// Die Räumung des Gewerkschaftshauses in Berlin hat eine breite Debatte losgetreten. //
Am 28. September besetzte die Gruppe Refugee Struggle for Freedom das DGB-Haus in Berlin. Damit wiederholte sich eine Aktion, die vor fast genau einem Jahr bereits in München stattfand. Die Geflüchteten wendeten sich erneut an die Organisationen der ArbeiterInnen, die als einzige perspektivisch die Macht haben, ihre Anerkennung in Deutschland mit einem politischen Generalstreik durchzusetzen. Dahin ist es ein weiter und steiniger Weg, den die Geflüchteten nicht allein zu Ende gehen können – wie die polizeiliche Räumung des Hauses nach einer Woche zeigte. Aber es gibt keinen anderen.
Doro Zinke, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, beanspruchte schon in der ersten Stunde der Gespräche mit den Geflüchteten: „I am the boss.“ In den darauf folgenden Tagen stellte die Bürokratie ihre Ignoranz gegenüber den politischen Forderungen der Geflüchteten zur Schau und verwies fortdauernd auf die angebliche Machtlosigkeit des DGB. Die Gewerkschaften seien der falsche Ort für die Forderungen Geflüchteter, der DGB als Dachorganisation sowieso. Sie mögen das Haus verlassen, man könne für eine Nacht eine Unterkunft organisieren.
Doch die Geflüchteten wollten politische Unterstützung, wie sie auf ihrer Pressekonferenz am zweiten Tag zeigten. Und der Spielraum der Bürokratie war durchaus groß: Die konkreten Forderungen, wie eine Demonstrationen oder ein Gespräch mit VertreterInnen der Mitgliedsgewerkschaften sowie mit den für Asylrecht verantwortlichen PolitikerInnen, hätten die DGB-VerhandlungspartnerInnen leicht erfüllen können. Wenige Wochen darauf hatte eben die gleiche Bürokratie, die PolitikerInnentreffen für unmöglich erklärte und das Haus nicht mit Geflüchteten teilen wollte, einen kleinen CDU-Parteitagmit dem berüchtigten Berliner Innensenator Frank Henkel zu Gast.
Die Kräfteverhältnisse in und vor dem DGB-Haus haben aber nicht ausgereicht, um die Spitze des DGB zu mehr als nur Lippenbekenntnissen zu bewegen. Die politische Verantwortung dafür, dass es schließlich überhaupt kein konkretes Angebot an die Geflüchteten gab, liegt direkt bei der Berliner DGB-Führung. Aber wenn es mehr Solidarität von Linken und vor allem von GewerkschafterInnen gegeben hätte, hätte die Berliner DGB-Spitze nicht so leicht mit dem Selbstverständnis der Solidarität brechen können. Letztlich konnte die Bürokratie ohne ausreichenden öffentlichen Druck wegen des Aufenthalts von 20 Geflüchteten in der „Lounge“ schamlos ihre „Grenze der Belastbarkeit“ (Pressesprecher Dieter Pienkny) erklären – obgleich sich viele einfache Angestellte und selbst einige FunktionärInnen des Hauses sogar vorsichtig solidarisch erklärten.
Eine besser vorbereitete Aktion, aber vor allem ein konsequentes Eintreten breiterer Teile der Linken für eine Front zwischen legalen und illegalisierten KollegInnen, die über die logistische Unterstützung hinaus ein Anstoß für eine politische Bewegung in den Betrieben und auf der Straße sein kann, hätte zu mehr politischem Druck auf die DGB-Führung geführt. Die Kollaboration der DGB-Bürokratie mit den Repressionsorganen – unterstützt von Provokationen der sogenannten „Gewerkschaft“ der Polizei (GdP), einem reaktionären Berufsverband im Interesse des bürgerlichen Staats – mündete so im Polizeieinsatz. Indem die Führung des DGB 200 bewaffnete Einsatzkräfte zur brutalen Räumung ins Haus holte und die Geflüchteten wegen Hausfriedensbruchs anzeigte, brach sie ein gewerkschaftliches Tabu.
„Nicht in unserem Namen!“ ist der Titel einer Soli-Erklärung, die kurz nach diesem Skandal auf der Konferenz „Erneuerung durch Streik II“ in Hannover vorgestellt wurde. Dort sprach eine Delegation aus zwei Geflüchteten und dem Gewerkschaftssekretär Peter Bremme von ver.di Hamburg, der 300 Geflüchteten die Mitgliedschaft ermöglichte. Die Erklärung verurteilt die Räumung und verlangt die Aufnahme von Geflüchteten in die Gewerkschaften sowie politische Unterstützung, wie die Organisierung einer Konferenz.
Auf einem Berliner Perspektivtreffen waren 70 GewerkschafterInnen und Geflüchtete anwesend, darunter Mitglieder von IG Metall, ver.di, GEW, IG BAU, EVG und der DGB-Jugend. Eigens für die Räumung hatte die Bürokratie ein zynisches Plakat gedruckt, die Aufschrift: „Flüchtlingen helfen? Ja! Unser Haus besetzen? Nein!“ Turgay Ulu, ein Geflüchteter aus dem Türkischen Staat, stellte die Frage: „Ist das nicht ein Haus der ganzen arbeitenden Bevölkerung?“ Ulus rhetorische Frage macht deutlich, dass dieser Kampf auch über die unmittelbaren Interessen der Geflüchteten selbst hinausweist. Es geht um die Frage, wem die Gewerkschaften überhaupt dienen, der bürgerlichen Regierung und dem Kapital, vermittelt durch die Bürokratie – oder der gesamten ArbeiterInnenklasse.
Trotz der Niederlage im DGB-Haus durch die Räumung haben die Geflüchteten von Refugee Struggle for Freedom der Bewegung die Richtung des Wegs aus der Isolation gezeigt. Statt immer radikaleren Einzelaktionen, die ausschließlich auf mediale Aufmerksamkeit zielen, müssen die Gewerkschaften für den Kampf der Geflüchteten gewonnen werden. Denn Gesetzesänderungen vom Ausmaß einer Anerkennung aller Geflüchteten können nur von der organisierten ArbeiterInnenklasse erkämpft werden.
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