FT-CI

Die protektionistische Gefahr kreist um die Weltwirtschaft

Eine neue Welle des Währungskrieges rollt an

05/01/2011

Als Folge der sich ausweitenden kompetitiven [feindlichen] Abwertungen in der Weltwirtschaft, wachsen die Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten, zwischen China und Japan, innerhalb der Europäischen Union und zwischen manchen halbkolonialen ländern wie Brasilien und der G7 Staaten.

Die USA haben aufgehört Lokomotive und Endverbraucher der Weltwirtschaft zu sein.

Im Laufe der zweiten Jahreshälfte oder Anfang 2011 wird die erwartete heftige Verschlechterung der Konjunkturdaten der amerikanischen Wirtschaft das Ende der Illusion einer Wiederbelebung der Weltwirtschaft besiegeln, die im übrigen sehr ungleich zwischen den zentralen und den sogenannten “aufstrebenden” ländern sowie innerhalb der EU zwischen Deutschland und der nördlichen ländern und den Mittelmeerländer oder Irland ist. Bei diesem Szenario wird die Welt in eine seit der Nachkriegszeit unbekannte Situation hineindriften: die USA, Säule der Weltwirtschaftsordnung seit mehr als 60 Jahren, werden eine lange Rezessionsperiode oder eine sehr schwache Wachstumsperiode erleben. Schlimmer noch, angesichts der Verschlechterung seiner Staatskonten[1] können sie sich gezwungen sehen, ein brutales Anpassungsprogramm anzuwenden, wie es schon in zahlreichen Staaten der Fall war. Dies kann eine neue globale Welle des Wirtschafts-Finanz- und Währungschaos lostreten. Schon jetzt - ein Quartal nach dem anderen - entschleunigt sich die amerikanische Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit steigt weiterhin, Millionen Menschen werden aus dem Arbeitsmarkt katapultiert, die realen Zahlen der Arbeitslosigkeit liegen bei etwa 20 Prozent, die Armut steigt in Rekordhöhe (ca. 60 Millionen Menschen sind auf zugewiesene Lebensmittelrationen angewiesen), der Wohnungsmarkt bleibt auf einem historischen Tief stehen und es wird ein Rückfall erwartet (als Folge der anhaltenden Haus-Pfändungen, was wiederum die unheimliche Senkung des Wertes von Aktiva der US-Haushalte widerspiegelt), usw. So ist die Rolle der USA als Endverbraucher zu Ende. Heutzutage ist der sagenhafte amerikanische Ìberkonsum, der in den letzten 30 Jahren mehr als 70 Prozent des Wirtschaftswachstums der USA ausmachte, in der Insolvenzfalle gefangen - was die AmerikanerInnen ohne Arbeit noch schwerer trifft.
Die Zwischenwahlen in den USA können die Wirtschaftsaussichten noch mehr trüben, falls sich die ohnehin schon vorhandene politische lähmung der Obama-Administration und des Kongresses sprunghaft verschlimmern sollte, was als Folge einer eventuellen Niederlage der Republikaner auftreten könnte.

Die Ìberproduktionskrise beschleunigt die Flucht in den Export und somit den gnadenlosen Kampf um die Märkte

Die Anführer der wichtigsten Weltökonomien sind in eine Sackgasse geraten. Am Anfang der Krise unterstützten sie beeindruckende Anreizprogramme sowie andere Maßnahmen wie die Senkung der Leitzinsen um eine Depression zu vermeiden. Auch haben sie einen Währungsanreiz mit der darauf folgenden Senkung des Währungswertes gefördert. Dies war in den 1980 er Jahren der von Japan eingeschlagene Weg angesichts des Platzens der Immobilien- und Aktienblase. Japan ergriff diese Maßnahme, um eine Depression wie in den USA in den 30er Jahren zu verhindern. In den 80er Jahren konnte die Weltwirtschaft den japanischen Nachfrageüberschuss absorbieren, gleichzeitig exportierte sein Geldfluss überall hin und schaffte so Blasen in anderen Teilen der Welt.
Aber in einer von Ìberkapazitäten überfluteten Welt und indem es nicht erlaubt wird, dass die natürlichen Krisenmechanismen anspringen können, was wiederum zu einem extremen Nachfragedefizit führt, leidet diese Strategie unter einem grundlegenden Problem: Nicht alle länder können gleichzeitig ihre Krise exportieren, um ihre Außenbilanz zu verbessern. Jedoch und trotz dieser Realität haben die zentralen länder sich dafür entscheiden, ihre Ìberproduktion mittels Export auszugleichen, denn als Folge der Krise „... leiden die Industrienationen infolge der Krise unter chronisch unzureichender Nachfrage. In keinem der sechs größten Hochlohnländer - USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien - hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal 2010 wieder den Stand vom ersten Quartal 2008 erreicht.
Diese Volkswirtschaften liegen derzeit um bis zu zehn Prozent darunter. Beleg für den Angebotsüberschuss ist der Rückgang der Kerninflation auf rund ein Prozent in den USA und in der Euro-Zone. Diese länder hoffen auf exportgestütztes Wachstum. Das gilt sowohl für diejenigen mit Außenhandelsdefizit (USA) als auch für diejenigen mit Ìberschuss (wie Deutschland und Japan). Dies kann aber nur geschehen, wenn die Schwellenmärkte ein Leistungsbilanzdefizit ausweisen.“[2]
In diesem Rahmen, gekennzeichnet von fehlenden Investitionsmöglichkeiten in den wichtigsten imperialistischen ländern, entwickelt sich ein übermäßiger Kapitalfluss, der nach spekulativen oder reellen Renditemöglichkeiten in der Peripherie sucht, d.h. in den halbkolonialen oder abhängigen ländern. Dementsprechend “Laut einer Prognose des Institute of International Finance dürften dieses Jahr 746 Mrd. Dollar netto an privatem Kapital in die Schwellenländer fließen. Ausgeglichen werden könnte dies über eine Wechselkursanhebung - letzten Endes würden die Schwellenländer ein Leistungsbilanzdefizit aufweisen.”[3].
Jedoch hat dieser Kapitaleingang nicht dazu beigetragen, wieder ein Gleichgewicht der Weltwirtschaft zu erreichen. Im Gegenteil: Die Krise hat sich verschlimmert, denn die wichtigsten länder der Peripherie kommen in ihrer raschen Suche nach Wachstumsmodellen, die auf dem Binnenmarkt basierenden, nicht voran. Diese sollten die Kapazitätsüberschüsse der zentralen länder mittels eines Anstiegs der eigenen Importe absorbieren können, wie die politische Blockade zur Teuerung ihrer Währung zeigt, die einen solchen Kapitalzugang begleiten würde. Dieser Eingriff versucht die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Waren aufrechtzuerhalten, gleichzeitig ist er ein starker Beweis für ihr Klammern am Exportmodell. Wie im bereits zitierten Artikel zu lesen ist, „... wird diese natürliche Anpassung jedoch torpediert durch das Anhäufen von Devisenreserven. Zwischen Januar 1999 und Juli 2008 schwollen weltweit die offiziellen Reserven von 1615 Mrd. Dollar auf 7534 Mrd. Dollar an. Man könnte argumentieren, dass dieser Zuwachs eine Eigenabsicherung als Reaktion auf frühere Krisen war.

Tatsächlich wurden die Reserven während der aktuellen Krise genutzt. Zwar half dies die Auswirkungen abzufedern, doch diese Nutzung der Reserven belief sich auf gerade mal sechs Prozent des Vorkrisenniveaus. Gerade China hat 2450 Mrd. Dollar an Devisenreserven angehäuft. Das entspricht 30 Prozent der weltweiten Reserven. Diese Anhäufung ist eine enorme Exportsubvention.“[4]. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass wenn alle länder das Wachstum durch den Außenhandel suchen, d.h. mittels eines Exportanstiegs, die WHO für 2010 einen Anstieg des Welthandels um 13,5 Prozent prognostiziert. Nach 1950 konnte niemals ein solches Wachstum beobachtet werden!!! Da es sich um einen riesigen Kuchen handelt, versuchen alle Staaten sich die größte Portion abzusichern. So wird der Welthandel zu einem riesigen Schlachtfeld.

Rette sich, wer kann: Oder wenn sich die kompetitiven Abwertungen auf die gesamte Weltwirtschaft ausbreiten

Bisher waren die meisten Handelsspannungen eine Sache zwischen den USA und China. Diese beschränkten sich auf begrenzte Handels- und Währungsgefechte. Um nur ein paar aktuelle Beispiele zu nennen: Die chinesische Regierung hat einen Strafzoll für das US-Huhn verhängt, denn China beschuldigt die USA, sie würfen die Hühner zu Dumpingpreisen auf den chinesischen Markt, was den einheimischen Markt schädige.[5] Die Reaktion ließ nicht auf sich warten. Das US-Handelsministerium hat vor kurzem entschieden, einen Anti-Dumpingzoll auf nahtlose, raffinierte Kupferrohre aus China und Mexiko einzuheben. Das betreffende Volumen Chinas betrug 2009 knapp 233 Millionen US-Dollar.[6] Monate zuvor und angesichts der amerikanischen Drohung China als Währungsmanipulator zu bezeichnen, täuschte China gekonnt die Flexibilisierung der Notierung seiner Währung vor, um Sanktionen zu vermeiden, wertete aber den Yuan nicht stark auf.[7] Gleichzeitig werden ähnliche politische Maßnahmen in ganz Sudostasien durchgeführt - eine Region, die die chinesischen Maßnahmen nachahmt und Zentrum eines großen Teils des internationalen Handels ist. Somit konnte Südkorea - dank eines billigen Wons[8] -erreichen, dass seine Exporte im vergangenem Juli um 31 Prozent höher waren als der Schnitt von 2007.[9]

Jedoch hat die Krise dazu geführt, dass kompetitive Abwertungen sich auf alle Kontinente ausbreiten. Denn es ist so, dass angesichts der Politik der USA- den Dollar, die Weltreservewährung, in ihrem eigenen Interesse und auf Kosten der anderen abzuwerten - sich das Problem generalisiert hat. Japan hat mit einer unilateralen Intervention im Wechselmarkt seiner Zentralbank den Anfang gemacht und so den Yen abzuwerten versucht, was ihr bisher nicht gelungen ist. Diese imperialistische Macht steht vor großen Schwierigkeiten. Die Wirtschaft hat es sich immer noch nicht erholt und das Land leidet immer noch unter Deflation und riesigen Staatsschulden. Normalerweise würden all diese Elemente den Wert der japanischen Währung nach unten ziehen, aber der Wechselkurs des Yens gegenüber dem Dollar steigt auch, denn China - aus Angst, dass die US-Währung weiterhin fällt - investiert immer mehr Devisenreserven zum Kauf des Yens (japanische Staatsanleihen). Diese Maßnahme Japans hat Nachahmer in Südkorea und Taiwan gefunden, obwohl ihre positive Leistungsbilanzsaldo[10], die Interventionen um die Aufwertung des Yen ihre Exporte nicht kaputt macht. In Europa sieht man mit Sorge die große Wirkung, die das riesige Volumen an Schweizer Franken Hypotheken in den osteuropäischen länder haben könnte. Deshalb hat die Schweiz riesige Summen ausgegeben, um - bisher erfolglos - die Aufwertung des Schweizer Franken aufzuhalten. Die Währungen von Rohstoffproduzenten wie Australien oder Kanada sind überteuert, und die von den BRIC-Währungen --- nur der Rubel zeigt keine Stärkungssymptome aufgrund der großen Ungewissheit, die es um die politische Klasse Russland gibt. Sogar die stark wachsende peruanische Wirtschaft ist in die Entwertungsspirale geraten. Brasilien ist wegen des “vorteilhaften” Effektes besorgt, der die Kapitalanziehung in Form von internationalen Anlagefonds, die ein starkes konjunkturelles Wachstum generieren mit sich bringt. So wäre der Preis dafür mittelfristig eine Bedingungen für die Schaffung einer Blase, die von einer raschen Kapitalflucht vorangetrieben wird, die zu einer plötzlichen Krise führen könnte, wenn sich die Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft ändern. Dadurch würde sich sofort eine Beeinträchtigung ihrer Exporte herausstellen - besonders für jene Unternehmen, die mit den chinesischen Importen konkurrieren. Damit ist die Preisstabilität in Gefahr, was die ohnehin prekäre Lage des brasilianischen Staatsdefizits und ihrer Leistungsbilanz verschlimmert.

Brasiliens Finanzminister, Guido Mantega, klagte dazu: „Wir befinden uns in einem internationalen Währungskrieg, einer generellen Schwächung der Währung. Das stellt eine Gefahr für uns dar, weil damit unsere Wettbewerbsfähigkeit schwindet." [11] Seit Anfang des letzten Jahres ist der US-Dollar um ca. 25 Prozent gegenüber dem Real gefallen. Nach Bloomberg hat dies dazu geführt, dass der Real zur kräftigsten Währung weltweit wurde. Die Perspektive, dass sich - angesichts der beschleunigten Schwächung ihrer Ökonomie und der fortwährenden Entwertung des Dollars sowie der Suche seitens der Anleger nach Nischen von zusätzlichen Dividenden - neue Pläne für Währungsanreize in den USA konkretisieren, verleihen den Sorgen des brasilianischen Ministers immer mehr Gewicht. Dies verursacht eine Entwertungsdynamik, denn jeder will, dass ein anderer die Kosten der Krise trägt. So wird versucht, die eigene Wettbewerbsfähigkeit mit negativen Folgen für alle aufrechtzuerhalten, in einem sich verengenden Weltmarkt.
Währenddessen, wertet sich der Euro -vor kurzem gerettet durch die Intervention Chinas - rasant auf, und wird somit bei den stattfinden weltweiten Wechselkursanpassungen stärker belastet, was die ohnehin schwache Erholung der Wirtschaft in der Eurozone weiter schwächt..

Ein hartes Spiel: Die Drohungen des amerikanischen Kongresses und mancher dienstbeflissener Journalisten

Am 29. September hat das Committee on Ways and Means des US-Kongresses eine Ergänzung zum Gesetzentwurf H.R. 2378, the Currency Reform for Fair Trade Act[12] verabschiedet. Der Gesetzesentwurf muss noch vom US-Senat abgesegnet und vom Präsidenten Obama gebilligt werden, bevor er in Kraft tritt. Aber allein die Unterstützung für dieses Vorhaben zeigt die steigende Wut im Kongress. Ein Beispiel dafür, welche Stimmung unter den Kongressabgeordneten herrscht, sind die Aussagen von der Kongressabgeordneten Kaliforniens, die Demokratin Linda Sánchez, die kein Blatt vor dem Mund nimmt: “Wir stecken mitten in einem Handelskrieg. Nur schießt die andere Seite mit aller Kraft und wir mit Spritzpistolen.“[13]
Der Spiegel meint dazu: “Und im Kleingedruckten liest sich das Regelwerk dann gar nicht mehr harmlos: Das US-Handelsministerium soll – auch ohne Genehmigung durch Präsident Barack Obama – künftig Strafzölle auf Importe aus bestimmten ländern verhängen können. Im Visier: Nationen, die „fundamental unterbewertete Währungen“ haben, einen „dauerhaften Leistungsbilanzüberschuss“ und sehr hohe Devisenreserven. Das zielt genau auf China.“ [14]
348 Abgeordnete stimmen dem Entwurf zu, nur 79 Abgeordnete waren dagegen. „So ein deutliches Zeichen hat es noch nie gegeben“, sagt Nicholas Lardy vom Peterson Institute for International Economics.“ [15]
Die Änderungen im Umgangston von Journalisten des weltweiten Finanzestablishments, wie Martin Wolf, sind wahrlich überraschend. In seinem letzten Artikel der Financial Times kann man davon ausgehen, dass er über den Währungskrieg nicht so sehr besorgt ist, und seine Sorge eher dem gilt, wie dieser Krieg zu gewinnen ist als wie er zu vermeiden sei: “Das führt zur Schlüsselfrage: Wie könnte China geschmeichelt oder zum Ändern seiner Politik gezwungen werden? Verhandlungen bleiben eine Hoffnung. Die übrigen länder des G20 müssen einig werden, um diese Änderungen zu bieten. Wenn aber Verhandlungen weiterhin scheitern, müssen Alternativen in Betracht gezogen werden. Eine Erhöhung von Einführzöllen ist eine Möglichkeit. Fred Bergsten, Leiter des Peterson Institute of International Economics verlangte in der Financial Times nach ausgleichenden Währungseingriffen. Daniel Gros, Direktor am Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel empfiehlt Reziprozität bei den Kapitalkonten: Betroffene länder könnten andere länder davon abhalten, ihre Finanzinstrumente zu kaufen, es sei denn letztere bieten den gegenseitigen Zugang zu ihren Finanzmärkten. Diese Idee würde auch den Bergsten-Plan wirksamer machen.”[16].
Wolf spricht sich für Interventionsmaßnahmen an den Kapitalmärkten aus, was er verlockender findet als Handelsrepressalien, wie die, die vor kurzem im Repräsentantenhaus abgestimmt wurde. Nach Wolf wären Interventionsmaßnahmen den Handelsmaßnahmen vorzuziehen, denn letztere stellten eine Verletzung der von der WTO ausgestellten Normen dar, und noch dazu seien sie höchst wahrscheinlich nicht effektiv.

Die protektionistische Gefahr und das Risiko von offen ausgetragenen Handelskonflikten

Die Ungleichgewichte im Welthandel werden immer größer und das Weltwährungssystem gerät außer Kontrolle. Ein alarmierendes Symptom ist der massive Ankauf von Gold, was seit den 60ern -kurz vor dem Kollaps von Bretton Woods - nicht mehr zu beobachten war. Angesichts der zunehmend ineffektiven Marktinterventionen, hat sich die Kapitalkontrolle zunehmend als eine politische Alternative für die Bourgeoisien vor allem halbkolonialen und abhängigen ländern entwickelt, gegenüber der gegen sie gerichteten Politiken der zentralen länder, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Entwertungen ihrer Währungen zu steigern. Unter Umständen könnte dies in einem Zollkrieg[17] münden. Sollten sich diese Maßnahmen ausbreiten, könnten die Folgen für den Handelsverkehr fürchterlich sein.
Manche Sektoren der weltweiten Bourgeoisie warnen gerade davor. Als Reaktion auf die Entscheidung der japanischen Zentralbank, die Zinssätze wieder auf Null zu setzen, und somit in die Fußstapfen der Zentralbanken der USA, China und Brasilien zu treten, d.h. eine “quantitative easing” Politik zu verfolgen (auf Deutsch: die Geldmaschine anwerfen), deren Ergebnis die qualitative Schwächung des Yen gewesen ist, sagte der IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn der britischen Financial Times: „Es beginnt sich die Ansicht zu verbreiten, dass Währungen als politische Waffe eingesetzt werden können”. Er warnte, wenn Staaten versuchten mit Hilfe ihrer Währungen den heimischen Aufschwung anzukurbeln, könne dies ein sehr ernsthaftes Risiko für die weltwirtschaftliche Erholung darstellen. Die wichtigsten Finanzinstitute haben die wichtigsten länder der Welt darauf gedrängt einen neuen Devisenpakt zu vereinbaren, um die Weltwirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Im April 2010 hat deshalb das Internationale Finanzinstitut, IFI (International Institute of Finance, IIF), das mehr als 420 der größten Banken und Finanzunternehmen der Welt vertritt, davor gewarnt, dass ohne ein koordiniertes Vorgehen das alles in mehr Protektionismus münden könnte. „Um die Schäden zu vermeiden, die mit fortgeführten Alleingängen verbunden sind, (...) muss sich eine Kerngruppe der wichtigsten Volkswirtschaften dringend auf ein koordiniertes und multilaterales Aktionspaket verständigen“[18], sagte Charles Dallara, Direktor der Bankengruppe des Instituts für Internationale Finanzen (IIF). Dallara, der als US-Politiker bei der Plaza-Vereinbarung von 1985 mitmischte, bei der der Yen gegenüber dem Dollar aufgewertet wurde, verlangte eine aktualisierte und ausgereiftere Version dieser Vereinbarung. Aber die Unterschiede zu 1985 sind bedeutend: Obwohl die USA in den 80er Jahren unter einer Wirtschaftskrise litten, spielten sie eine vorherrschend hegemoniale Rolle auf der Weltarena. Heute - und obwohl es keinen Nachfolger in diesem Sinne gibt - ist die Schwächung ihrer Hegemonie im Vergleich zu damals viel bedeutender. Außerdem war das Gewicht der Ökonomien der imperialistischen Triade viel größer als heutzutage. Aus der Sicht der Kapital-restaurationistischen Bürokratie Chinas ist in Anbetracht der unheilvollen Folgen der Plaza-Vereinbarung für Japan (die im Falle Chinas noch unheilvoller ausfallen könnten), die Möglichkeit eines Kompromisses mit den wichtigsten imperialistischen ländern –, denn dieses Land ist im Gegensatz zum imperialistischen Japan noch abhängiger– nicht leicht hinunterzuschlucken. In diesem Sinne hat der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao am 6/10 auf den Druck zur Aufwertung des Yuans reagiert „Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao lehnte eine kurzfristige Anpassung aber erneut ab. ”šÌben Sie keinen Druck wegen des Renminbi-Kurses aus’, warnte Wen bei einem Wirtschaftsforum aus Anlass des chinesisch-europäischen Gipfeltreffens in Brüssel. Eine schnelle Aufwertung könne zu sozialen Unruhen führen. ”šViele unserer Exportfirmen müssten schließen, Wanderarbeiter müssten in ihre Dörfer zurückkehren.’ Soziale und wirtschaftliche Unruhe in China wären eine Katastrophe für die ganze Welt.“[19].
Trotz dieses dramatischen Alarmrufs wächst die Zahl der Ökonomen und Wissenschaftler, die sich der Idee anschließen, hart gegen China vorzugehen. So geben sie einer offensiveren imperialistischen Politik intellektuelle Rückendeckung.
Auch wenn niemand einen Handelskrieg mit China will, ist es nicht auszuschließen, dass genau dies passiert. Sowohl die USA als auch China glauben, dass die Kosten für ein „weiter so“ geringer sind als die Gefahren durch andere Varianten, wie zum Beispiel soziale Unruhen. Während die USA sich diesbezüglich zuversichtlicher zeigen hätte China viel mehr zu verlieren. Ihre interne Zerbrechlichkeit ist um ein vielfaches höher, denn es ist anfälliger für soziale Spannungen, wie dass Land im Laufe des 20.Jahrhunderts oft gezeigt hat.
Deshalb glaubt die chinesische Führung, dass die Kosten einer abwartenden und ausharrenden Haltung - bzw. die jetzige Konstellation aufrechtzuerhalten - niedriger sind. Die Situation wird wegen der wachsenden Drohungen durch die USA zunehmend gefährlicher, jedoch sind diese noch so vorsichtig und kleinlaut, dass China nicht an ihrer Durchsetzung glaubt. Diese Situation kann zu falschen Annahmen seitens China führen, denn es glaubt alles ist beim alten geblieben, während die USA erkennen, dass sich die Lage geändert hat. Angesichts dieser Konstellation kann ein Schritt der USA, die sie als einen kleinen betrachten, von China, das alle anderen Signale ignoriert hat, als ein riesiger Sprung betrachtet werden. Das Risiko bleibt und diese Nervosität ist ein zentrales Element, das die Weltwirtschaft und -politik beherrscht.
Zusammengefasst zielen die Währungskonflikte auf die Verstärkung der Widersprüche zwischen der Weltwirtschaft und dem System Staat-Nation. Die kapitalistische Wirtschaft braucht eine stabile Reservewährung, damit sie überhaupt funktionieren kann. Aber der Dollar zeigt sich zunehmend unfähig, diese Rolle weiter zu spielen. Und es gibt keine andere Währung - weder der Euro, noch der Yen, noch viel weniger der Renminbi -, die in der Lage wäre den Dollar zu ersetzen. Währenddessen steigt die Wahrscheinlichkeit von Reibungen und Konflikten zwischen den großen Mächten, und zwischen ihnen und halbkolonialen und abhängigen ländern. Unruhige Jahre stehen uns bevor; günstige Jahre für einen Sprung im Klassenkampf.


Fußnoten
[1] A.d.Ì.: Von einem Staatskonto gehen alle Ausgaben eines Staates aus – egal ob Haushalt, Steuern oder Subventionen.
[2] Die Opfer des Währungskriegs, Martin Wolf, Financial Times Deutschland 30/9/2010
[3] Ebda.
[4] Ebda.
[5] „China duties to hit US chicken imports“, BBC 26.09.2010
[6] „US-Anti-Dumpingzoll gegen chinesische Kupferrohre“, Radio China International 28.09.2010
[7] „Flexibilizacion del tipo de cambio. China: mucho ruido y pocas nueces”, Juan Chingo, La Verdad Obrera 24.06.2010
[8] Der Won ist die Währung von Südkorea.
[9] Neben der pakistanischen Rupie und dem Vietnamesischen Dong ist die koreanische Währung die einzige Währung, die die Vorkrisenrekorde gegen den amerikanischen Dollar nicht übersteigen. Unglaubliche Wegbegleiter der wettbewerbsstarken koreanischen Wirtschaft!!!
[10] A.d.Ì.: Der Leistungsbilanzsaldo ist die Summe der Salden aller Teilbilanzen (Warenhandel, Dienstleistungen, Ergänzungen zum Warenhandel, Primäreinkommen, laufende Ìbertragungen). Einen Leistungsbilanzsaldo größer Null bezeichnet man als Leistungsbilanzüberschuss, einen Saldo kleiner Null als Leistungsbilanzdefizit.
[11] „Die Opfer des Währungskriegs“, Financial Times Deutschland 30.09.2010
[12] A.d.Ì.: Damit soll der Weg zu Strafzöllen gegenüber ländern ermöglicht werden, die dem Vorwurf einer Manipulation ihres Wechselkurses ausgesetzt sind. China droht danach die Auferlegung von Strafzöllen, sollte sich keine Einigung zwischen den USA und China in der Wechselkursfrage abzeichnen.
[13] „Währung als Waffe“, Der Spiegel 40/2010
[14] Ebda.
[15] Ebda.
[16] „How to fight currency wars with stubborn China”, Martin Wolf, Financial Times 05.10.2010. Angesichts der Sorge dies könnten die USA entfinanzieren, sagt er: „Einige befürchten, dass der chinesische Kaufstopp der US-Staatsanleihen zu einem Kollaps führen könnte. Nichts ist unwahrscheinlicher angesichts des enormen Finanzüberschusses im privaten Sektor weltweit und die anhaltende Rolle des Dollars. Sollte sich der Dollar abschwächen, wäre dies dennoch nicht schädlich sondern eine große Hilfe”.
[17] A.d.Ì.: Zoll, der in Erwiderung auf die Handelspolitik eines anderen Landes eingeführt wird. Dieser Zoll wirkt für sich genommen (d.h. bei gegebenem Zollsatz des anderen Landes) wohlfahrtsverbessernd zulasten des anderen Landes, welches darauf seinerseits mitunter wieder mit einer Vergeltung in Form einer weiteren Zollerhöhung reagieren wird (Zollkrieg). Das Endergebnis einer solchen Entwicklung ist im Vergleich Freihandel zumindest für ein Land, möglicherweise aber auch für beide länder, eine Wohlfahrtsverschlechterung.
[18] „G20 droht Währungskrieg“, n-tv.de 06.10.2010
[19] „Diplomatischer Gau im Währungsstreit“, Financial Times Deutschland 06.10.2010

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