// Die verheerende Situation der Geflüchteten, von Deutschland bis an die EU-Außengrenzen auf Kos, Lampedusa oder in Mazedonien beweist, das die imperialistischen Mächte nur Elend für die Massen anzubieten haben. Die Herausforderung für die Linken ist es, einen Ausweg aus der Misere aufzuzeigen. //
All diejenigen, die dachten, dass die infolge der Weltwirtschaftskrise und des Arabischen Frühlings höchste Zahl an Geflüchteten seit dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 2013 eine Ausnahme sei, sahen sich schon im nächsten Jahr eines besseren belehrt. Und auch in diesem Jahr werden wohl so viele Menschen auf der Flucht sein wie seit 1945 nicht mehr. Im Jahr zuvor waren es knapp 60 Millionen Menschen, die zumeist infolge von Kriegen fliehen mussten und in der Bundesrepublik wurden bis zum Juli dieses Jahres so viele Asylanträge wie im gesamten letzten Jahr 2014 gestellt. Rund 220.000 Asylanträge gingen bei den Behörden ein, sodass die Bundesregierung die Zahl der Asylanträge für das gesamte Jahr 2015 auf über 800.000 schätzt. Zum Vergleich: im bisherigen „Rekordjahr“ 1992 waren es knapp 440.000 Anträge.
Während diese Zeit mit dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen als ein dunkles Kapitel in Erinnerung geblieben ist, wiederholen sich seit Monaten ständig rassistische Gewalt und Hetze gegen Geflüchtete auf dem gesamten Bundesgebiet. Fast täglich ist von Anschlägen auf Geflüchtetenunterkünfte zu lesen. Die meisten werden von rechtsextremen Gruppen organisiert, finden in immer mehr Gemeinden eine beunruhigende Anklang unter Bevölkerungsschichten, deren Lebensqualität, vom Staat vernachlässigt, sinkt. In einer Situation der kontinuierlichen rassistischen Hetze der bürgerlichen Parteien entwickelt sich aus diesem Unmut eine rechte Polarisierung der Mittelschichten.
Diese Hetzkampagne schlug in den letzten Wochen immer höhere Wellen. Alle bürgerlichen Parteien, von AfD und FDP über CDU/CSU und SPD bis hin zu den Grünen sind sich darüber einig, die Asylgesetzgebung de facto vollkommen zu vernichten. Dies geht durch die immer absurder anmutende Aufnahme von ländern wie dem Kosovo, Albanien und Montenegro in die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“; die Forderung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das Taschengeld von 142 Euro abzuschaffen oder durch Sachgutscheine zu ersetzen; die aus Kreisen der „Gewerkschaft der Polizei“ (sic.), der AfD und rechten Teilen der CDU angestoßene Diskussion, Grenzkontrollen wieder einzuführen und dafür mehr PolizistInnen einzustellen bis hin zur Eröffnung von „Camps“, um Geflüchtete aus dem Balkan in Grenznähe kostengünstig und schnell abzuschieben. Dass das Schicksal Zehntausender Menschen, die vor Elend, Verfolgung, Krieg und Hunger flüchten, dabei als reiner Kostenpunkt dargestellt wird, ist ein bürgerlicher Konsens.
Einer skandalösen Schätzung nach würden die Geflüchteten den Staat 10 Milliarden Euro kosten. Die Tatsache an sich ist nicht skandalös: In Wirklichkeit sollte Deutschland wesentlich mehr Geld für die gute Versorgung und Unterbringung der Geflüchteten ausgeben, besonders wenn sich täglich die Schlagzeilen über die sich vergrößernden Steuereinnahmen und die gute wirtschaftliche Konjunktur häufen. Skandalös ist sie deshalb, weil sie Teil der rassistischen Kampagne der imperialistischen Medien ist, die Kosten für die Geflüchteten zu verringern und die Abschiebungen „effektiver“ zu gestalten. Selbst die Linkspartei gibt diesem reaktionären Klima nach: Sie lässt nicht nur eine „rote Hürde“ in punkto Waffenlieferungen und Auslandseinsätze der Bundeswehr fallen, in Fulda machten den nicht allzu „linken“ Wolfgang Runge ausländerfeindliche Bemerkungen bekannt. Das ist kein Einzelfall, sondern ein Ausdruck dessen, dass die Partei auf ihrem sozialchauvinistischen Kurs dem rechten Klima nachgibt, anstatt eine konsequente Alternative der Ausgebeuteten und Unterdrückten darzustellen.
Desaströses Versagen
Dabei ist die deutsche Politik nicht von der europäischen zu trennen und auch der Blick auf die anderen länder verheißt nichts gutes: in Mazedonien wurde aufgrund des zu großen Andrangs auf den Bahnhöfen der Ausnahmezustand ausgerufen und Tränengas gegen Geflüchtete eingesetzt, Ungarn ist im Begriff einen 175 Kilometer langen Zaun mit NATO-Stacheldraht zu bauen (und dabei EU-Recht zu verletzen), der die Geflüchteten davon abbringen soll, in ihr Land einzureisen – schließlich ist Ungarn auf der berüchtigten „Balkan-Route“ das erste Land der EU, das die Geflüchteten nach Griechenland betreten. In Griechenland selbst ist die Lage infolge der Sparmaßnahmen so katastrophal, dass die Geflüchteten dieses Land meiden und weiterziehen wollen. Tausende Geflüchtete müssen wochen- und monatelang unter unmenschlichen Bedingungen auf den grenznahen Inseln wie Kos leben, und werden dazu noch durch Repression von der Polizei angegriffen.
Woche für Woche sterben Hunderte, die versuchen, das Mittelmeer in Richtung Italien zu überwinden. Doch für die meisten geht die Flucht weiter ins imperialistische Zentrum, nach Großbritannien oder Deutschland. Die imperialistische Hetzkampagne der britischen Regierung gegen die Geflüchteten, die den lebensgefährlichen Weg über den Eurotunnel bei Calais auf sich nehmen, macht nur zu deutlich, dass Menschenleben für die Herrschenden in ihrem wütenden Rassismus keine Rolle spielen.
Es verwundert nicht, dass die meisten Geflüchteten aus ländern wie Syrien, Afghanistan oder Somalia kommen, wo nicht zuletzt aufgrund der NATO-Interventionen seit Jahren Krieg und Elend herrschen. Auch für Deutschland ergibt sich ein ähnliches Bild: rund ein Fünftel der AsylbewerberInnen kommen aus Syrien, dessen Lage sich mit dem Erstarken des Islamischen Staates nochmals verschärft hat. Doch während die Anerkennungsquoten von ländern wie Syrien oder Irak recht hoch (jeweils zwischen 85 und 90 Prozent) sind, tendieren sie bei allen Balkanstaaten wie Serbien oder Montenegro gen Null. Dabei war das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien in den 90er-Jahren Schauplatz von NATO-Bombardements – an denen sich auch erstmals Deutschland seit dem Fiasko ´45 beteiligte. Die Hunderttausenden, die auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa und Deutschland fliehen und dabei ihr Leben riskieren, sind dazu aufgrund der jahrzehntelangen kriegerischen und wirtschaftlichen Zerstörung ihrer Herkunftsgebiete durch den französischen, britischen, nordamerikanischen und deutschen Imperialismus gezwungen.
Hier angekommen, erwartet sie jedoch oft kein besseres Schicksal. In den Zeltlagern, die vor einigen Großstädten aufgebaut wurden, herrsche laut Berichten von solidarischen HelferInnen „Zustände wie in Kriegsgebieten“. Es gibt zu wenig Platz, kaum Toiletten, zu wenig Ärzte, was dazu führt, dass sich Krankheiten schnell ausbreiten. Aus allen Ecken des Landes hört man, das zu wenig Geld für die Unterkünfte zur Verfügung stehen, was sich direkt auf die Lebensbedingungen der Geflüchteten auswirkt. Entgegen dessen, was die bürgerlichen PolitikerInnen immer wieder sagen, unterscheidet sich diese Situation nicht grundlegend von der, denen die Geflüchteten auf Kos oder Lampedusa ausgesetzt sind. Zynischerweise ist dies Teil einer Asylpolitik, die auch in Zukunft vermehrt auf Abschreckung mittels katastrophaler Zustände in den Lagern setzen will. Besonders in der Argumentation des Innenministers Thomas de Maiziere (CDU) spielt das eine große Rolle. In diesem Sinne haben die bürgerlichen PolitikerInnen, abgesehen von den heuchlerischen Kommentaren, auch kein Interesse an der Bekämpfung der rassistischen Gewalt auf den Straßen.
Das ist jedoch kein „Scheitern“ der deutschen Asylpolitik, sondern die einzige Antwort der Herrschenden auf die „Einwanderungskrise“, nämlich jede Hoffnung vernichten, dass die Geflüchteten in Deutschland ein besseres Leben beginnen können. In diesem Sinne wurde mit 11.000 Abschiebungen 2014 ein weiterer Rekord verzeichnet, die zumeist in die Balkanländer Serbien, Mazedonien und Kosovo erfolgte. Und schon alleine im ersten Halbjahr 2015 wurden mit 8.178 rund 42 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum abgeschoben. Für einen Großteil der Geflüchteten bedeutet diese Politik Folter und Tod in ihrem Herkunftsland.
Gleichzeitig rufen die RegierungspolitikerInnen im Chor mit der Bourgeoisie nach noch mehr „Verantwortung“ in der Welt – nach neuer imperialistischer Vorherrschaft besonders im Nahen Osten und auf dem Balkan. Diese Herrschaft stellt sich auch in Form von massiven Waffenexporten dar, ohne die die deutsche Wirtschaftspolitik nicht zu denken ist. Die derzeitigen Flüchtlingsströme stellen also die Rückwirkungen der imperialistischen Wirtschafts- und Kriegspolitik dar. Auch deshalb sehen Teile der Bourgeoisie die Notwendigkeit, sich die große Zuwanderung hinsichtlich einer zukünftigen „Wettbewerbsfähigkeit“ zunutze zu machen, anstatt sie nur zu bekämpfen.
JETZT aktive Solidarität organisieren
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Diese Worte von Friedrich Hölderlin beschreiben eindrucksvoll, warum die Geflüchtetenbewegung die dynamischste demokratische Bewegung trotz all der Repression und Verfolgung des Staates war.
Und die Revolte von Suhl, wo sich die Geflüchteten gegen die Brutalität und Willkür der Polizei zur Wehr setzten, mag ein – wenn auch verzerrtes – Vorspiel an neuen Kämpfen auf der Straße sein.
Die Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte im gesamten Bundesgebiet und nicht zuletzt die besonders gewalttätigen Ausschreitungen in Heidenau und Freital müssen die gesamte Linke wachrütteln. Es ist notwendig, gemeinsam mit ArbeiterInnen, Jugendlichen, Geflüchteten und solidarischen AktivistInnen die Selbstverteidigung der Betroffenen und ihrer Unterkünfte zu organisieren, anstatt dies der Polizei zu überlassen. Die Aufgabe der Stunde ist es, die kämpferischen Aktionen der Geflüchteten und der solidarischen Jugend wieder aufzunehmen und eine breite demokratische Bewegung gegen die Regierung und ihre rassistischen Pläne und die rechte Gewalt und für Bleiberecht für alle aufzubauen.
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