// Flugblatt von RIO, der Revolutionären Internationalistischen Organisation, für den Europäischen Aktionstag am 31. März in Frankfurt //
Europäischer Aktionstag in Frankfurt
24/04/2012
Für einen europäischen Kampfplan gegen die Krise! Für den Aufbau einer revolutionären Partei!
Vor zwei Tagen fand im Spanischen Staat der massivste Streik seit Langem gegen die von der Troika, allen voran Deutschland, auferlegten und von der Rajoy-Regierung durchgesetzten Sparmaßnahmen statt. Es war eine beeindruckende Machtdemonstration der ArbeiterInnenklasse gegen den von oben geführten Klassenkampf, gegen die Angriffe der herrschenden Klasse zur Abwälzung der Krisenkosten auf ArbeiterInnen, Arbeitslose und die Jugend. In Griechenland haben die Straßenkämpfe gegen die von der Troika geforderten und von den einheimischen Statthaltern mit Polizeiknüppeln durchgesetzten Maßnahmen zwar nachgelassen. Dafür hat die ArbeiterInnenklasse aber wieder angefangen, auf alte, hierzulande beinah in Vergessenheit geratene, Maßnahmen zurückzugreifen, wie die Besetzung von Betrieben unter ArbeiterInnenkontrolle. Das alles angesichts der schlimmsten Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren.
Währenddessen spitzt sich die Wirtschaftskrise trotz konjunktureller Erholungen immer weiter zu. Der von den herrschenden Klassen vorgeschlagene Ausweg aus der Krise schlägt sich in immer brutaleren Angriffen auf hart erkämpfte soziale und politische Errungenschaften der Massen nieder. Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich, direkte Lohnkürzungen, Lohneinfrierungen, Inflation, Einschränkung der Versammlungsfreiheit, etc., um angeblich die Sozialsysteme aufrechtzuerhalten. In Wahrheit handelt es sich jedoch um marktradikale Gegenreformen, die – falls sich die Lohnabhängigen und die Jugend nicht wehren -, zu einer Verarmung und Verelendung breiter Sektoren führen werden.
Selbst die ArbeiterInnenklasse in Deutschland wird vom Armutsgespenst nicht verschont bleiben. Bereits jetzt kommt ein Fünftel der Beschäftigten Deutschlands trotz Arbeit kaum über die Runden. Viele andere haben prekäre Beschäftigungen, die eine Zukunft in bitterer Armut versprechen. Die Jugend hat ebenfalls keine menschenwürdige Zukunft im Kapitalismus. Selbst im reichen Deutschland sieht sie, wie sich ihre unbezahlten Praktika eins nach dem anderen verlängern, wie sie nicht auf eine sichere Arbeit hoffen können, wie sich ihre Zukunftsperspektiven verdunkeln. Wenn sie nicht schon durch ein Klassen-Schulsystem aufgrund ihrer sozialen und geographischen Herkunft ausgesondert worden sind, müssen immer mehr Jugendliche sehen, dass sie sich trotz erbrachter Leistungen weder Studium noch Weiterbildung leisten können. Diese Jugendlichen vergrößern dann die Reihen der armen Beschäftigten. Sie sind billige Arbeitskräfte für die Bosse.
Ein besonders perverses Beispiel für diese arbeiterInnenfeindliche Politik zeigte sich jüngst bei der Drogeriekette Schlecker, wo mehr als zehntausend meist weibliche Beschäftigte auf die Straße gesetzt wurden. Die ver.di-Gewerkschaftsbürokratie hatte alles auf eine sogenannte „Transfergesellschaft“ zur temporären Ìbernahme und Weitervermittlung der Beschäftigten gesetzt. Doch dieser Plan platzte, nachdem die FDP-geführten Wirtschaftsministerien mehrerer länder der Transfergesellschaft Kredite verweigerten. Gestützt auf die perverse Begründung, dass es außerhalb der marktwirtschaftlichen Logik läge, für „unternehmerische Fehler“ Steuergelder auszugeben. Die gleiche FDP hatte aber kein Problem damit, mehrere hundert Milliarden Euro für die Rettung von Banken auszugeben, die sich in Kreditblasen verspekuliert hatten (während die Schlecker-Transfergesellschaft läppische 70 Millionen Euro brauchte). Und die Kanzlerin der Bosse, Angela Merkel (CDU), sieht das Vorgehen der Liberalen positiv.
Dieses Beispiel zeigt zwei Dinge: Erstens handelt es sich bei der Krisenbewältigungsstrategie der herrschenden Klasse um den Versuch, auf Kosten der Lohnabhängigen die Profitrate wieder zu steigern. Und zweitens muss jede Politik, die sich auf den „guten Willen der Politik“ verlässt, anstatt den ArbeiterInnen eine Kampfperspektive zu bieten, wie ver.di bei Schlecker, unweigerlich scheitern.
Denn der Kapitalismus kann entgegen reformistischer Meinungen nicht gezügelt werden. Wenn die Krisenpolitik der Herrschenden darauf abzielt, die Krise auf die Schultern der Lohnabhängigen abzuladen, heißt das vor allem auch: Im Kapitalismus gibt es keine menschenwürdigen Zukunft für die ArbeiterInnenklasse. Aber der Kapitalismus kann ebenfalls nicht einfach so überwunden werden, ohne eine klare Perspektive, eine klare Strategie, ein klares Programm.
Deshalb es ist notwendig, einen Kampfplan aufzustellen, damit die Krise von den KapitalistInnen bezahlt wird. Der Europäische Aktionstag am 31. März ist ein kleiner, erster Schritt, um den harten, unbarmherzigen Kampf gegen das Kapital aufzunehmen. Jedoch kann der Kampf gegen das Kapital nicht auf eine symbolische Aktion beschränkt bleiben, wie es die Organisation einer Demo ist, selbst wenn sie europaweit geschieht. Gleichzeitige Demonstrationen in mehreren europäischen Staaten allein werden die Angriffe der KapitalistInnen nicht bremsen.
Um die Angriffe des Kapitals zu stoppen, geschweige denn sie zurückzuschlagen, muss insbesondere den Gewerkschaftsführungen ein Kampfplan aufgezwungen werden. Denn die Gewerkschaften sind imstande, Millionen zu bewegen, wie die Generalstreiks in Spanien, Portugal oder Griechenland zeigen; aber ihre Führungen tun dies, wenn überhaupt, nur widerwillig und um etwas Druck vom Kessel abzulassen. Die nationalbornierte Strategie der GewerkschaftsbürokratInnen aller im EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund) vertretenen Gewerkschaften dient nur der Trennung zwischen den ProletarierInnen in Europa. Die Standortlogik, die der „gemeinsamen nationalen Interessen“, ist die Logik der nationalen Konzerne, wie Volkswagen, Renault oder FIAT, und nicht der deutschen, französischen oder italienischen ArbeiterInnenklasse. Die Interessen der ProletarierInnen stehen in Wirklichkeit im Gegensatz zu den Interessen des Kapitals. Jede versöhnliche Politik zwischen Arbeit und Kapital zielt somit in letzter Instanz auf die Durchsetzung der kapitalistischen Interessen.
Deshalb kann ein Kampfplan nur gegen die versöhnliche Politik der Gewerkschaftsführungen und der reformistischen Parteien durchgesetzt werden: Die gegensätzlichen Interessen zwischen den Klassen lassen sich nicht am Verhandlungstisch lösen, sondern nur in den Betrieben, in den Streikposten in den Fakultäten und Straßen. Das ist die Perspektive, die wir verfolgen. Dazu müssen wir antibürokratische Strömungen in den Gewerkschaften aufbauen und Erfahrungen von direkter ArbeiterInnendemokratie, wie jederzeit abwählbare Streikkomitees mit dem direkten Mandat der Streikversammlung, vorantreiben. Wenn Unternehmen Entlassungen oder Schließungen vornehmen, müssen sie enteignet und unter die Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden. Um Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, muss die vorhandene Arbeit bei vollem Lohn- und ständigem Inflationsausgleich auf allen Schultern aufgeteilt werden. In Deutschland scheint diese Perspektive noch weit entfernt. Doch zum Beispiel in Griechenland, wo die Krise die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen bedroht, sind in den letzten Monaten erste Erfahrungen von direkter ArbeiterInnendemokratie und selbstverwalteter Produktion entstanden1. Ein anderes Beispiel, welches in den letzten Jahren weltweite Berühmtheit erlangt hat, ist die argentinische Keramikfabrik Zanon (FaSinPat), in der seit über zehn Jahren unter direkter ArbeiterInnenkontrolle produziert wird. Dabei haben sich umfangreiche Mechanismen der ArbeiterInnendemokratie etabliert2.
Aber die Produktion unter ArbeiterInnenkontrolle in einem Betrieb allein ist noch längst nicht genug. Denn isoliert bleiben solche Erfahrungen nur Inseln im kapitalistischen Meer, die der ständigen Flut der Konkurrenz ausgesetzt sind. Eine „echte Demokratie“ im Interesse der Massen ist nicht möglich, solange die Diktatur des Kapitals nicht gebrochen wird. Mit dem Kapitalismus zu brechen heißt, die Machtfrage aufzuwerfen: Entweder herrschen die KapitalistInnen oder die Lohnabhängigen.
Das kapitalistische System kann nur durch eine andere Demokratie, eine Demokratie der Massenorgane, der Räte ersetzt werden. Dieses System heißt Diktatur des Proletariats, also die Herrschaft der Mehrheit, das, was heute als die 99% angesehen werden, und Unterdrückung der Minderheit der AusbeuterInnen, des 1%.
Die Erfahrungen von ArbeiterInnendemokratie im Streik und in der Produktion sind Schulen für den allgemeinen Kampf gegen die Bourgeoisie und ihren Staat. Aber um den Sturz des Kapitalismus vorzubereiten, brauchen wir eine revolutionäre Partei, die die Erfahrungen der Kämpfe der ArbeiterInnenklasse und der Jugend sammeln, zusammen führen und in einer Strategie und einem Programm verallgemeinern kann. Nur wenn die Kampferfahrungen der ArbeiterInnenklasse auf weltweiter Ebene in einem Programm und einer Strategie für die sozialistische Revolution gebündelt werden, können die ständigen Manöver der ReformistInnen und der bürokratischen Apparate, die unter dem Einfluss der KapitalistInnen stehen, entlarvt und überwunden werden. Aber eine solche Partei entsteht nicht aus dem Nichts oder durch einen bloßen Aufruf: Sie muss sich im täglichen Klassenkampf formen und beweisen, dass ihre Strategie eine Brücke schlagen kann zwischen den grundlegendsten Notwendigkeiten der Massen im heutigen Kampf und der sozialistischen Revolution. Deshalb kämpfen wir von RIO als Teil der Trotzkistischen Fraktion (FT-CI) für den Wiederaufbau der Vierten Internationale als Weltpartei der sozialistischen Revolution.
– Gegen das Spardiktat der Troika! Gegen den deutschen Imperialismus! Gegen Entlassungen und Schließungen! Nach Schlecker kommt Opel! Deshalb sollen die deutschen Gewerkschaftsführer den Widerstand gegen die kommenden Angriffe vorbereiten!
– Für die Öffnung der Geschäftsbücher und die Enteignung unter ArbeiterInnenkontrolle aller Unternehmen, die entlassen oder schließen wollen!
– Für eine gleitende Skala der löhne und der Arbeitszeit!
– Gegen die versöhnliche Politik von Gewerkschaften und reformistischen Parteien! Für eine antibürokratische Strömung in den Gewerkschaften! Für demokratische Streikversammlungen und jederzeit abwählbare Streikkomitees!
– Für einen europäischen Kampfplan, damit die KapitalistInnen ihre Krise selbst bezahlen!
– Für den Wiederaufbau der Vierten Internationale! Für die sozialistische Revolution!