// AMAZON: Mit dem nächsten Gerichtstermin bekam die Entfristungskampagne für die Beschäftigten einen weiteren Schub. Während sich in Brandenburg die KollegInnen vor Gericht gegen die Befristungen wehrten, traten die KollegInnen in Bad Hersfeld in den nächsten Streik. //
Am gestrigen Mittwoch zeigten sich über 30 Menschen solidarisch mit vier ehemaligen Betriebsräten von Amazon, deren Verträge im Dezember bzw. Januar ausgelaufen waren und die nun auf ihre Weiterbeschäftigung klagen. Darunter waren viele Studierende, ver.di-FunktionärInnen, aber auch unbefristete KollegInnen von Amazon und ein Kollege von der Berliner Verkehrs Gesellschaft (BVG). Die Verhandlung fand am Arbeitsgericht in Brandenburg an der Havel statt, vor dem der Berliner Solidaritätskreis mit den Beschäftigten bei Amazon mit einer Kundgebung die Arbeitsbedingungen und das Geschäftsmodell Amazon mit verschiedenen Redebeiträgen skandalisierten. Thematisiert wurde immer wieder die gewerkschaftsfeindliche Praxis des Konzerns, der sich bis heute nicht auf Tarifverhandlungen einlässt und Gewerkschaftsmitglieder gezielt benachteiligt.
Mit dabei waren auch internationale Studierende der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR), die die Notwendigkeit internationaler Solidarität unter ArbeiterInnen hervorhoben. Solidarische Grußworte erreichten uns vom Solidaritätskreis aus Leipzig, von ArbeiterInnen aus dem Amazon-Werk in Poznan in Polen und von den KollegInnen aus Bad Hersfeld, die seit Wochen immer wieder Streiks treten und das auch gestern wieder in beeindruckender Art und Weise.
Große Solidarität
Auch die Rolle des deutschen Staates, der durch das Teilzeit- und befristungsgesetz (TzBfG) diese Befristungspraxis überhaupt erst möglich machte, war ein Thema. Denn dadurch werden sog. sachgrundlose Befristungen innerhalb der ersten zwei Jahre im Betrieb erlaubt und ermöglichen damit den KapitalistInnen, die ArbeiterInnen de facto ein. und auszuwechseln. Diese Praxis, sonst „Normalität“ am deutschen Arbeitsmarkt, verdient schon an sich eine Skandalisierung und genau das taten die klagenden KollegInnen. Sie politisierten bewusst diesen sonst in aller Ruhe und Stille verlaufen juristischen Fall und erreichten damit große Aufmerksamkeit.
Aufmerksamkeit für etwas, was für die Seite der KapitalistInnen bloß eine reine formalia darstellt, für die Beschäftigten jedoch der Sturz in die Arbeitslosigkeit und die Armut bedeutet. In ersterer Hinsicht argumentierten auch die JuristInnen von Amazon und der Personalchef – völlig blind für die Interessen der Beschäftigen. Noch dazu kam einmal mehr heraus, wie frech die Geschäftsführung im Betrieb versucht, KollegInnen, die sich gewerkschaftlich engagieren, als „Rotnasen“ zu diskriminieren und abzustempeln. Lange Zeit wird sie sich wohl auch gedacht haben, dass diese „Rotnasen“ sich nicht wehren würden – aber es sollte anders kommen, wie man im Gericht sehen konnte.
Im Gerichtssaal konnte allein durch die Anwesenheit des Solikreises ein starkes Signal gesetzt werden, indem der Saal über den letzten Platz hinaus gefüllt war. Die KollegInnen griffen vor allem den Auswahlprozess an, mit dem die Geschäftsführung die Beschäftigten nach verschiedenen Kriterien einstuft. Besonders die Beurteilung des Verhaltens der ArbeiterInnen öffnet den Bossen allerdings Tür und Tor zur Diskriminierung von aktiven Betriebsräten. „Ein ”šungenügend’ bei Verhalten ist für einen Betriebsrat ja eher ein Lob“, fasste ein Kollege vor Gericht treffend zusammen. Ein anderer Kollege wies auf Nachfrage der Richterin, ob denn Möglichkeiten zur gütlichen Einigung bestehen würden, darauf hin, dass es ihm nicht ums Geld gehe. Er wolle zurück in den Betrieb zu seinen KollegInnen, denn nur so ist ihm die Weiterführung seines gewählten Mandats als Betriebsrat, das immerhin für vier Jahre besteht, möglich. Schon einen Monat vorher klagte eine ehemalige Betriebsrätin für ihre Weiterbeschäftigung. Weitere Klagen von KollegInnen, die Ende Juni den Betrieb verlassen müssen, sind bereits angekündigt, darunter auch wieder aktive Gewerkschaftsmitglieder.
Unterstützung aus anderen Sektoren
Klar ist jedoch eins: Auf die Justiz allein dürfen wir uns nicht verlassen. Die anwendbaren Gesetze sind keineswegs neutral, sondern spiegeln die Klassenverhältnisse im bürgerlichen Staat wider. Die Agenda 2010 und das TzBfG haben die Prekarisierung und das Lohndumping in Deutschland massiv ausgeweitet. Damit wurden die Angriffe auf ArbeiterInnen bei Amazon, aber auch bei der Post AG, an der Charitè usw. erst „legalisiert“. Damit wird auch deutlich, dass diese Probleme nicht nur KollegInnen bei Amazon treffen, sondern weit darüber hinaus die heutige Arbeitswelt prägen. Dagegen regt sich aber seit Monaten Widerstand, sei es bei den LokführerInnen oder den ErzieherInnen. Seit nunmehr drei Wochen streiken aber auch die Beschäftigten der Post AG unbefristet gegen die Brechung des Haustarifvertrags, der mit der Privatisierung des Konzerns ermöglicht wurde. Seit Montag befinden sich auch die KollegInnen an der Charitè in einem unbefristeten Streik. Diese Streiks erfahren eine breite Solidarität auch untereinander. Auch KollegInnen von Amazon zeigten sich bereits mit anderen Streikenden solidarisch.
Denn auch ihnen ist bewusst: Nur durch eine massive Politisierung ihrer Prozesse in Form von Kampagnen, Aktionen, Solidaritätsstreiks anderer KollegInnen, letztlich durch die Verbindung aller Streiks können ihre Forderungen, die Forderungen aller ArbeiterInnen, vollständig durchgesetzt werden.
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