Erklärung der Trotzkistischen Fraktion für den Wiederaufbau der Vierten Internationale
Krise des Kapitalismus und Perspektiven für Revolutionäre
15/12/2008
In nur wenigen Monaten hat sich
die Finanzkrise, die mit dem Platzen der
Immobilien- und Kreditblase losging, in
die schlimmste Krise der kapitalistischen
Wirtschaft seit dem Wirtschaftscrash von
1929 und der anschließenden Großen
Depression von 1930 verwandelt.
Die von den kapitalistischen Staaten
unternommenen Maßnahmen, um die
Krise einzudämmen, sind ein Beweis für
das Ausmaß derselben. Nicht jeden Tag
beschließt das US-Parlament ein Paket
von US$ 700 Milliarden, um zu versuchen,
den drohenden Bankrott des
Bankensystems zu verhindern. Auch die
wichtigsten europäischen Staaten haben
ihrerseits nicht weniger als 1,9 Billionen
Euro in die Rettung des Finanzsystems
gesteckt. Trotz der Höhe der bereitgestellten
Summen deutet jedoch nichts
daraufhin, dass sie ausreichen werden,
um den Zusammenbruch einzudämmen,
wie der Rückzieher der Bush-Regierung
bei ihrem Vorschlag, die Schrott-Wertpapiere
zu erwerben, zeigt.
Die politischen Konsequenzen der
jetzigen Krise sind eindeutig: Der Wahlsieg
Obamas, des ersten
afroamerikanischen Präsidenten der wichtigsten
imperialistischen Macht.
Für breite Sektoren der imperialistischen
US-Bourgeoisie stellt Obama die
beste Option dar, um die USA international
wieder zu legitimieren und um die historisch
dämpfende Rolle der Demokratischen
Partei vor einer eventuellen
Zuspitzung des Klassenkampfes beizubehalten.
Auch die Wirtschaftsrezession
und die ausweglose Lage, in der sich die
Kriege im Irak und in Afghanistan befinden,
haben große Teile der Massen, der
Jugendlichen, Arbeiter, Afroamerikaner
und der übrigen unterdrückten Minderheiten
dazu gebracht, für Obama zu stimmen.
Die wirtschaftliche Lage hat sich inzwischen jedoch weiter verschlimmert.
Die Rezession in den USA und den ländern
der Eurozone schreitet voran,
ebenso wie sich die Verlangsamung des
chinesischen Wirtschaftswachstums
vertieft, was zu neuen Börsenabstürzen
führte.
Eine Krise historischen
Ausmaßes
Der Schwindel erregende Fall der
Börsen der Welt und die darauf folgende
Aktienabwertung der wichtigsten Korporationen
haben bereits zu einer großen
Kapitalvernichtung geführt.
Nach den vorliegenden Daten von
Mitte Oktober hatten sich bis dahin ca.
27 Billionen US Dollar aus den Wertmärkten
der Welt verflüchtigt. Obwohl die
Krise im Juli/August 2007 mit dem Debakel
des „Subprime“-Hypothekenmarkts in
den USA anfing, führte der Kollaps von
Lehmann Brothers, gefolgt vom Bankrott
des wichtigsten Versicherungsunternehmens
AIG Mitte September 2008
(der zu seiner Verstaatlichung führte) zu
einer Absturzspirale an den Börsen, zu
Währungskrisen, zu Kreditverteuerung
und Kreditmangel zwischen den Banken.
Dieser Mangel an Krediten drohte das
kapitalistische System zu lähmen, weshalb
sich die Regierungen der wichtigsten
Mächte gezwungen sahen, rasch zu
intervenieren, um zumindest die Kreditvergabe
zwischen den Banken wieder
herzustellen.
Während der „neoliberalen“ Periode
erlebte der Kapitalismus mehrere Krisen - den Wallstreet-Crash von 1987; das
Ende der japanischen Immobilien„blase“
1990; die Krise des europäischen Währungssystems
1992; Mexiko 1994;
Indonesien und Südostasien 1997; Russland
1998; brüske Entwertung in Brasilien
1999; die Krise der „dot.com“ und die
Rezession in den USA 2001; den Crash
der argentinischen Wirtschaft Ende 2001-, jedoch hatte keine dieser Krisen die
Tiefe und Tragweite der jetzigen. Die Krise,
die wir heute beobachten, hat ihren
Ursprung im Herzen des globalen kapitalistischen
Systems, in den Vereinigten
Staaten von Amerika, und von dort aus
breitet sie sich wie eine giftige Wolke über
den Rest der Welt aus. Dabei hat sie die
länder der Europäischen Union, Japan,
Russland und die länder der imperialistischen
Peripherie in Mitleidenschaft gezogen.
Die Auswirkungen sind besonders in
der „Eurozone“ gravierend und entlarven,
dass hinter dem Projekt der Europäischen
Union und der Einheitswährung
die Interessen der einzelnen Nationen,
die sie zusammensetzen, überwiegen.
Dies erklärt die Schwierigkeiten, die die
Verhandlungen um die letztendlich getroffene
Vereinbarung begleiteten. Diese
sieht vor, dass die 15 länder der EU, die
den Kern der EU ausmachen, sich verpflichten,
eine koordinierte Aktion
angesichts der Krise zu starten, um zu
versuchen, keine Bank fallen zu lassen.
Dieses Abkommen impliziert jedoch keinen
gemeinsamen Fond gegen die Krise,
wie ihn am Anfang der französische
Staatspräsident Sarkozy gefordert hatte.
Es beschränkt sich lediglich auf eine Garantie
jedes einzelnen Landes, um die
Anleihen zwischen Banken innerhalb ihrer
eigenen Grenzen zu sichern, sieht aber
keine Garantie der Regierungen für Geldanleihen
von Banken der Nachbarländer
vor.
Diese Krise kann sogar das EU-Projekt
in Frage stellen. Sie war zudem ein
harter Schlag für diejenigen, die behaupteten,
dass eine größere Integration des
„alten Kontinents“ möglich sei. Dies ist
für MarxistInnen jedoch keine Neuigkeit:
Der Kapitalismus ist eine auf Wettbewerb
beruhende Gesellschaftsordnung. Auf
internationaler Ebene stehen die imperialistischen
Mächte in einem harten Konkurrenzkampf untereinander. Auch verteidigen
sie die Interessen ihrer Korporationen,
was sich in Krisenzeiten wie den
heutigen in gesteigerter Form manifestiert.
Daher gibt es einerseits Gründe für
das Treffen von gemeinsamen
Verteidigungsmaßnahmen gegenüber
anderen starken Mächten, andererseits
sieht sich jeder einzelne Staat mit eigenen
Problemen konfrontiert, deren
lösungsversuche mit den Interessen der
Nachbarländer kollidieren. Außerdem
freuen sich die auf europäischer Ebene
mächtigsten Kapitalisten über den Untergang
ihrer Konkurrenten.
Nach der Immobilienkrise in mehreren
ländern und dem Zusammenbruch
der großen Investitionsbanken und Börsen
folgten eine Reihe von Währungskrisen,
die überwiegend jene länder
schädigen, die als „aufsteigend“ bezeichnet
werden. Dabei handelt es sich um eine
vage Kategorie, die sich auf die unterentwickelten
und neokolonialen länder
bezieht. Dort drückt sich die Krise durch
eine Entwertung der einheimischen Währungen
gegenüber dem US-Dollar aus.
Die Krise hat auch zu einer Aufwertung
der Währung des imperialistischen
Japans, des Yen, geführt und hatte die
Intervention der japanischen Regierung
zur Folge, um die aufsteigende Tendenz
ihrer Währung zu bremsen.
Hinzu kommen die länder aus Osteuropa,
die als erfolgreiche Modelle kapitalistischer
Restauration bezeichnet wurden,
wie im Falle Ungarns, das die Schwäche
seiner Wirtschaft im Zuge der internationalen
Krise offenbarte. Auch bat die
Ukraine um die Hilfe des IWF, der einen
Sonderfond zur Hilfe von sich in der Krise
befindlichen ländern ins Leben gerufen
hat. Im Gegenzug dazu verlangt der
IWF die Implementierung von
Wirtschaftsanpassungsmaßnahmen. Jedoch
verfügt der IWF nicht über die notwendigen
Geldmengen, um einzuschreiten,
wie er es in den 90. Jahren tat, denn
die USA haben die Finanzierung dieser
Institution gekürzt. Die Ankündigungen
mehrerer länder, Mittel bereitzustellen
(wie im Falle Japans, das 100 Milliarden
US Dollar versprach) sind schlichtweg
ungenügend angesichts der Verbreitung
des Debakels. Das Mitte November in
Washington eilig veranstaltete Gipfeltreffen
der so genannten „G-20“ warf die Frage
nach der Notwendigkeit auf, den IWF
und die Weltbank“ zu reformieren und
neue Kontrollmechanismen zu errichten,
um die Banken und das Finanzsystem in
den Griff zu bekommen. Bisher jedoch
sind die angekündigten Maßnahmen
nicht mehr als eine Reihe von Absichtserklärungen, die von den USA zähneknirschend
akzeptiert werden.
Mit dem Voranschreiten der Krise
stirbt allmählich auch der Glaube, die chinesische
Wirtschaft und weitere wichtige
Ökonomien von Peripherien der imperialistischen
länder könnten sich von der
Krise „abkoppeln“.
Das stetige Wachstum der chinesischen
Wirtschaft in den letzten 20 Jahren
verhalt viele Analysten - sowohl bürgerliche
als auch im linken Lager - zu der
Annahme, dass China als Motor der
Weltwirtschaft und als Ersatz zur US Wirtschaft
fungieren könnte. Aber die Zahlen
zeigen, dass China weiterhin ein Land
ist, das wirtschaftlich abhängig ist, und
dass es nicht über die Stärke verfügt, als
Großmacht zu handeln: gemessen am pro
Kopf Einkommen liegt es auf Platz 100
und macht nur 6% der globalen Wirtschaft
aus. Gleicht man seine Produktion
seiner Kaufkraftparität an, so beträgt die
chinesische Wirtschaft nur 10% der globalen
Ökonomie. Mit 1.300 Millionen Einwohnern
verbrauchte es 2007 ca. 1,2 Billionen
Dollar, während die USA in der
gleichen Zeit, mit einer Bevölkerung von
300 Millionen, auf 9,7 Billionen kamen.
Und die Arbeitsproduktivität der chinesischen
Wirtschaft ist viel niedriger als
die der USA, der japanischen oder der
wichtigsten europäischen Wirtschaften.
Ähnlich wie der Rest der Welt wird zurzeit
auch China von der Krise gebeult, im
deren Zuge die Börse in Shangai 60%
ihres Wertes verlor.
Angesichts dieser Lage hat die chinesische
Regierung einen öffentlichen
Investitionsplan in Höhe von 588 Milliarden
US-Dollar für die nächsten Jahre
bekannt gegeben. Diese Gelder sollen für
Infrastrukturprojekte, Steuersenkungen,
eine Erleichterung der Bedingungen für
Bankdarlehen und zur Schaffung eines
Arbeitslosen- und Sozialhilfefonds bestimmt
werden. Aber dieser Plan, wie die
Rettungsmaßnahmen aller übrigen länder,
wird es nicht verhindern können, die
wirtschaftliche Verlangsamung aufzuhalten.
China, dessen Produktion zum großen
Teil für den US-Markt bestimmt ist,
sieht sich vor der Gefahr einer Ìberproduktionskrise.
Laut Medien haben
Tausende Fabriken dicht gemacht, und
ihre Besitzer fliehen und lassen unbezahlte
löhne und Schulden zurück. Diese Situation
hat die Anzahl von Arbeiterprotesten
in die Höhe schnellen lassen,
die sich den Protesten auf dem Land und
in anderen gesellschaftlichen Sektoren
anschließen. Dies bedeutet, dass die wirtschaftliche Krise zu einer politischen Krise
des Regimes und zu einem Wiederaufleben
von Klassenkämpfen in dem Land
mit der größten proletarischen Konzentration
der Welt führen kann.
Die Regierungen in Lateinamerika
versicherten zunächst, sie würden die
Krise nicht spüren aufgrund der angeblichen
„Solidität“ der Reserven der
Zentralbanken.
Aber der Einbruch der regionalen
Börsen, die Kapitalflucht und die Entwertung
der lokalen Währungen ließen diese
Argumente wie Luftballons platzen.
Brasilien, bis zu dem Zeitpunkt als
„Musterwirtschaft“ der Region gehandelt
und mit hoher Kreditbeurteilung von
den imperialistischen Agenturen versehen,
wurde zu einem der am meisten betroffenen
länder der Region. Dies bewies
eindrucksvoll seine Abhängigkeit vom
internationalen Finanzkapital. Aufgrund
seine Gewichtes in der regionalen Wirtschaft
und im Mercosur wird sich die
Entwertung seiner Währung und eventuell
der Rückgang des Konsums im
Innland stark auf die Wirtschaften der
anderen länder der Region auswirken.
Ferner hat die Uneinigkeit über das weitere
Vorgehen zu Reibungen in der Regierung
geführt.
Das Ende des Wachstumsperiode, die
Lateinamerika in den letzten fünf Jahren
erlebte, ist jetzt schon eine Tatsache, wie
der stetige Fall der Rohstoffpreise - vor
allem Erdöl und Soja -, die Kreditverteuerung,
der Kapitalentzug, die
Produktionsdrosselung in industriellen
Zweigen, unter anderem, beweisen. Jedoch
kann nicht genau vorhergesagt
werden, welche letztendlich die konkreten
Auswirkungen der internationalen
Krise in der Region sein werden. Fest
steht jedoch, dass kein Land in der Lage
sein wird, die Krise auszusitzen, eine Krise,
die sich als wahrhaft global erweist.
Die Vorschläge der die „Deklaration
von Caracas“ unterstützenden Intellektuellen,
die die Stärkung des ALBA und
der Banco del Sur, die Schaffung neuer
regulierter Institutionen sowie eines lateinamerikanischen
Währungspaktes
diskutieren, um der Krise die Stirn zu bieten,
erweisen sich als vollkommen utopisch.
Diese Projekte, die selbst in den
Zeiten des Wachstums nicht verwirklicht
werden konnten, haben heute angesichts
der ersten Symptome der Krise in der
Region erst recht keine feste Grundlage.
Statt das Projekt zu vertiefen, vermehren
sich die Anzeichen dafür, dass die jeweiligen
länder der Region sich darauf vorbereiten,
die Geschäfte der einheimischen Bourgeoisien zu verteidigen. Das
brutalste Beispiel hat Brasilien geliefert.
Bei den Verhandlungen mit Ecuador über
die Tätigkeit von Odebrecht und
Petrobras1 in Ecuador sowie bei den Verhandlungen
der brasilianischen Soja-Produzenten,
welche der größte Grundbesitzer
Paraguays sind, mit der Regierung
von Lugo, zeigte Brasilien, dass die Verteidigung
der Interessen ihrer Bourgeoisie
Vorrang hatten. Brasilien veranstaltete
militärische Ìbungen seiner Streitkräfte
an der Grenze zu Ecuador und am Itaipu-
Damm, um beiden ländern zu signalisieren,
dass es nicht bereit sei zu erlauben,
dass die Interessen Brasiliens angetastet
werden.
Die Grenzen staatlicher
Intervention
Nachdem das gesamte Finanzsystem
Ende September 2008 dem totalen Zusammenbruch
gefährlich nahe war und auch
die traditionelle Politik der US Nationalbank
scheiterte, stimmten die Regierungen
der entwickelten kapitalistischen
länder für den Einsatz vieler Millionen
an öffentlichen Geldern um den endgültigen
Zusammenbruch des Banken- und
Finanzsystems zu verhindern.
In den USA verabschiedete der Kongress,
nach einer ersten Ablehnung durch
die republikanische Mehrheit, das von
Wirtschaftsminister Henry Paulson erdachte
700.000 Millionen Dollar Finanz-
Hilfspaket. Der eigentliche Plan von
Paulson, ein Schriftsatz von kaum 2 Seiten,
sah nur vor, mit öffentlichen Geldern
die „verfallenen Schulden“ (die
„Schrott-Wertpapiere“, die durch die
nicht einlösbaren Hypothekenkredite
verseucht sind) der wichtigsten
Investitionsbanken zu tilgen. Dieser Entwurf
wurde modifiziert und der vom Kongress
verabschiedete Text wurde auf über
450 Seiten erweitert. Als Teil dieses Plans
präsentierte Paulson den Direktorien der
9 wichtigsten Banken des Landes einen
Plan, der auf dem Erwerb von Vorzugsaktien
der Banken seitens des Staates im
Gegenzug für eine Sofortinvestition von 250.000 Millionen Dollar an öffentlichen
Geldern basiert. Am 12. November gab
es eine weitere Planänderung: Paulson
kündigte, an den Vorschlag des staatlichen
Aufkaufs der nichteintreibbaren
Schulden der Banken nicht umzusetzen.
Die Regierung Bush verkündete ihren
Plan, nachdem die europäischen
Mächte, allen voran Großbritannien, einen
groß angelegten Hilfsplan für ihre
angeschlagenen Banken beschlossen
hatten. Dieser sieht wie folgt aus:
Deutschland: 460.000 Millionen Euros; Frankreich: 360.000 Millionen; Holland: 200.000 Millionen; Spanien und Österreich:
100.000 Millionen. Zusammen mit
dem angekündigten Hilfspaket Großbritanniens
beläuft sich die Summe auf 1,9
Billionen Dollar.
Dass in Krisenzeiten staatliche Mittel
zur Rettung des Kapitalismus eingesetzt
werden, ist keinesfalls eine „sozialistische
Maßnahme“, wie einige verbitterte
Anhänger der freien Marktwirtschaft
ironisierten, sondern bestätigt nur, dass
die kapitalistischen Regierungen die Interessen
der Klasse verteidigen, in deren
Namen sie regieren. Paulsons Plan,
ebenso wie derjenige seiner europäischen
Kollegen, sieht nicht einmal eine „Verstaatlichung“
der Banken im Stile der bürgerlichen
Regierungen der Nachkriegszeit
vor. Einerseits hat die Regierung Bush hoch und heilig
versichert, dass sie nur ein „passiver
Investor“ bleiben werde,
das heißt, sie wird keinen Platz
in den Direktorien der Banken
einnehmen, noch wird sie die
Dividenden kassieren, die ihr
zustünden, falls die Banken sich
erholen würden. Andererseits
sind die Banken nicht daran
gebunden, das vom Staat erhaltene
Geld für die Vergabe neuer
Kredite einzusetzen oder die
Hypotheken neu zu verhandeln,
deren Schuldner vor dem drohenden
Verlust ihres Zuhauses stehen. Die Vorstände, die sich
in den letzten Jahren Millionen einverleibt
haben, bleiben auf ihren Posten und
die Dividenden an die Großaktionäre werden
weiterhin ausgezahlt.
Diese massive Kapitalspritze stellt die
größte staatliche Intervention in die Wirtschaft
seit der Krise der 30er Jahre dar.
Die logische Konsequenz wird der Anstieg
der Staatsverschuldung sein, eine
Enteignung des Volkseinkommens und
eine millionenschwere Hypothek für kommende
Generationen.
Im Falle der Vereinigten Staaten lässt
das Rettungspaket die Staatsverschuldung
in astronomische Höhe
klettern. Man sagt, dass ihr Defizit bis zu
10% des Bruttosozialprodukts erreichen
könnte. Dies würde bedeuten, dass die
USA kurz vor dem Staatsbankrott stünden.
Obgleich diese Hunderte von Milliarden
Dollar für den Moment einen kompletten
Zusammenbruch des Bankenund
Finanzsystems abgewendet haben,
waren sie dennoch nicht ausreichend, um
die fallende Börsentendenz umzukehren oder eine allgemeine Rezession zu vermeiden.
Diese Rezession ist es, was eigentlich
hinter der „Panik der Märkte“
und der Flüchtigkeit der Börse steckt.
Die Finanzkrise hat begonnen, das zu
schädigen, was man gemeinhin die „rea-
le Wirtschaft nennt“, das heißt, den Bereich
der Produktion und die Nicht-
Finanzunternehmen. Dieser Zusammenhang
zeigt die Kurzsichtigkeit derer, die
vorgeben, dass diese beiden Aspekte einer
einzigen kapitalistischen Wirklichkeit
unabhängig voneinander funktionieren
können. Ausnahmslos haben die großen
kapitalistischen Unternehmen einen Umsatzrückgang
und kleinere Gewinne verkündet
– von Sony über Samsung bis zu
Microsoft. Die drei großen Automobilkonzerne,
General Motors, Chrysler und Ford, Wahrzeichen des amerikanischen
Kapitalismus, befinden sich in einer tiefen
Krise und hoffen auf staatliche Hilfsgelder,
um sich am Leben zu erhalten.
Nach Angaben von Oktober 2008 hat
auch die chinesische Wirtschaft an
Schwung verloren und die Vorhersagen
gehen dahin, dass die geschätzte Wachstumsrate
in China die niedrigste seit 2003
sein wird.
Die Situation der amerikanischen
Wirtschaft ist alarmierend. Die Daten,
welche das Handelsreferat der
amerikanischen Regierung Ende Oktober
2008 bekannt gegeben hat, belegen, dass
das Wirtschaftswachstum im Lande im
letzten Trimester auf 0.3% für das ganze
Jahr gesunken ist. Dass die Interpretation
dieser Zahlen nicht noch negativer
ausfällt, liegt an konjunkturellen Faktoren:
1. Der Wertverlust des Dollars in diesem
Trimester führte zu einem starken
Anstieg der Exporte, welcher allerdings
schon wieder nachgelassen hat.
2. Eine Zunahme der Staatsausgaben,
besonders auf dem Verteidigungssektor.
Die rezessive Tendenz drückt sich
auch in einem Konsumrückgang aus. Die-
ser reduzierte sich um 3,2%, der erste
Rückgang überhaupt seit 1991 und der
bisher bedeutendste seit 1980.
Gleichzeitig hält die Deflation auf dem
Immobilienmarkt an. Dies führt dazu, dass
immer mehr Hypotheken heute einen höheren
Wert haben als das Haus, auf welches
sie aufgenommen wurden. Dies führt
zu einer weiteren Verschlechterung der
Zahlungsmoral und -fähigkeit. Zur Zeit
geht man davon aus, dass ca. 4 Millionen
Häuser und Wohnungen in die
Zwangsvollstreckung kommen werden.
Diese kämen dann ebenfalls auf den
Markt, zusätzlich zu der großen Summe
von unverkäuflichen Immobilien, die jetzt
bereits auf dem Markt sind.
Ein weiteres Anzeichen ist der Verlust
von 2.000.000 Arbeitsplätzen im letzten
Jahr, die Hälfte davon allein im September,
Oktober und November. Die
durchschnittliche Arbeitslosenquote kletterte
auf 6,7%, aber selbst das Arbeitsamt
der Vereinigten Staaten gibt zu, dass
sie real zumindest bei 11% anzusiedeln
wäre, wenn man die 5 Millionen Arbeiter
mitzählen würde, die es bereits aufgegeben
haben, nach Arbeit zu suchen.
Außer der Schrumpfung der
amerikanischen Wirtschaft hat die Rezession
auch Auswirkungen auf die japanische
Wirtschaft und die Eurozone. Diese
verkündete Mitte November, dass sie
eine solche Krise zum ersten Mal seit ihrer
Gründung erlebt. Für sich genommen
befinden sich Deutschland, Frankreich,
Spanien und Italien genauso wie Großbritannien
bereits in der Rezession. Dazu
kommen die mittleren länder wie Irland,
die Krise in Griechenland und der Bankrott
des isländischen Bankwesens.
Ausgehend von der Tatsache, dass
zum ersten Mal seit 1973 alle wichtigen
kapitalistischen länder gleichzeitig in die
Rezession geraten, sind sich die Experten
einig, dass dieser wirtschaftliche Fall
tief sein und wahrscheinlich einige Jahre
anhalten wird. Die Aussichten der Krise
sind düster und reichen von der Möglichkeit
einer tiefen und andauernden
Rezession über eine schwächliche Erholung
bis zu einer Stagnation „Ãà la Japan“,
das heißt einer daniederliegenden Wirtschaft
für mindestens die nächsten zehn
Jahre. Es ist sogar möglich, dass der Strudel
der Krise uns in eine weltweite wirtschaftliche
Depression reißt. Dies würde
zu einer Schrumpfung des Bruttosozialprodukts der reichsten länder und einer
Verschiebung des Welthandels ähnlich
wie zur Zeit der Großen Depression führen.
Diese Wirtschaftslage hat bereits bedeutende
politische Krisen zur Folge, und
auch ihre sozialen Folgen sind bereits
spürbar: Entlassungen, Lohnminderung,
Verlust von Wohnungen und Armut.
Ohne Zweifel wird diese Situation zu
neuen politischen Phänomenen und einem
Erstarken des Klassenkampfes führen.
Die „Neokeynesianer“ eilen dem
Kapitalismus zur Hilfe
Die derzeitige Wirtschaftskrise rüttelt
an dem Mythos der Gutherzigkeit des
„freien Marktes“, der als ideologischer
Unterbau für die neoliberale Offensive
diente. Jene, die „das Ende der Geschichte“
und den endgültigen Sieg des kapitalistischen
Systems proklamierten, versuchen
heute der Bevölkerung, die sich der
Rettung der Milliardäre von Wall Street
entgegensetzt, Angst einzuflössen. Sie
argumentieren, ohne ihre Rettung würden
wir alle die Auswirkungen der Krise
zu spüren bekommen.
Nach dem Muster früherer Krisen, wie
der Krise der Spar- und Darlehensgesellschaften
in den USA Ende der 80.
Jahre, versuchen die Finanzelite und der
nordamerikanische Staat, ebenso wie die
Europäische Union und Japan, eine Politik
durchzusetzen, die einen phänomenalen
gesellschaftlichen Ressourcentransfer,
das Produkt der Arbeit von Millionen
Menschen, zu den reicheren Sektoren
bedeutet, die während der Blütezeit
des Neoliberalismus ihren Reichtum
ins Unermessliche gesteigert haben. In
den letzten 30 Jahren hat 1% der reichsten
US-Haushalte ihren Anteil am
Gesamtgewinn verdoppelt, d.h., von 8%
Ende der 70. Jahre auf 17% heute.
Angesichts des offensichtlichen Debakels
des neoliberalen Paradigmas behaupten
einige bürgerliche Ökonomen,
sowohl Liberale als auch Keynesianer, wie
der amtierende Nobelpreisträger für Wirtschaft
Paul Krugman, der Grund für die
aktuelle Krise sei die fehlende staatliche
Regulierung im amerikanischen und globalen
Finanzsystem. Sie begründen diese
Erklärung mit der unumstrittenen Tatsache,
dass die Finanzierung der Wirtschaft
in den letzten 30 Jahren ein
beispielsloses Niveau erreicht hat und,
damit verbunden, haben ausgefeilte spekulative
Instrumente zugenommen, die in
einem komplexen Geflecht gipfelten, auf
dem die Spekulationsblase der Subprime-Hypotheken basierte. Für die heutigen
Neokeynesianer impliziert der Ausgang
aus der Krisis die Rettung des Systems
durch den Staat, d.h., eine Geldspritze
von Abertausenden von Millionen Dollars
aus den Mitteln der öffentlichen
Hand, die jedoch von Maßnahmen begleitet
werden sollte, die der Finanzspekulation
gewisse Grenzen setzen. Einige
behaupten auch, es sei notwenig,
die Schuldner zu retten. Die wenigsten
schlagen die Rückkehr zu einer Art
„Wohlfahrtstaat“ vor, begleitet von der
Notwendigkeit einer ähnlichen Politik wie
dem New Deal, der US-Präsidenten
Roosevelt 1933 umgesetzt wurde. Dabei
verschweigen sie natürlich, dass dieser
Plan nur begrenzte Erfolge zeitigte und
dass die wahre Erholung der US-Wirtschaft
erst mit ihrer Vorbereitung auf den
Eintritt in den 2. Weltkrieg erfolgte. Viele
dieser Denker, die in den „progressiven“
amerikanischen Sektoren zu finden sind,
hoffen darauf, dass die Regierung
Obamas auf den Druck von links durchlässiger
reagieren wird. Sie tun dies, obwohl
Obamas Wahlprogramm weit davon
entfernt ist, Maßnahmen anzuvisieren,
die auch nur im Entferntesten mit dem
New Deal zu tun haben. Außerdem war
Obama einer der Hauptverteidiger des
Rettungsplans der US-Banken, welcher
letztendlich vom US-Kongress gebilligt
wurde. Seine Wirtschaftsberater für die
Ìbergangszeit sind Ex-Mitglieder des
Regierungsteams von Clinton - unter
dessen Amtszeit die Wirtschaft weiterhin
den Parametern folgte, welche von der
konservativen Restauration Reagans und
Bush Vater eingesetzt worden waren- oder
Milliardäre wie Warren Buffet .
Der Keynesianismus, mit oder ohne
"Wohlfahrtstaat", ist eine der großen Illusionen,
die der Kapitalismus in der
Nachkriegszeit zu nähren pflegte. Diese
geht davon aus, dass es möglich sei, ein
harmonisches Wachstum in Gang zu halten,
welches durch staatliche Interventionen
reguliert wird. Letztere solle die
strukturellen Tendenzen des Kapitalismus,
die im Endeffekt zu Krisen führen,
neutralisieren. Die Wirtschaftskrise von
1973-1975 bewies jedoch, dass es nicht
möglich war, die kapitalistische Dynamik
zu bremsen, und dass nach dem
„Wirtschaftsboom“ sich eine Tendenz
zum Fall der Profitrate einstellte. Das Ergebnis
davon war die Krise und in der
Folge die neoliberale Wende als kapitalistische
Antwort, um dieser Tendenz
entgegenzuwirken. Ein weiteres gutes
Beispiel ist Japan, wo die staatliche Intervention
in großem Umfang es nicht
schaffte, die Wirtschaft aus der Stagnation, in die sie in den 90. Jahren eingetreten
war, zu führen.
Nichts liegt entfernter als das, was
die Anhänger des staatlichen
Interventionismus denken, nämlich dass
der Staat ein Schiedsrichter oder ein neutraler
Agent sein kann. Henry Paulson
zum Beispiel, unter Bush Finanzminister,
war Präsident von Goldman Sachs
ebenso wie Robert Rubin, wer den gleichen
Posten unter Clinton innehatte.
Sowohl die Republikanische als auch die
Demokratische Partei verfolgen die Interessen
der Finanzoligarchie, wie die Geldbeiträge
von Wall Street an Obamas Wahlkampagne
und die entscheidende demokratische
Hilfe für den von Paulson vorgeschlagenen
Rettungsplan zeigen. Im
Allgemeinen zeigt die Rettung der Banken
und der Sektoren, die den Reichtum
konzentrieren, dass der Staat „nur ein
Ausschuss, der die gemeinschaftlichen
Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse
verwaltet“ ist: In guten Zeiten garantiert
er ihnen die Rentabilität, in Krisenzeiten
versucht er, sie vor dem Bankrott zu retten.
Dies stellt keine Neuigkeit dar. Wie
Karl Marx bereits vor mehr als 150 Jahren
sagte, ist dies die Essenz des kapitalistischen
Systems: die private Aneignung
der Profite zu gewährleisten und die Verluste
zu sozialisieren. Und in dieser Hinsicht
gibt es keine Unterschiede zwischen
Neoliberalen und Neokeynesianern.
Warum ist das Ausmaß der Krise
so tiefgreifend?
Die Subprime-Krise des USamerikanischen
Hypothekenmarktes war
ein erster Ausdruck der internen und externen
Ungleichgewichte innerhalb der
US-amerikanischen Wirtschaft, die den
letzten Wachstums-Zyklus der globalenÖkonomie bestimmten. Und, mehr noch:
der Auslöser dieser Krise, die die Grundlagen,
auf denen der Kapitalismus in den
letzten 30 Jahren aufbaute, in Frage stellt.
Intern lebte der US-Kapitalismus in
den letzten Jahren von der Verschuldung,
jenseits der Rückzahlungsmöglichkeiten
von Millionen von Haushalten, außerdem
von der zunehmenden Verschuldung
der Unternehmen und des Staates
selbst. In diesen Jahren waren die Vereinigten
Staaten der Endverbraucher von
Waren, die in verschiedenen Teilen der
Welt fabriziert wurden, vor allem von chinesischen
Exporten, was zu einer Erhöhung
ihres Handelsbilanzdefizites führte.
Das Wachstum des privaten Konsums
wurde durch die Ausweitung des
Kreditsystems und des fiktiven Kapitals ermöglicht, hervorgerufen durch die fabelhafte
Entwicklung der Börsen-,
Derivatenmärkte etc. Dies führte zu einem
„Reichtums-Effekt“, welcher einen
doppelseitigen Zweck verfolgte:
einerseits begünstigte er das Bankengeschäft,
das einen erheblichen Anteil an
Gewinnen durch die Zinszahlungen erlangte,
und reduzierte andererseits
gleichzeitig die negative Sparquote der
Privathaushalte.
Die nordamerikanische Verschuldung
konnte sich dank der Finanzierung durch
andere Staaten aufrechterhalten, so
insbesondere durch China, Japan und die
Erdöl exportierenden länder, die in US-
Staatsanleihen investierten und einen
großen Teil ihrer Währungsreserven in
Dollar besitzen. Diese Art der Finanzierung
konnte aufrechterhalten werden, da
die USA, wenn auch vom Niedergang
bedroht, doch die alleinige hegemoniale
imperialistische Macht darstellen und der
Dollar nach wie vor die globale
Währungsreserve ist. Doch gleichzeitig
bedeutet dies, dass die USA von den Entscheidungen
anderer Regierungen über
ihre Reserven abhängig sind - ein klares
Zeichen dafür, dass diese Hegemonie
krisenhaft geworden ist.
Diese Schulden- und Kreditspirale,
die auf kurze Sicht einen „Reichtums-Effekt“
erzielte und die globale Wirtschaft
ankurbelte, ist nun nicht mehr aufrechtzuerhalten.
In nur wenigen Monaten
wurde aus einer Immobilien- und
Hypothekenkrise eine Krise der großen
Investmentbanken in New York und breitete
sich auf das globale Finanzsystem
aus, bis sie schließlich zu einer Krise der
gesamten kapitalistischen Wirtschaft
wurde.
Es handelt sich hier nicht, wie einige
behaupten, um eine nur zyklische Krise,
die nach einer Phase der Angst wieder
zu einem neuen Gleichgewicht übergeht.
Es ist vielmehr die logische Konsequenz
der Mechanismen, durch die der Kapitalismus
aus seiner Ìberproduktionskrise
der 1970er Jahren herausfand, die das
Ende des Nachkriegsbooms bedeutete.
Unter den bürgerlichen Ökonomen
finden sich diejenigen, die davon ausgehen,
dass trotz der Dramatik dieser Krise
die relative Stärke der US-Wirtschaft (obwohl
sie immer mehr abnimmt, macht sie
noch 25% der globalen Wirtschaft aus),
die Erhöhung der Arbeitsproduktivität in
den letzten Jahrzehnten, technologische
Innovationen und die Tatsache, dass
keine Macht den USA letztendlich ihre
Hegemonie streitig machen kann, es den
USA erlauben werden, sich wieder zu erholen und sogar von der aktuellen Situation
zu profitieren. Andere wiederum sind
der Auffassung, dass die USA ihre Vormachtstellung
im globalen Kapitalismus
verlieren wird, China und die Dynamik
seiner Wirtschaft.
Innerhalb der Linken gehen einige
davon aus, dass die neoliberale Phase,
insbesondere der Zeitraum der 90. Jahre,
einen lang anhaltenden kapitalistischen
Aufschwung ausgelöst hatte, d.h. der
Kapitalismus es während einer langen
historischen Periode geschafft hatte, die
Widersprüche zu überwinden, die zu früheren
Systemkrisen geführt hatten. Faktoren,
die meist in diesem Zusammenhang
genannt werden, sind die zunehmende
ökonomische und finanzielle
„Globalisierung“ und die Existenz einer
neuen „technologischen Revolution“,
aber vor allem auch die Restauration des
Kapitalismus in den ehemaligen bürokratisierten
Arbeiterstaaten, insbesondere in
China, die eine entscheidende Rolle im
globalen Kapitalismus als Lieferant von
billigen Arbeitskräften spielen. Nach die-
ser Auslegung schafften es die restaurativen
Prozesse, die Aussichten für das
kapitalistische System als Ganzem für einen
bestimmten Zeitraum der Geschichte
zu erneuern und jede Negierung die-
ser Tatsache als „stagnatistische“ Vision
des Kapitalismus und
„katastrophistisch“ aus politischer Sicht
zu verurteilen. Die gegenwärtige sei also
nur eine vorübergehende Entschleunigung,
die nicht die generell aufsteigende
Dynamik aufhalte.
Doch anders als das Wachstum der
Ëœ, das durch eine massive Zerstörung
der Produktivkräfte in den 30er Jahren
und durch den Weltkrieg ermöglicht wurde,
beinhaltete der Ausweg aus der Krise
der 70er Jahre nur eine teilweise Bereinigung
des Kapitals. Die „neoliberale“
Offensive, die zu Beginn der Präsidentschaft
von Reagan und Thatcher startete,
beinhaltete eine brutale Erhöhung der
Ausbeutungsrate der Arbeiter, sowohl in
den zentralen, als auch in den halbkolonialen
ländern, wo massive Privatisierungen
und die Öffnung der nationalen
Volkswirtschaften für den kapitalistischen
Imperialismus durchgesetzt wurden.
Die günstigen Bedingungen für das
Kapital nach der Niederlage des revolutionären
Aufstiegs von 1968/81 vertieften
sich noch mit dem Fall der Berliner
Mauer und der Restauration des Kapitalismus
in den ehemaligen Arbeiterstaaten,
vor allem in Russland und China, indem
vor allem China die Umlaufbahn der kapitalistischen
Welt mit billigen Arbeitskräften
versorgte, was den Verfall der Preise für die Arbeitskraft in der ganzen Welt
förderte. Gemeinsam mit anderen indirekten
Mechanismen wie dem Rückgang der
Rohstoffpreise, der Deregulierung der
Märkte und einer neuen internationalen
Arbeitsteilung im Rahmen der stärkeren
Internationalisierung und dem Aufschwung
der Finanzwirtschaft erlaubten
sie (wenn auch auf niedrigerem Niveau
als während des Nachkriegsbooms) einen
Aufschwung der Gewinnrate.
Allerdings war dieser Zustand der
Wirtschaftlichkeit nicht - mit der Ausnahme
von China - mit einer dauerhaften
und nachhaltigen Erhöhung der Kapitalakkumulation
verbunden. Vielmehr führte
er dazu, dass das Entstehen einer Reihe
von produktiven Nischen mit demÌberlaufen von anwachsenden Massen
des Kapitals in spekulative Geschäfte
zusammentraf. Dadurch wurde zum einem
eine noch nie da gewesene Hypertrophie
des Finanzsektors sowie die anschließende
Entstehung von Spekulationsblasen
hervorgerufen, die für eine kurze Zeit
durchaus große Gewinne einbrachten.
Nach der Asien-Krise bestand die Politik
der US-Federal Reserve in der Senkung
der Zinssätze und reichlicher Liquiditätsspritzen
für das Bankensystem. Dies führte
zu Entstehung der „dot com“-Blase
und, in Worten des damaligen Vorsitzenden
der US-Notenbank, Alan Greenspan,
ausgedrückt, zu der „irrationalen Ìberfüllung
der Märkte.“
Nach dem Platzen der Blase der „New
Economy“ im Jahr 2000 und den Angriffen
des 11. September verfiel die US-Wirtschaft
in eine Rezession, die eine neue
Blase schuf: Der Immobilien-Boom und
die weitere Erleichterung der Kreditvergabe
an Verbraucher, begleitet von
einer Diversifizierung und Komplexität
der Finanzinstrumente, wie z. B. Leverage
und den Verkauf der Schulden-Pakete,
ermöglichten den großen Gewinn von
Banken und Investmentfonds.
Das tiefgreifende Ausmaß der gegenwärtigen
Krise, das den Vergleich mit dem
Crack von 1929 und der Großen Depression
erlaubt, entstand, da die zwei Trends,
auf denen der Neoliberalismus basierte der
Anstieg des absoluten und relativen
Mehrwerts und die Einbeziehung neuer
Gebiete in die kapitalistische Ausbeutung
zusätzlich zum Aufschwung der Finanzwirtschaft
(alles Faktoren, die mindestens
ein Vierteljahrhundert wirkten) letztendlich
als Bühne für eine neue, lang
andauernde Periode des kapitalistischen
Wachstums scheiterten.
In diesem Sinne ist es richtig, dass
der „Neoliberalismus“ beendet ist. Das ist aber noch nicht alles. Die skizzierte
Entwicklung verdeutlicht, dass die Mechanismen
der letzten Jahre gegen den
Rückgang der Gewinnrate keinen langfristigen
kapitalistischen Aufschwung
garantieren konnten, wie einige fälschlich
vorhersagten. Wir befinden uns nicht einfach
in noch einer der wiederkehrenden
Krisen, die sich während des „Neoliberalismus“
zeigten, sondern in einer,
die die historischen Krisen des gesamten
sozialen Systems offenbart, in der
sich in verschärfter Form der Widerspruch
zwischen der Sozialisierung der
Produktion und der privaten Aneignung
des gesellschaftlichen Reichtums zeigt.
Wir stehen vor einer dieser Situationen,
die - wie Alan Greenspan selbst sagte –
„nur einmal im Jahrhundert“ auftreten.
Der Kapitalismus wird versuchen,
dieser Krise zu entkommen, indem er
Mechanismen ergreift, die seine Rentabilität
wiederherstellen: die Geldentwertung
und die Erhöhung des Mehrwertes.
Die Krise löst auch einen unbarmherzigen
Wettbewerb zwischen den Kapitalisten
darum aus, wer im Besitz der Ìberbleibsel
der Unternehmen und zusammengebrochenen
Banken zu Ausverkaufspreisen
bleibt, was zu einer
neuen Konzentration des Kapitals führt.
In den Vereinigten Staaten z.B. führt die
Krise bereits zu einer Neustrukturierung
des Bankensystems. Vier große Banken,
JP Morgan, Citigroup, Bank of America
und Wells Fargo haben 50% der Ersparnisse
des Landes konzentriert, indem sie
den Zusammenbruch ihrer Konkurrenten
genutzt haben. Dies hat dennoch nicht
verhindern können, dass die Aktien von
Citigroup Mitte November in den Keller
rutschten und die Gruppe die Entlassung
von nicht weniger als 50.000 Arbeitern
angekündigt hat.
Dieser kapitalistische Wettbewerb
wird sich früher oder später in Konkurrenz
und heftigen Konflikten zwischen
den imperialistischen Staaten äußern.
Noch befinden wir uns nicht in einer Situation
großer Auseinandersetzungen
zwischen den wichtigsten Mächten.
Doch bereits 2002/2003 konnten wir in
einer bezogen auf die Weltwirtschaft
weniger problematischen Phase während
der Vorbereitung auf den Zweiten Golfkrieg
dem ersten großen diplomatischen
und geopolitischen Zusammenstoß zwischen
den Vereinigen Staaten einerseits
und dem Frankreich Chiracs und dem
Deutschland Schröders andererseits beiwohnen.
Deshalb können wir davon ausgehen,
dass durch eine Vertiefung der
Krise und der internen und externen Offensive,
die die imperialistischen Bourgeoisien in Gang setzen werden, um
einen Ausweg aus dem Dilemma zu fin-
den, diese Situation notwendigerweise zu
zunehmenden Spannungen zwischen
den wichtigsten Mächten führen wird.
Dies kann man bereits jetzt daran erkennen,
wie die Interessen der imperialistischen
Mächte, repräsentiert durch ihre
multinationalen Firmen und einander
feindlich gesonnener lokaler Fraktionen,
in verschiedenen Randgebieten der halbkolonialen
Welt, angefangen von der
Region der Großen Seen (v.a. im Osten
der demokratischen Republik Kongo)
und am Horn von Afrika (Somalia), aufeinandertreffen.
Diese Szenarien lassen
eine im Vergleich zur Vergangenheit beschleunigte
Zunahme der interimperialistischen
Widersprüche voraussagen.
Es steht außer Zweifel, dass ein
neuer historischer Zeitraum begonnen
hat, der sich durch eine Verschärfung der
zwischenstaatlichen Spannungen und
des Zusammenpralls der herrschenden
Klassen auszeichnen wird.
Die Krise der US-Hegemonie
Die Wirtschaftskrise tritt gemeinsam
mit einer bedeutenden Schwächung der
Position der Vereinigten Staaten als einziger
Supermacht auf, was den Verfall ihrer
Hegemonie beschleunigt. Nach den
Attentaten des 11. November starteten
die Regierung Georges Bush und das
neokonservative Establishment eine
offensive Außenpolitik, die sich v.a. aufmilitärische Ìberlegenheit stützte, um die
Herrschaft der USA in der Welt zu stärken.
Dabei begannen sie mit der „Neuordnung“
des Nahen Ostens. Gemäß den
Falken des nordamerikanischen Imperialismus
hatten die Vereinigten Staaten trotz
ihrer unangetasteten Vormachtstellung in
den 90. Jahren den Sieg über die Sowjetunion
im Kalten Krieg nicht ausreichend
genutzt, um ihre Rolle als einzige Weltmacht
zu sichern. Dies bedeutete nicht
nur, den halbkolonialen und abhängigen
ländern, sondern auch den übrigen, mit
den USA im Wettstreit liegenden imperialistischen
Mächten ihre Interessen aufzuzwingen.
Die Einsetzung der Doktrin
des „Verteidigungskrieges“ diente der
Erreichung dieser Ziele und schrieb eine
offensive imperialistische Politik fest, die
auf dem Unilateralismus und der relativen
militärischen Ìbermacht beruhte.
Der sogenannte „Krieg gegen den
Terrorismus“ hat sich jedoch als strategisches
Desaster erwiesen und den Niedergang
der nordamerikanischen Hegemonie
beschleunigt. Der Krieg gegen den
und die Besetzung des Irak, die dazu dienten,
die Politik des Mittleren Ostens neu zu gestalten, indem noch USA und Israel
freundlichere Regierungen in den wichtigsten
ländern der Region mit großer
geopolitischer und wirtschaftlicher Bedeutung
für die USA eingesetzt wurden,
hat sich als Debakel für die imperialistischen
Truppen herausgestellt.
Die ungewollte Folge des Irakkrieges
war die Erstarkung des Iran, dem Hauptgegner
der USA in dieser Region, der sich
zu einer Regionalmacht entwickelt hat.
Wegen seines Einflusses auf die schiitischen
Fraktionen, die den Irak regieren,
ist er heutzutage für die Pläne Washingtons
unerlässlich, eine relative Stabilität
in diesem Land aufrechtzuerhalten, um
Szenarien eines unkontrollierbaren Bürgerkrieges
und Attacken gegen die imperialistischen
Truppen zu verhindern.
Ein weiterer Hauptaspekt der Politik des
Georges Bush, um die Situation im Irak
zu entschärfen, bestand darin, die Zusammenarbeit
der sunnitischen Gruppen, die
bis dahin der Besatzung widerstanden
hatten, zu erreichen. Im Gegenzug dazu
erhielten diese Gruppen Geld und es wurde
ihnen versprochen, sie in den
Staatssicherheitsapparat zu integrieren.
Diese doppelbödige Politik ist Quelle
häufiger Spannungen.
In Afghanistan haben die Truppen
der UNO die Kontrolle über das Land
verloren. Das Regime, das von Karzai
angeführt wird, ist höchst unbeliebt und
wird nur durch den nordamerikanischen
und europäischen Militärschutz aufrechterhalten.
Die Taliban und andere
„Kriegsherren“ haben ihre soziale und
territoriale Basis im Land wiederhergestellt.
Der Kriegsschauplatz hat sich auf
Pakistan ausgedehnt, und nachdem es
sich den Vereinigten Staaten im „Kampf
gegen den Terrorismus“ angeschlossen
hatte, kam es zu einem bedeutenden Aufleben
gegnerischer, islamistischer Organisationen,
die stark im Volk verankert
sind. Nach dem Fall des mit Washington
verbündeten Diktators Parvez Musharraf
haben sich die bewaffneten Aktionen der
Verbündeten der Taliban und auch die
imperialistischen Bombardierungen in
den Grenzgebieten verstärkt, was zu einer
höchst instabilen Situation geführt
hat.
Pakistan verfügt ebenso wie Indien
über Atomwaffen. In den letzten Jahren
war es den Vereinigten Staaten gelungen,
die historische Feindschaft zwischen
beiden ländern zu verringern. Diese ist
nun jedoch wieder neu entfacht und äußert
sich v.a. im Kaschmirkonflikt. Die
Regierung Bush scheint geneigt, sein
Bündnis mit Indien, mit dem es einen
Nuklearpakt geschlossen hat, zu erneuern. Pakistan hat darauf geantwortet, indem
es seine militärischen Beziehungen
mit dem chinesischen Regime gefestigt
hat.
Die Krise im Kaukasus ihrerseits, die
ausgelöst wurde durch den Konflikt zwischen
Russland und Georgien, dessen
Regierung Ergebnis der von den Vereinigten
Staaten vorangetriebenen so genannten
„bunten Revolutionen“ ist, hat
die nordamerikanische Schwäche und
das Entstehen regionaler Mächte verdeutlicht.
Hierzu zählt z.B. der wieder erstarkte
russische Staat, der, wenn nicht
um die Vorherrschaft in der Welt, so doch
um seine „Einflusszonen“ kämpft. Die-
ser kurze Konflikt antizipierte bereits die
geopolitischen Spannungen, die mit Sicherheit
zunehmen werden, wenn sich die Wirtschaftskrise
verschärft.
Nach acht Jahren republikanischer
Regierung
gründen sich im Moment
alle Hoffnungen auf den
Regierungswechsel in den
Vereinigten Staaten und
darauf, die Person Obamas
zu nutzen, um neue Legitimität
zu gewinnen. Es ist
jedoch offensichtlich, dass
das Ausmaß der Krise dem
neuen Präsidenten die
Möglichkeit eröffnet, das wahre Gesicht des imperialistischen
Regimes sowohl innerhalb als
auch außerhalb des Landes zu vertuschen
angesichts des großen Prestigeverlustes
der Bush-Regierung.
Seit dem Zweiten Weltkrieg waren die
zwei Pfeiler der nordamerikanischen Hegemonie
das Pentagon und der Dollar als
einzige Referenzwährung. Der Dollar und
die Wertpapiere des nordamerikanischen
Finanzministeriums wurden auch in den
Monaten seit der Finanzkrise als sicherste
Option betrachtet, was zu ihrer Aufwertung
geführt hat. Diese Tatsache lässt
sich zum Teil dadurch erklären, dass der
Euro nicht als Ersatzwährung fungieren
kann und noch immer das „Erbe“ der wirtschaftlichen,
politischen und militärischen
Stärke der USA als Supermacht
vorherrschen. Dennoch stellt das Ausmaß
der Krise der nordamerikanischen
Wirt schaft zum ersten Mal die Vereinbarungen
von Bretton Woods in Frage, d.h.
die Rolle des Dollar als internationale
Reservewährung. Die Vormachtstellung
des Dollar ersetzte die des Pfund und
setzte sich als Teil eines wirtschaftlichen,
politischen und militärischen Gleichgewichtes
durch, das die kapitalistische
Welt seit dem Zweiten Weltkrieg beherrschte.
Die Parität Dollar-Gold, die 1944 in
den Verträgen von Bretton Woods festgelegt
wurde, zerbrach und wurde 1973
durch ein System freier Wechselkurse
ersetzt, das es der nordamerikanischen
Wirtschaft erlaubte, ihre Wettbewerbsfähigkeit
gegenüber Deutschland und
Japan wiederzuerlangen.
Nach Aufgabe der fixen Dollar-Goldrelation
stützten nur noch die wirtschaftliche
und politische Stärke der Vereinigten
Staaten den Dollar. Während der Jahre,
in denen die erste imperialistische
Macht als Käufer in letzter Instanz agierte,
flossen Millionen von Dollar aus der
ganzen Welt, um die nordamerikanische
Verschuldung zu finanzieren. Dadurch wurde der Wert des Dollars gestützt. Jetzt
wird sich diese Situation ändern. Aber
anders als der Ausgang der Krise der britischen
Hegemonie, die nach zwei Weltkriegen
mit dem Aufstieg der Vereinigten
Staaten als Hegemonialmacht endete,
existiert heutzutage kein Land oder imperialistischer
Block, der in der Lage wäre,
die Vorherrschaft in der Welt zu beanspruchen.
Es ist jedoch abgesehen von konjunkturellen
Schwankungen wahrscheinlich,
dass die Welt sich auf eine
Fragmentierung in verschiedene Zonen
zu bewegt, in denen verschiedene Währungen
vorherrschend sein werden. Auch
eine Neuaufteilung der Allianzen und
Machtblöcke gehört dazu. Dieses Szenario
einer Krise der imperialistischen Vorherrschaft
in der Welt wird das Entstehen
regionaler Konflikte begünstigenund eine neue Ära großer Instabilität und
zwischenstaatlicher Spannungen auf internationalem
Niveau zur Folge haben.
Diese Situation einer wirtschaftlichen
und politischen Krise wird zu einer
Zuspitzung der Klassenkämpfe und zu
einer tiefgreifenden sozialen und politischen Polarisierung führen, was sich
bereits jetzt antizipieren lässt. Zusammengefasst
handelt es sich bei den Bedingungen,
die sich zu Beginn dieser Krise
herauskristallisieren, um eine Neuauflage
der Definition, die die Marxisten zu
Beginn des 20. Jahrhunderts von der imperialistischen
Ära als Ära der Krisen,
Kriege und Revolution vornahmen.
Die Krise eröffnet neue
Möglichkeiten für Revolutionäre
Die drei Jahrzehnte, gekennzeichnet
vom Neoliberalismus und dem Rückgang
der Arbeiterbewegung, veranlassten viele
dazu zu denken, dass der Kapitalismus
unbesiegbar geworden sei, und aus die
Reihen der Marxisten und der revolutionären
Linke zu verlassen.
Der Kollaps der stalinistischen Re-
gime, der Untergang der Sowjetunion
und die Restaurierung des Kapitalismus
verursachten einen Rückgang des Einflusses
des Marxismus als Ideologie und
politischer Strömung. Nicht nur die Sozialdemokraten,
sondern auch die
Gewerkschaftsbürokratie und politische
Parteien stalinistischer Herkunft verzichteten
auf jegliche Referenz zum Marxismus
und Sozialismus und verfolgten
neoliberale politische Richtlinien ebenso
wie die Regierungen der herkömmlichen
rechten Parteien. Sogar große Teile der
Intellektuellen, die sich am Marxismus
orientierten, gaben ihm eine
unhistorische Bedeutung aufgrund der
Gegentendenzen des Kapitalismus, um
Krisen zu vermeiden. Auf diese Art und
Weise trugen sie zur Verankerung der
Idee bei, dass der Kapitalismus solch eine
Entwicklung-sei es durch die
Globalisierung, die Flexibilisierung der
Arbeitskräfte, die Erneuerung der Technologie
oder andere Gründe- erreicht
habe, dass die Krisen eine Sache der Vergangenheit
seien. Der britische marxistische
Historiker Perry Anderson formulierte
zu Beginn des 21. Jahrhunderts,
dass der Sieg und die Ausbreitung des
Neoliberalismus zu einem Kräfteverhältnis
geführt hätten, dass nur eine
tief greifende wirtschaftliche Krise im
Westen verändern könnte. Für diesen
Sachverhalt wählte er folgende Worte: „
Nur eine Wirtschaftskrise von vergleichbarem
Ausmaß mit der des Zeitraumes
zwischen den beiden Weltkriegen wäre
in der Lage, die Grundpfeiler des aktuellen
Konsenses zu zerstören“. Er sagtedies, um ohne wirkliche Ìberzeugung
darauf hinzuweisen, dass nur ein undenkbares
Ereignis zumindest kurzfristig die
Fundamente der kapitalistischen Ordnung
erschüttern könne. Dieses Ereignis war jedoch sehr nah. Die Krise des
bürgerlichen „Konsenses“, die in den
vorangegangenen Jahren vorgeherrscht
hat, eröffnet neue Aussichten für den
Wiederaufbau der Arbeiterbewegung auf
internationalem Niveau und für die Entwicklung
revolutionärer Parteien. Es hat
sich erneut gezeigt, dass der Kapitalismus
nicht in der Lage ist, seine Widersprüche
zu überwinden. Oder, um genauer
zu sein, dass die lösungen, die das Kapital
gefunden hat, um die Krisen der letzten
Jahre zu überwinden, eine „Flucht
nach vorn gewesen ist“, die den Ausbruch
der aktuellen Krise vorbereitete.
Um mit Trotzki zu sprechen, können wir
sagen, dass „die Zusammenbruchstheorie
über die Theorie der friedlichen
Entwicklung triumphiert hat.“2 Es ist offensichtlich,
dass wir uns am Anfang von
Ereignissen historischer Bedeutung be-
funden, deren Auswirkungen wir nur in
sehr allgemeiner Form voraussehen können.
Die Krise von 1929 eröffnete ein Jahrzehnt
voller Katastrophen, mit großer
Unstabilität, mit einer internationalen
Handelskrise und mit revolutionären Prozessen.
Die Situation ebnete den Weg für
(den Ausbruch) des Zweiten Weltkrieges.
Angesichts des wirtschaftlichen Verfalls
begannen die kapitalistischen Staaten,
ihre Kriegsvorbereitungen zu treffen.
In Deutschland konnte 1933 Hitler an die
Macht gelangen. , nachdem die Arbeiterklasse,
verraten von den Sozialdemokraten
und Stalinisten, geschlagen worden
war. In den USA wurde im Gegensatz dazu
der New Deal von Präsident Roosevelt
mit zwei Absichten durchgesetzt.
Einerseits sollte der nordamerikanische
Kapitalismus wieder belebt, andererseits
sollte die Radikalisierung der Arbeiter und
der armen Massen verhindert werden,
die unter einer Arbeitslosigkeit von 25%
zu leiden hatte. Als der New Deal sich
jedoch als unfähig erwies, die Wirtschaft
wieder zu beleben, zögerte Roosevelt
nicht, eine Wendung hin zur kriegsorientierten
Wirtschaft zu machen, was
zur Erholung der Wirtschaft beitrug.
Die proletarische Revolution war der
andere Faktor, der in den bewegten 30er
Jahren die Entwicklung vorantrieb. Zu
nennen wären der spanische Bürgerkrieg
und die große Welle an Streiks und
Fabrikbesetzungen in Frankreich, die mit
der Regierung des „Front populaire“
(Volksfronts) endete. Sogar in den USA,
wo die Arbeiterklasse im Rückstand war,
entwickelte sich eine gewaltige Bewegung
von Arbeitslosen, entstand eine
kämpferische Gewerkschaftsbewegung,
die sich um den CIO sammelte. Außerdem organisierte die Arbeiterklasse historische
Streiks wie den der Teamsters
von Minneapolis 1934, wo Trotzkisten
eine wichtige Rolle spielten.
Obgleich sich die Geschichte nicht
wiederholt, ist es dennoch auch, dass Krisen
dieser Bedeutung die Bedingungen
(Voraussetzungen) der Stabilisierung des
Systems entstellen. Und wenn dies passiert,
eröffnen sich günstige Szenarien für
den Klassenkampf und für schwerwiegende
Kämpfe zwischen den Staaten, einschließlich
Kriege und Revolutionen.
Wir Revolutionäre müssen uns vorbereiten,
um in dieser neuen historischen
Periode zu agieren, deren Konturen allmählich
sichtbar werden, und zwar in
Abhängigkeit davon, wie die herrschende
Klasse reagiert, um die Krise zu überwinden,
aber auch in Abhängigkeit von
der Reaktion der Massen -in einem Zeitalter,
in dem sich für Millionen auf der
ganzen Welt die Irrationalität dieses
Sozialsystems zeigt.
Die Krise verschiedener lateinamerikanischer
neoliberaler Regierungen, die
die Situation, die heute überall anzutreffen
ist, antizipierte, führte seit Anfang
dieses Jahrzehnts zu einer andauernden
Tendenz zu direkter Handlung, die in einigen
ländern mit dem Sturz von Regierungen
geführt hat, wie z.B. in Bolivien
mit den revolutionären Aufständen oder
in Argentinien 2001, wo die Aufstände
die Regierung De La Rúas beendeten.
Diese Antwort auf die wirtschaftliche
Krise hinterließ der internationalen Arbeiterklasse
wertvolle Erfahrungen. In
Argentinien beispielsweise hat die Krise
die Entstehung einer organisierten
Arbeitslosenbewegung hervorgebracht,
die auf radikale Kampfmethoden wie das
Phänomen der Fabrikbesetzungen zurückgriff.
Diese Fabriken wurden danach
von den eigenen Arbeitern in Betrieb
gesetzt. Die Eigenkontrolle und Eigenführung
von Zanon ist und bleibt dabei
die fortschrittlichste Erfahrung.
Diese Situation konnte teilweise
durch den Aufstieg „progressiver“ Regierungen
umgelenkt werden, indem es
ihnen gelang, sich eine Basis unter den
Volksmassen zu schaffen vor dem Hintergrund
einer wirtschaftlichen Erholung
aufgrund der weltweiten Erhöhung der
Rohstoffpreise. Das Wirtschaftswachstum
hatte eine dämpfende Wirkung
auf die Spannungen zwischen den Klassen.
Diese Bedingungen existieren jedoch
nicht mehr.
Die Krise wird auf globaler Ebene
sicherlich die Reaktion der Arbeiter und Massen vervielfachen sowie staatliche
Repression und bürgerliche Alternativen
verstärken, die eine größere
Disziplinierung der Unterdrückten anstreben.
Ein erster Ausdruck des Widerstands
waren der Streik in Belgien inmitten des
Zusammenbruchs der Aktienmärkte, der
die Anpassung der löhne an die Inflation
forderte, der Generalstreik in Griechenland
und der massive Kampf der Studierenden
und Arbeiter in Italien gegen die
Kürzungen der Berlusconi-Regierung. Im
spanischen Staat ist ebenso eine deutliche
Reaktion zu sehen, wie die Aktionen
der Nissan Arbeiter gegen ihre Entlassungen
und die Studentendemonstrationen
mit dem Ausruf „Die
Krise soll von den Kapitalisten getragen
werden“ zeigen. In Griechenland löste
der Tod eines Studenten durch die Polizei
Anfang Dezember 2008 eine wahre
nationale Rebellion aus, angeführt von
Arbeitern, Studierenden und Jugendlichen,
die für mehrere Tage der Polizei
entgegentraten und die Straßen der wichtigsten
Städte besetzten. Hinzu kamen ein
Generalstreik am 10. Dezember, Besetzungen
der Fakultäten und Gymnasien sowie
tägliche Demonstrationen, die den
Sturz der konservativen Regierung
Caramanlis forderten. Die Ereignisse in
Griechenland, Italien und Spanien, wo
Studierende Universitäten besetzten,
stellen unter Beweis, dass Studierende
und junge Arbeiter, die unter der
Flexibilisierung der Arbeit, Arbeitslosigkeit,
Ausgrenzung und Mangel an Perspektiven
leiden, ein großer Motor für den
Kampf der Unterdrückten in Europa sein
können. Die Studentenbewegung spielt
zur Zeit eine wichtige Rolle in den ersten
Aktionen des Widerstands und eröffnet
so die Möglichkeit, dass radikalisierte
Sektoren der Jugend das Beste aus den
Erfahrungen der „Anti-Globalisierungs-
Bewegung“ und darauf folgenden Antikriegs-
Aktionen wiederaufnehmen und
überwinden. Denn sie waren es – wenn auch noch im illusionären Glauben an
autonome oder reformistische Varianten – die die Straßen der Hauptstädte in den
imperialistischen ländern einnahmen, um
das Elend des zeitgenössischen Kapitalismus
anzuprangern.
Wir müssen uns darauf vorbereiten,
dass während die Regierungen und kapitalistische
Zusammenschlüsse versuchen
die Krise auf den Massen abzuladen,
diese Art von Klassenkonflikten
immer stärker werden und mit der zunehmenden
sozialen und politischen Polarisierung
einhergehen. Schon die Stärkung
der Positionen der extremen Rechten in
den imperialistischen ländern, die durch
rassistische Einstellungen ihren Hass auf
migrantische Arbeiter fokussieren, ist
eine Art Vorankündigung wie die Bourgeoisie
sich auf kommende polarisierte
Szenarien künftigen Auseinandersetzungen
vorbereitet.
Krise des Kapitalismus und
revolutionäres Programm
Mit der kapitalistischen Krise und der
Rezession entwickelt sich eine neue Katastrophe,
die das Existenzminimum von
Millionen von Arbeitern, verarmten Bauern
und Unterdrückten der Welt aufs
Spiel setzt.
Gleichzeitig offenbart die Krise die
Natur des Kapitalismus und zeigt eindeutig
auf, dass es ein zum Niedergang bestimmtes
System ist. In diesem verfügt
eine kleine Minderheit der Bevölkerung
von Unternehmern, Bankiers und Finanziers
über die wichtigsten Produktionsmittel,
halten den bürgerlichen Staat zu
ihren Diensten und häufen unvorstellbares
Vermögen an, indem sie Milliarden
von Menschen ausbeuten, die nur ihre
Arbeitskraft besitzen. In Zeiten des kapitalistischen
Wohlstands steigern sie die
Ausbeutungsrate ihrer Lohnsklaven, um
ihre Gewinnrate zu erhöhen, und in Zeiten der Krise treiben sie ihre Arbeiter in
Arbeitslosigkeit, Hunger und Verzweiflung,
um ihre Rentabilität zu wahren.
In diesem historischen Moment wird
das Ìbergangsprogramm zunehmend auf
der Tagesordnung stehen, und zwar nicht
nur als Propaganda-Instrument, sondern
als ein konkretes Aktionsprogramm un-
ter Berücksichtigung der Besonderheiten
des Klassenkampfes der verschiedenen
länder, dem Grad der politischen Reife
des Proletariats und der Entwicklung der
revolutionären Arbeiterorganisationen.
In der aktuellen Situation verschärft sich
der Widerspruch zwischen den objektiv
vorhandenen Bedingungen für eine revolutionäre
lösung und dem Rückstand
im politischen Bewusstsein der Massen.
Das Ìbergangsprogramm bildet in diesem
Kontext eine Brücke, damit die Unterdrückten
zu dem Schluss kommen,
dass es nicht darauf ankommt, für die notdürftige
Reparatur des kapitalistischen
Systems zu kämpfen, sondern für die
Machtübernahme in Arbeiterhand.
Selbstverständlich behaupten wir
nicht, dass es eine einzige Formel gäbe,
die den verschiedenen Situationen der
Arbeiterklasse in den verschiedenen ländern
und Regionen der Welt gerecht
würde. Aber bestimmte Forderungenmehr
oder weniger weit verbreitet-werden
durch die Krise zentral.
So greifen die Kapitalisten jedes Mal,
wenn ihre Gewinne zurückgehen, auf
Werksschließungen oder Massenentlassungen
und Lohnkürzungen zurück,
während sie gleichzeitig um staatliche
Unterstützung betteln, um ihre Unternehmen
vor dem Konkurs zu retten.
Die Arbeiter dürfen nicht zulassen,
dass die Kapitalisten wieder Millionen
von Arbeitern in die chronische Arbeitslosigkeit
sowie ihre Familien in eine elende
Existenz stoßen, während das Gespenst
der Arbeitslosigkeit von den Kapitalisten
genutzt wird, um die Arbeiter
zu ängstigen und Gehaltskürzungen vorzunehmen.
In Anbetracht dessen fordern wir die
gleitende Skala der löhne, d.h. ein von
der Inflation bereinigter Lohn, und die
Verteilung der Arbeitszeit auf alle verfügbaren
Arbeitskräfte, also die Verkürzung
der Arbeitszeit bei gleicher Bezahlung.
Angesichts der Gefahr von massiven
Betriebsschließungen fordern wir die
Öffnung der Bücher und die Enteignung
ohne Auszahlung eines jeden Unternehmens,
das schließt oder Entlassungen
vornimmt, und die Ìbernahme seiner Produktion unterArbeiterkontrolle und -führung.
Die wichtigsten kapitalistischen Staaten
stecken Milliarden von Dollar und
Euro in die Rettung der großen Banken
und Finanz-Elite und nennen dies „Verstaatlichung“.
Gegen diesen Betrug, der
auf dem massiven Transfer von Ressourcen
zu den Kapitalisten beruht, brauchen
wir eine echte Verstaatlichung ohne Entschädigungen
der Privatbanken und die
Vereinigung in einer Bank in Staatshand
unter Arbeiterkontrolle, die das
Kreditsystem in den Dienst der Arbeiter
und des Volkes stellt. Dies wiederum
verhindert die Kapitalflucht, vor allem in
die Halbkolonien, sowie die Enteignung
der kleinen Anleger durch Banken.
Begleitet werden sollte diese Maßnahme
durch die Verstaatlichung des
Außenhandels, um die Devisenflucht zu
verhindern, die sich oft in den halbkolonialen
und abhängigen ländern in
Form von Rücküberweisungen der Gewinne
von Tochtergesellschaften von
Industrieunternehmen und Banken vollzieht.
Weiterhin ist es notwendig, von den
Gewerkschaften einen Bruch mit ihrer
Unterordnung unter die kapitalistische
Politik zu fordern, um ein unabhängiges
Arbeiterprogramm aufzustellen, das die
Einheit in den Arbeiterreihen sicherstellt
und Beschäftigte und Arbeitslose,
Arbeiter mit und ohne Vertrag, verbindet.
Gerade in den imperialistischen ländern
müssen wir uns der Verteidigung der
Migranten annehmen, die die ersten sind,
auf deren Rücken die Krise ausgetragen
wird. Dabei sollte ihre Regularisierung
ohne Bedingungen und ein Ende aller
Anti-Einwanderungsgesetze gefordert
werden, so wie im spanischen Staat
unlängst gefordert wurde: „¡Nativa o
extranjera, una misma clase obrera!“
(„Ob einheimisch oder ausländisch, es ist
dieselbe Arbeiterklasse“)
Wir Revolutionäre intervenieren in
den Gewerkschaften und treten für eine
kämpferische Gewerkschaftsführung mit
Klassencharakter ein. Doch die Gewerkschaften,
von pro-unternehmerischen
Bürokratien geführt und durch den Staat
kooptiert, organisieren nur einen Teil der
Arbeiterklasse (meist der höheren
Schichten), während die überwiegende
Mehrheit in keinster Weise organisiert ist.
Dies vertieft die Spaltungen innerhalb der
Arbeiterreihen. Daher richtet sich die
Tätigkeit der Revolutionäre in den Fabriken
und Unternehmen auf eine Stärkung
der Organisationen, wie z.B. Streikkomitees
in Zeiten des Kampfes, Ausschüsse oder Fabrikkomitees innerhalb
der Fabriken, die alle Sektoren der Arbeiter
bündelt. Betriebsräte, die von allen
Fabrikarbeitern gewählt werden, sind
wirklich demokratische Organisationen,
und indem sie alle Arbeiter des Betriebs
oder der Einrichtung vertreten, bilden sie
ein „Gegengewicht“ oder eine Art
„Gegenmacht“ zur Macht der
Arbeitgeberorganisationen.
Die bevorstehenden Kämpfe zeigen
auch die Notwendigkeit einer Entwicklung
von Einheitsfronten auf, umgesetzt
in Organisationsformen, die die Arbeiter
unabhängig von ihrem beruflichen Status
zusammenführen. So entstehen Räte
oder Komitees, die sich in ihrer Entwicklung
zu wahrhaften Embryonen der
Arbeitermacht wandeln.
Die imperialistischen Mächte werden
versuchen, ihre Krise auf die unterdrückten
Völker abzuladen, indem sie die halbkolonialen
Staaten zur Verteidigung der
Interessen der großen nationalen Konzerne
weiter unterjochen. Darüber hinaus
werden sich die Vereinigten Staaten un-
ter US-Präsident Obama um einen Triumph
der Nato-Verbündeten in Afghanistan
bemühen, während sie einen geordneten
Rückzug aus dem Irak vollziehen
und dort eine pro-nordamerikanische
Regierung zurücklassen werden. Somit
muss der Kampf um den Rückzug der
imperialistischen Truppen aus dem Irak,
Afghanistan und im gesamten Nahen
Osten begonnen werden. Und in Lateinamerika
gilt es für die Beendigung des
Embargos gegen Kuba, gegen den „Plan
Colombia“ und gegen die Besetzung
Haitis durch die MINUSTAH- Truppen
zu kämpfen, die von der Regierung Lula,
Kirchner, Bachelet und Tabaré Vázquez
gestellt werden.
Als Revolutionäre vertrauen wir darauf,
dass die Erfahrung des Klassenkampfes
unser Programm wieder zu
Fleisch und Blut unter der Avantgarde
der Arbeiter und Massen werden lässt
und eine Alternative für alle Ausgebeuteten
aufzeigt, denen durch eine soziale
Revolution ermöglicht werden soll, eine
„Enteignung der Enteigner“ zu vollziehen - der einzige Weg, um die Barbarei des
Kapitalismus zu beenden.
Es ist nicht wahr, dass die bevorstehenden
Möglichkeiten sich auf die liberale
Demokratie oder einen bürokratisierten
Totalitarismus beschränken. Im zwanzigsten
Jahrhundert hat die Arbeiterklasse
ihr Werk, das in der Pariser Kommune
begann, weiterentwickelt und die Grundlagen
für einen Ìbergang zum Sozialismus
gelegt: einen neuen Staat mit der größtmöglichen Demokratie für alle Ausgebeuteten
und eine Gewaltherrschaft
nur über eine kleine Minderheit der ausbeutenden
Klassen und der imperialistischen
Reaktionäre. Mit der Beseitigung
der bürgerlichen Ordnung streben wir die
Schaffung eines auf Räten basierenden
Arbeiterstaates an, der den Pluralismus
aller Organisationen der Unterdrückten
garantiert. So würde auch ermöglicht, die
für den Kapitalismus typische „Anarchie
der gesellschaftlichen Produktionsweise“
durch die demokratische Planung der
Wirtschaft zu überwinden und „den Ver-
stand in die Sphäre der ökonomischen
Beziehungen“ einziehen zu lassen.
Wir stehen nun vor einer Situation,
in der sich der Kapitalismus stetig in
immer größeren Schritten selbst
delegitimiert und marxistische Ideen und
eine sozialistische Perspektive zum Bezugspunkt
für Millionen von Menschen
werden können, indem das reaktionäre
ideologische Klima, das nach dem Zusammenbruch
der Sowjetunion und dem
Fortschreiten der kapitalistischen Restauration
herrschte, umgekehrt wird.
Der Trotzkismus war die einzige Strömung,
die systematisch den Stalinismus
bekämpfte, der die Oktoberrevolution
von 1917 enteignete und das Regime der
Sowjets beseitigte, um es durch ein totalitäres,
bürokratisiertes Regime zu ersetzten.
Gegen den Sozialismus in nur einem
Land, gegen die Degenerierung des sowjetischen
Arbeiterstaates und gegen
das Einparteien-Regime im Dienste der
Privilegien einer Regierungskaste, Faktoren,
die, wie letztendlich deutlich wurde,
zur kapitalistischen Restauration führten,
gegen all dies wies Trotzki auf die
Notwendigkeit einer politischen Revolution
in der Sowjetunion hin. Diese sollte
die Bürokratie stürzen, die revolutionären
Grundbausteine des Arbeiterstaates,
die Sowjets, wiederherstellen, die demokratische
Planung der Wirtschaft wiedereinführen,
ein auf dem sowjetischen
Mehrparteiensystem basierendes Regime
errichten und den Kampf für die internationale
Revolution wieder verfolgen. Somit
gehen wir davon aus, dass der Trotzkismus
der einzig wirklich revolutionäre
Marxismus unserer Zeit ist.
Für den Aufbau revolutionärer
Parteien der Arbeiterklasse und
den Wiederaufbau der Vierten
Internationale
In den letzten Jahren läuteten in der
weltweiten Linken die Glocken der Anpassung
an die Logik des „kleinerenÌbels“. Doch diese Politik führte zur Anpassung an „sozial-liberale“ Regierungen,
wie beispielsweise die Beteiligung
von Rifondazione Comunista in
der Regierung Prodis in Italien oder
Miguel Rosettos in Brasilien (derzeit
Mitglied der Strömung Democracia
Socialista der PT (die für sich in Anspruch
nahm, dem Vereinigten Sekretariat
der Vierten Internationale anzugehören),
der als Minister der Regierung Lula
die neoliberale Politik Cardosos fortführt.
Wir mussten uns anhören, es sei Zeit zum
Aufbau von „breiten antikapitalistischen
Parteien“, ohne Unterscheidung zwischen
Reformisten und Revolutionären
und ohne Klassenverankerung. In
Lateinamerika existiert bereits die Erfahrung
mit der „Partei Sozialismus und Freiheit“
(PSOL: Partido Socialismo e
Liberdade), gegründet von einigen Sektoren,
die die PT verlassen haben. Ihre
Orientierung jedoch galt der Versöhnung mit den
Anliegen der Arbeitgeberorganisationen,
die – fixiert
auf die Stärkung des
internen Marktes - zu
Gunsten eines Gesetzes
zur Flexibilität der Arbeit
für kleine und mittlere Unternehmen
stimmten. Im
Allgemeinen können wir
in dieser Region eine starke
Anpassung der Linken
nicht nur an Phänomene
von „Populismus“ wie
beim Chavismus in Venezuela
oder bei der MAS
von Evo Morales beobachten,
sondern auch gerade
im Fall von Argentinien eine unglaubliche
Angleichung an die schlimmsten
der kapitalistischen Positionen und
Reaktionen. So beim MST (Movimiento
Socialista de los Trabajadores) und anderen
kleineren Gruppen, die im Konflikt
um die Steuererleichterungen für den
Export von Sojabohnen zwischen März
und Juli 2008 die Großgrundbesitzer und
Agrarbosse unterstützten.
In Großbritannien gab die Socialist
Workers Party (SWP) zusammen mit dem
ehemaligen Kandidaten der Labor-Partei
George Galloway und muslimischen
Sektoren der Bourgeoisie den Anstoß für
die Koalition RESPECT, die auf einem
klassenübergreifenden Programm basierte
– ein Projekt, das letztendlich platzte.
In Frankreich befindet sich die LCR
(Ligue Communiste Révolutionnaire) in
einem Prozess der Selbstauflösung in einer
neuen antikapitalistischen Partei, die
absichtlich eine zweideutige programmatische Definition zwischen Reform und
Revolution wählt.
Als Revolutionäre der Trotzkistischen
Fraktion (FT-CI) bereiten wir uns
auf Zeiten vor, in denen uns neue politische
Prozesse und (durch die Intensivierung
des Klassenkampfes) die Reorganisation
der Arbeiterklasse erwarten.
Wir möchten an dieser Stelle betonen,
dass die Arbeiter selbst ihre eigenen revolutionären
politischen Werkzeuge entwickeln
müssen, damit die Krise nicht auf
ihren Schultern abgeladen wird. Mit die-
ser Perspektive unterstützen wir nicht
nur den Aufbau und die Entwicklung unserer
Organisationen, sondern kämpfen
auch ohne Sektierertum für den Ausbau
revolutionärer Flügel in jeglicher Gruppierung,
die sich den Kampf für die Unabhängigkeit
von der Bourgeoisie zur Aufgabe macht und Kräfte der kämpferischen
Arbeiter und der Jugend anzieht.
Wir möchten mit denjenigen Strömungen
der trotzkistischen Bewegung diskutieren,
die die Strategie der proletarischen
Revolution verfolgen und die Notwendigkeit
für ein Ìbergangsprogramm sehen.
Wir rufen unsere Genossen in der
CRCI (eine von der PO Argentiniens initiierte
Gruppierung) dazu auf, ohne dabei
die Unterschiede zwischen unseren Organisationen
zu ignorieren, konkrete
Schritte für eine gemeinsame Aktion gegen
die Krise auf nationaler und internationaler
Ebene zu gehen. Die gegenwärtige
Krise fordert von uns Revolutionären
stärkere Bemühungen, um unsere
Kräfte in einer gemeinsamen Aktion zusammenzuführen
und die Möglichkeit
der Bildu˜˜ng von einheitlichen revolutionären
Parteien in Betracht zu ziehen.
(Hierbei handelt es sich um einen Vorschlag, den die argentinische PTS der
PO seit Monaten macht.) Wir möchten
diesen Aufruf auf die LIT-CI erweitern.
Obwohl sie die Notwendigkeit für den
Wiederaufbau der Vierten Internationale
verkündet, zielt ihre Politik leider im Wesentlichen
auf die Vereinigung von Gruppen
aus der „morenoistischen Tradition“
(wie die CITO – Internationales Zentrum
für orthodoxen Trotzkismus) und versteht
somit ihre eigene Tendenz quasi
als „Die Internationale“, wodurch sie sich
in sektiererischer Weise einer ernsthaften
und kameradschaftlichen politischen
Diskussion verschließt. Wir glauben,
dass wir ohne Fortschritte in dieser Perspektive
nicht für die akuten Klassenkämpfe
der nächsten Zeit vorbereitet
sind. Daher hier der Aufruf zu einer offenen
Diskussion über ein internationales
Ìbergangsprogramm, um der Krise zu
entgegnen und aktiv zu werden in den ländern, in
denen wir uns befinden,
als ein Beitrag zum Kampf
für den Wiederaufbau der
Vierten Internationale.
Wir sind nicht naiv
und wissen, dass der Kapitalismus
nicht von
selbst zu Grunde gehen
wird: Er muss gestürzt
werden. Aus diesem
Grund benötigen wir revolutionäre
Parteien. Die
Krise hellt viele Diskussionen
und Fragen der letzten
Jahre auf. Es ist heute
schwierig glaubhaft zu
machen, dass der Nationalstaat nicht mehr so
wichtig sei oder es nicht erforderlich sei,
um die Macht zu kämpfen, um wirklich
„die Welt zu verändern“. Wir sind davon
überzeugt, dass eine Perspektive der internationalen
sozialistischen Revolution
die einzige Möglichkeit ist, um die Barbarei
zu verhindern, in die uns das Ìberleben des Kapitalismus führt.
Trotzkistische Fraktion für den
Wiederaufbau der Vierten Internationale,
Dezember 2008
Fußnoten
1 Zuvor hatte Correa die zwei brasilianischen
Konzerne Petrobras und Odebrecht des
Landes verwiesen.
2 Leo Trotzki: Marxismus in Unserer Zeit,
April 1939.
Ìbersetzung aus dem Spanischen
von GenossInnen von „Internationaler
Klassenkampf“ Januar 2009