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Griechenland

Soziale Revolte gegen Krise und Elend

16/12/2008

Soziale Revolte gegen Krise und Elend

Das Land, das als Mutterland der Demokratie und „Wiege“ der abendländischen Kultur gilt, wird zur Zeit von heftigen Auseinandersetzungen zwischen jungen Demonstranten und der Polizei erschüttert. Dabei handelt es sich um einen regelrechten Aufstand gegen die Politik der herrschenden Klasse.

Die aktuelle politische Lage in Griechenland ist kennzeichnet von den Auswirkungen der aktuellen Wirtschaftskrise, die gerade erst angefangen hat. Die griechische Wirtschaft, deren wichtigste Sektoren Handel und Dienstleistungen (darunter vor allem Tourismus, Seeschifffahrt und Hafenwirtschaft) sind, die ca. 70% zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beitragen, leidet unter den Auswirkungen des Schrumpfens der Produktivität im industriellen Sektor, welcher ca. 20% der wirtschaftlichen Aktivitäten ausmacht, und der Rezession wichtiger Handelspartner Griechenlands wie Italien oder auch Deutschland. Hinzu kommt die negative Handelsbilanz im 2007, welche für 2008 wohl noch schlimmer ausfallen wird.

Diese Entwicklungen haben sich rasant verschlechternde Lebensbedingungen breiter Sektoren der Bevölkerung zur Folge und führten nach der kaltblutigen Ermordung eines Jugendlichen durch die Polizei zu einem landesweiten Ausbruch der Frustrationen geführt. Die Gründe dafür liegen auf die Hand: jeder fünfte Grieche lebt unter der Armutsgrenze mit einem Verdienst von weniger als 5.000 Euro im Jahr: Das sind mehr als 2 Millionen Menschen. Seit Monaten steigen die Lebensmittelpreise ständig. Die Regierung hat ein Rettungspaket für den Bankensektor in Höhe von 28 Milliarden Euro verabschiedet, gleichzeitig wussten sich die Banken angesichts der Krise nur durch Zinserhöhungen für Privat- und Geschäftskunden zu helfen. Währenddessen bangen viele Arbeiter um ihre Jobs, und Jugendliche aus den Mittelschichten, geschweige die aus Arbeiterfamilien, haben keine Zukunftsperspektive. Sie nennen sich selbst die Generation 700, denn mit oder ohne Universitätsabschluss ist es fast aussichtslos, über diese Summe hinausgehende löhne zu erhalten. Im Normalfall hält die Zukunft für Jugendliche nur Arbeitslosigkeit und Verelendung bereit. Jetzt schon beträgt die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen 25%.

Die Reaktion der Jugend und anderer Sektoren ist wohl die Antwort auf die Politik der Bourgeoise Griechenlands, die wie in Deutschland üppige Gewinne einfährt, während sie ihre Lohnsklaven unterjocht und sich nun darauf vorbereitet, die ganze Last der Wirtschaftskrise auf die subalternen Klassen abzuwälzen. So hat die Regierung der Nea Demokratia Partei (Neue Demokratie), angeführt von Kostas Karamanlis, die staatlichen Investitionen für soziale Programme gekürzt oder gestrichen, die Steuern erhöht sowie die Privatisierung im Bildungsbereich, vor allem auf Hochschulebene, vorangetrieben.

Die Vertreter der Bourgeoisie, ihre Verwalter und Medien, haben logischerweise versucht, den Kampf der Jugendlichen zu diskreditieren, indem sie ihn als eine Orgie der Gewalt autonomer und anarchistischer Gruppierungen abstempeln. Auch die bürgerliche Presse Deutschlands hat sich erwartungsgemäß diesem kakophonischen Chor angeschlossen und schreit nach mehr „Kontrolle“, „Polizeipräsenz“ und „Konzepte zur Eindämmung der Gewalt“.
Dabei versucht sie all zu gern die Gründe des sozialen Protestes und das Verständnis breiter Schichten der Bevölkerung mit den Jugendlichen zu verschweigen oder herunterzuspielen.

Die Rebellion der Jugendlichen ist der spontane Ausdruck der Wut, die sich gegen eine korrupte Regierung sowie die politische Kaste im allgemeinen richtet, auch gegen die stärkste Oppositionspartei, die sozialdemokratische Panhellenische Sozialistische Bewegung (Panellinio Sosalistiko Kinima, PASOK). ND und PASOK wechseln sich an der Regierung ab. Eine hohe Zahl von Ministern steht zur Zeit unter Korruptionsverdacht. So brach z.B. im September 2007 ein Skandal um den Handelsmarineminister Georgios Voulgarakis aus, der sein Amt erst niederlegte, als bekannt wurde, dass er Personalentscheidungen des Ministeriums mit der Besetzung von Posten in seiner privaten Immobilienfirma vermischt hatte und seine engsten Verwandten an den illegalen Grundstücksgeschenken staatlicher Filetgrundstücke an ein Mönchskloster verdient hatten. Auch wichtige Vertreter der Orthodoxen Kirche wurden als Immobilienhändler oder gar Betrüger entlarvt. Und die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Die Aktionen der Jugendlichen in Griechenland, die sich, anders als in der bürgerlichen Presse dargestellt, vor allem gegen staatliche Symbole, Polizeistationen, Kaufhäuser und Banken richten - also gegen Symbole der Macht und des Konsums - können der Auftakt größerer Auseinandersetzungen in ganz Europa sein. Kurz nach dem Bekanntwerden der Unruhen in Griechenland gab es solidarische Demonstrationen in Madrid, Kopenhagen, Rom, Berlin, Frankfurt und anderen europäischen Metropolen. Die Regierungen in Europa werden zunehmend nervös. So hat z.B. die spanische Justiz Untersuchungshaft für sieben Personen wegen Störung der öffentlichen Ordnung, Verletzungen und Angriffe auf die Staatsgewalt angeordnet. Ihnen droht nun eine gemeinsame Höchststrafe von bis zu 9 Jahren Haft. Die Angst einer sozialen Explosion führt die Vertreter der Macht dazu, präventiv und exemplarisch gegen linke Demonstranten vorzugehen. Deren Solidaritätsaktionen finden im Rahmen einer stetig wachsenden Studentenbewegung in Spanien, die gegen den sog. Bologna-Vertrag auf die Straße gehen, statt; in Italien gehen seit Monaten Studenten und Schüler auf die Straße, um gegen das Gelmini-Dekret zu protestieren, welche die Privatisierung der Bildung vorsieht, und auch in Irland fand eine riesige Demonstration von Studenten, Schülern und Lehrern statt, die gegen die Kürzungen im Bildungsbereich protestierten.

Die erste Lehre, die aus den Ereignissen in Griechenland zu ziehen ist, ist, dass sich der Kampf lohnt. Dieselben Richter, die die Verfolgung von Migranten rechtlich legitimieren, die Polizeiübergriffe auf Linke und protestierende Arbeiter rechtfertigen, die die korrupten Politiker niemals verurteilen würden, sahen sich diesmal gezwungen, den Polizisten, der Alexis heimtückisch tötete, in Untersuchungshaft zu nehmen. Der Kampf der Jugendlichen in Griechenland zeigt, dass es möglich ist, Polizeigewalt und Repression Einhalt zu gebieten.

Die zweite Lehre, die gezogen werden muss, ist, dass der spontane Kampf auf eine höhere Ebene gelenkt werden muss, um die Regierung und schließlich das kapitalistische System zu Fall zu bringen. Der Kampf wird siegreich sein, wenn aus den spontanen Demonstrationen eine organisierte Massenbewegung entsteht, die auch eine revolutionäre Führung, eine revolutionäre Partei hervorbringt.
Der Ausgang des Kampfes in Griechenland ist noch offen!

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