Kriege und die Besatzung finanzieren außerdem die israelische ArbeiterInnenaristokratie. An deren Bewusstsein passt sich die SAV wiederum an, wenn sie schreibt, dass eine „Ein-Staaten-lösung erstens im Rahmen des Kapitalismus nicht durchsetzbar ist und zweitens keine ausreichende Unterstützung in der israelisch-jüdischen Bevölkerung finden kann und daher kein Hebel ist, um die nationale Spaltung zu überwinden.“ [12]

Doch wie sollen arabische Jugendliche und ArbeiterInnen jüdisch-israelischen ArbeiterInnen vertrauen, die gegen den eigenen Staat nichts unternehmen, doch den AraberInnen Heldentaten gegen die eigene Führung zumuten?
In Palästina haben die Niederlagen der Besatzung nichts als Zerstörung und Verzweiflung hinterlassen. Die Hamas, die sich darin als „unversöhnliche“ Führung des Widerstands gerieren kann, vertritt eine reaktionäre kleinbürgerlich-klerikale Ideologie. Wir müssen nicht ihre Gründungscharta bemühen, um zu wissen: Mit der Hamas-Bürokratie wird keine Befreiung zu machen sein. Die politische Unabhängigkeit in Palästina muss deshalb gewahrt bleiben, auch jetzt dürfen sich fortschrittliche Kräfte nicht mit einer Kritik gegen die Hamas zurückhalten denn militärische Unterstützung ist aus unserer Sicht nicht gleich politische Unterstützung. [13]

Die Massen können allerdings nur gewonnen und ihre Abrechnung gegenüber dieser Führung verwirklicht werden, wenn das reale und legitime Bedürfnis des palästinensischen Volkes nach Widerstand anerkannt wird. Der Ultimatismus seitens der deutschen Linken dagegen wird sie weiter an die Hamas schweißen.

Der Zionismus als Staatslehre der Besatzung

Wer marxistisch von der Besatzung und dem Krieg gegen Palästina spricht, muss auch vom Zionismus sprechen. Der Zionismus ist eine rassistische, kolonialistische und militaristische Ideologie; der zionistische Staat ist ein besonderer kapitalistischer Staat, der durch sein Bestehen die Besatzung Palästinas, die ständige Militarisierung und die Apartheid im israelischen Kernstaat erfordert.
Der historische Zionismus Herzls wurde von Abraham Léon [14] bereits dahingehend kritisiert, dass er die widersprüchliche Losung ausgibt, den Antisemitismus mit einer verspäteten kolonisatorischen Staatsgründung zu beantworten, ohne dessen Ursachen im Kapitalismus zu bekämpfen. Der frühe Zionismus ist die Behauptung, in der vollständig aufgeteilten Welt einen neuen Staat anlegen zu können, der der von Pogromen und Völkermorden bedrohten jüdischen Diaspora-Bevölkerung Sicherheit bietet – in einer Welt voller Kriege und Krisen. Diesem Versuch werden durch die im Nahen Osten neu erzeugten Widersprüche die Wege versperrt. Wie auch der moderne Antisemitismus, ist der Zionismus ein Produkt des Imperialismus als sterbendes Stadium des Kapitalismus.

Wir stimmen mit dem CWI darin überein, dass die Gründung Israels ein kolonialistisches Projekt war, ermöglicht durch Vertreibung und Besatzung. [15]

Die historischen Positionen Trotzkis gegen dieses Projekt einbeziehend, wendet das CWI für die aktuelle Situation allerdings entschuldigend ein, es bestehe nun ein „israelisches Nationalbewusstsein“, denn die Juden und Jüdinnen sind in Israel längst ansässig geworden. Diese offensichtliche Tatsache zu bestreiten, fällt uns nicht ein. Doch unsere Perspektive ist ein sozialistisches, einiges, multiethnisches und laizistisches Palästina, in dem es keine ethnische Unterdrückung gibt, nicht der zionistische Staat als angebliche Trutzburg jüdischer Interessen, vor dem das CWI kapituliert.

Seit Trotzki und Abraham Léon hat sich viel verändert. Der zionistische Staat in Palästina ist anders als von Léon erwartet Wirklichkeit geworden und hat sich vor allem mit Hilfe des US-Imperialismus zur hochgerüsteten Regionalmacht erhoben. Die Ideologie des Zionismus ist heute bloß noch ein Apologismus für die Aufrechterhaltung rassistischer Spaltung und militärischer Besatzung. Sie wirkt als Alltagsrassismus in der Arbeit, Bildung, Partnerschaft, geht aber darüber hinaus, denn wirtschaftliche und ethnische Unterdrückung gehen Hand in Hand. Als Beispiel seien die Siedlungspolitik, die israelische Kontrolle über das Wasser, der Bau der Mauern, die auch den Arbeitszugang verhindern, oder die Vertreibung palästinensischer BäuerInnen von ihren Äckern und Hainen genannt. Das palästinensische Volk ist (zumindest in seiner Mehrheit) auch Teil des israelisch-palästinensischen Proletariats. Die lohnabhängigen PalästinenserInnen werden durch Israelis systematisch verdrängt, durch Ausgangssperren und Arbeitserlaubnis-Politik. Dass nicht-jüdische arabische Israelis bis auf wenige Ausnahmen vom Kriegsdienst ausgenommen sind, dient nicht nur der ethnischen „Sauberkeit“ der Armee, sondern degradiert die Ausgeschlossenen im militaristischen Grundverständnis Israels auch zu BürgerInnen zweiter Klasse. Wer eine revolutionäre Politik machen will, muss auf diese Widersprüche progressive Antworten geben, auch wenn sie nicht dem Durchschnittsbewusstsein des jüdisch-israelischen Proletariats entsprechen.

Die Besatzung wird auch durch den Zionismus als nationalistische Impfung gegen die vom CWI beschworene Klassensolidarität aufrechterhalten. Die verschiedenen israelischen Regierungen haben in den letzten Jahren neoliberale Einschnitte durchgeführt, die eine massive Verelendung der Menschen in Israel bedeuteten. Das israelische Volk war im Zuge der „Empörten“-Bewegung zwar bereit, auf der Straße gegen die ökonomischen Folgen zu protestieren, wagt es jedoch nach wie vor nicht, seine Stimme massenhaft gegen die Unterdrückung und das Töten des palästinensischen Volkes zu erheben. Ultraorthodoxe JüdInnen und FaschistInnen ermorden immer wieder PalästinenserInnen, während säkulare und „gemäßigte“ Kräfte Militäreinsätze in Gaza fordern. Israels zionistischer Expansionskurs braucht Siedlungswillige, die das „gelobte Land“ in Anspruch nehmen. Dabei appelliert der Zionismus mitunter an die religiöse Identität, um die inneren Reihen gegenüber dem angeblichen „gemeinsamen“ Feind zusammen zu schweißen. Umringt von vermeintlichen Gegnern, werden von Israel JüdInnen und ZionistInnen fälschlich gleichgesetzt. Dieser Staatslehre muss als Forderung im Innern Israels die völlige rechtliche und faktische Gleichstellung aller Ethnien und Religionen stehen, aber ebenso das mit dem Siedlungsstopp verbundene Rückkehrrecht aller vom zionistischen Staat Vertriebenen.

Revolutionäre Perspektive: Gegen den Imperialismus

Der Pro-Zionismus in Deutschland ist eine Karikatur des israelischen Zionismus, sein Zerrbild in einem imperialistischen Land. Er nimmt die falsche Tarnung an, den Antisemitismus zu bekämpfen. Angebliche deutsche „PhilosemitInnen“ – bürgerliche PolitikerInnen aller Couleur, Pfaffen, BürokratInnen, kleinbürgerlich-radikale Pseudolinke – interessieren sich nicht für das Wohl des jüdischen Volkes; der Zionismus ist ihnen trotzdem genehm, denn er verschleiert nicht nur die israelischen, sondern auch die deutschen Interessen. Er gibt dem Besatzungskrieg und den imperialistischen Kriegen in der Region einen humanistischen, ja einen „geschichtlich notwendigen“ Anstrich.

Unsere Antwort lautet: Die Aufgabe der israelischen ArbeiterInnenklasse ist die Handreichung gegenüber Palästina, um den Zionismus als Unterdrückungsregime gemeinsam zu zerschlagen. Genau darin besteht das revolutionäre Dasein der ArbeiterInnenklasse, dass ihre eigene Befreiung mit der Befreiung der Gesellschaft von allen Lügen und Falschheiten einhergehen muss. Die Befreiung vom Chauvinismus ist nur möglich in einer Frontstellung gegen den zionistischen Staat selbst. Schließlich werden auch die Kämpfe um die Verbesserung der Lebensbedingungen von israelischen JüdInnen, wie sie 2012 ihren letzten größeren Ausdruck fanden, nur ihr Ziel treffen, wenn die dauerhafte Spaltung und Militarisierung durch die Besatzung endet. Die revolutionäre Losung in Israel muss nicht lauten „gemeinsam mit den linken Kräften Palästinas für zwei Staaten“, sondern „die Freiheit Palästinas ist auch unsere Freiheit – und der Zionismus steht ihr im Wege“. Wer behauptet, die israelische ArbeiterInnenklasse sei nicht dazu in der Lage, den eigenen Chauvinismus zu konfrontieren und zu besiegen, begibt sich abseits des Marxismus. Der gemeinsame Kampf gegen die Besatzung in und außerhalb Israels konfrontiert und schlägt auch den Antisemitismus.

Der Staat Israel und die deutsche Staatsräson

Das imperialistische Interesse Deutschlands besteht vor allem in einem fest gebundenen Partner in der Region Naher und Mittlerer Osten. Merkel betonte auch zum Zeitpunkt der Bodenoffensive noch das „Recht Israels auf Selbstverteidigung“, um als Perspektive für den „Frieden“ die Zwei-Staaten-lösung zu preisen. Israel stellt in der Region jedoch nicht das freiheitliche und demokratische Bollwerk dar, das deutsche Pro-ZionistInnen sehen wollen. Israels Funktion in der Region ist es auch nicht, den Juden und Jüdinnen weltweit Schutz zu bieten. Israel ist eine zuverlässige pro-imperialistische Enklave, die die Interessen der USA und weiterer imperialistischer Mächte durchsetzt, darunter Deutschland. Für den Imperialismus ist Israel zugleich der Brückenkopf zu und Interessenbeschützer in einer Region, in der es einst der bürgerlich-arabische Nationalismus wagte, dem Imperialismus seine Verhandlungsbedingungen aufzudrücken. Dies gilt besonders auch angesichts des widerspruchsvollen Niedergangs der weltweiten US-Hegemonie, die sich im Nahen und Mittleren Osten zeigt: nach dem Rückzug aus dem Irak und den Auswirkungen des „Arabischen Frühlings“, dem Bürgerinnenkrieg in Syrien. Anders ausgedrückt, Israel hält den geschwächten USA in der Region den Rücken frei.

Der Lohn, den Israel für seine Dienste bekommt, ist gewaltig. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Imperialismus kann leicht anhand der öffentlichen Transferzahlungen erkannt werden, die vorwiegend aus den USA kommen und sich jährlich auf gut 9 Mrd. Dollar belaufen. Darüber hinaus genießt Israel den Zufluss von privaten Geldtransfers von rund 3 Mrd. Dollar jährlich. Im Jahr 2007 vereinbarten Israel und die USA, dass Jerusalem aus Washington in den folgenden zehn Jahren Militärhilfe in Höhe von 30 Milliarden Dollar erhält. Im Laufe der letzten sieben Jahre flossen von der EU etwa 800 Millionen Euro an finanzieller Unterstützung nach Israel, Deutschland gewährt Israel 30% Rabatt auf Militärgüter. [16]

Selbst hochmoderne U-Boote bekam Israel von Deutschland geschenkt. Ohne imperialistische Finanzspritzen könnte Israel seine horrenden Militärausgaben nicht finanzieren. Zu unseren Forderungen gehört daher das Ende aller Waffenlieferungen und der politischen Unterstützung aus Deutschland gegenüber dem zionistischen Staat. Diese Solidarität muss auch ein internationaler Aufruf an alle ArbeiterInnen gehören, Waffenlieferungen zum Beispiel in Häfen zu blockieren und zu stoppen, wie es 2009 in Griechenland geschehen ist. [17]

Für eine revolutionäre Perspektive

Der zionistische Staat ist die sichere Tür des Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten. Sie muss geschlossen werden, um eine Perspektive für die von BürgerInnenkriegen und US-Bomben geschüttelte Region zu geben. Mit der ständigen sicheren Interventionsoption der USA, die der zionistische Staat garantiert, ist kein Sozialismus in der Region zu machen. Welche katastrophalen Bedingungen diese imperialistischen Interventionen herbeiführen, ist in Syrien und im Irak aktuell wieder zu sehen; der „Islamische Staat“ ist das jüngste Kind des US-Interventionismus. Die große fortschrittliche Losung für die Region, die anti-kapitalistische und anti-imperialistische Prägung haben muss, ist die nach einer Sozialistischen Föderation Naher und Mittlerer Osten. Nicht nur aufgrund seiner geostrategischen Lage, auch aufgrund seiner hohen Entwicklung der Produktivkräfte muss ein sozialistisches Palästina Stützpunkt der Revolution für den Nahen und Mittleren Osten werden. Diese Perspektive kann es nur auf Grundlage einer Ein-Staaten-lösung geben, die anstelle des zionistischen Brückenkopfes ein sozialistisches, einiges, laizistisches und multiethnisches Palästina setzt und die imperialistischen Interessen direkt konfrontiert. Mit der Propagierung einer „Zwei-Staaten-lösung“, die die nationale Unterdrückung unangetastet lässt, wird das Fernziel der sozialistischen Föderation von seinem anti-imperialistischen Gehalt entkernt.

 

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