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Podemos will mit der „Kaste“ regieren

25/01/2016

Podemos will mit der „Kaste“ regieren

Podemos schlägt der Sozialdemokratie und Izquierda Unida eine Regierung „der Veränderungen“ vor. Darin soll PSOE-Vorsitzender Pedro Sánchez Ministerpräsident, Pablo Iglesias Vize und das Kabinett proportional organisiert sein. Sánchez sagte, dass er verhandeln würde, während Rajoy sich nicht vor dem Parlament zur Wahl stellen möchte. Angesichts der Erfahrungen aus Griechenland und den drohenden Enttäuschungen ist es nötig, die sozialen Mobilisierungen und den Kampf für verfassungsgebende Prozesse im ganzen Land wieder anzustoßen.

Der Generalsekretär von Podemos, Pablo Iglesias, stellte dem König Felipe VI. am vergangenen Freitag seine Aufforderung an die PSOE vor: Er möchte mit der spanischen Sozialdemokratie eine „Linksregierung“ eingehen. Dieses Angebot veränderte die politische Landschaft und eröffnet ein Dilemma für Pedro Sánchez: Wenn er es nicht annimmt, kommt es zu Neuwahlen, aber Iglesias hatte den letzten konstruktiven Vorschlag, während er die Einheit ablehnte.

Das politische Establishment warnt vor einer möglichen Regierung von PSOE und Podemos. Die renommierte Tageszeitung El País veröffentlichte am Freitag eine Kolumne, in der sie ohne Umschweife aufführte, warum Sánchez diesen Weg nicht gehen sollte und reiht sich damit in eine breite Pressekampagne gegen Podemos ein.

Nach Iglesias wurde Sánchez vom Monarchen in Empfang genommen und über den Vorschlag informiert. Auf der Pressekonferenz im Anschluss musste der Sozialdemokrat auf Podemos antworten. Zuerst wollte er die Tragweite des Vorschlages abschwächen, indem er darauf hinwies, dass die Verhandlungen gerade erst begonnen worden. Er warte erst darauf ab, dass Rajoy eine Regierung zu bilden versuche. Nach dessen Scheitern würde er es versuchen. Doch er erkannte auch an, dass die sozialdemokratischen Wähler*innen ein Scheitern einer PSOE-Podemos-Regierung nicht verstehen würden.

Das letzte Treffen des Königs fand am Freitag Nachmittag mit dem Ex-Ministerpräsident Mariano Rajoy statt. Das Königshaus erklärte kurz darauf, dass Rajoy keine Regierung bilden wolle und deshalb eine neue Verhandlungsrunde in der kommenden Woche stattfinden würde. Wenige Minuten später nur verkündete Rajoy auf der Pressekonferenz an, seine „Kandidatur nicht zurückzuziehen“… aber dass er die nötige Unterstützung nicht hätte.

Einige Analyst*innen wollten in den Aussagen von Rajoy nur ein „intelligentes Manöver“ sehen, um den Druck von ihm auf Pedro Sánchez zu verlagern und darauf abzuwarten, dass die Vorsitzenden der verschiedenen Regionen einen Deal mit Podemos verhindern. Doch in Wirklichkeit ist die Ablehnung von Rajoy, selbst eine Regierung bilden zu wollen die Anerkennung der Niederlage der PP. Sie bekommen die nötigen Abgeordneten nicht zusammen und Rajoy wollte die negative Abstimmung im Parlament vermeiden.

Damit ist die Möglichkeit einer „Linksregierung“ sehr viel näher, jedoch nicht einfach. Die PP und die neoliberale Rechte Ciudadanos haben 162 Abgeordnete. Die Summe aus PSOE, Podemos und Izquierda Unida sind 161. Sollten die Verhandlungen fortschreiten, bräuchte Sánchez bei der zweiten Abstimmung immer noch eine einfache Mehrheit, also die Unterstützung zwei weiterer Abgeordneter und keiner zusätzlicher Gegenstimmen.

Doch dafür müsste erst der Widerstand innerhalb der PSOE ausgeschaltet werden. Die „Barone“ aus den Regionen knirschen mit den Zähnen und einige von ihnen hoffen unter vorgehaltener Hand sogar auf eine „Große Koalition“ mit der PP. Anführer*innen wie Rubalcaba, Maldina und andere haben den Vorschlag von Pablo Iglesias als eine „Beleidigung“ und den „Versuch einer Demütigung“ bezeichnet.

In den nächsten Wochen werden die Verhandlungen und die politische Unsicherheit weitergehen. Die Möglichkeit neuer Wahlen im April oder Mai ist nicht ausgeschlossen, doch jetzt nimmt die Möglichkeit einer „Linksregierung“ von der PSOE, Podemos und Izquierda Unida das Zentrum der politischen Debatte ein.

Mit der Kaste regieren

Pablo Iglesias rief die PSOE dazu auf, schon jetzt öffentliche Verhandlungen zur Regierungsbildung zu beginnen. „Spanien kann es sich nicht erlauben, auf Rajoy zu warten.“ Und weiter: „Wir werden über die Regierung, Teams und Aufgaben sprechen und wir diskutieren ohne rote Haltelinien […] Eine plurale Regierung mit einer proportionalen Zusammensetzung nach den Wahlergebnissen von der PSOE, Podemos, den Bündnissen und auch von Izquierda Unida“, versicherte Iglesias.

Ermutigt und mit der Gewissheit, den Verlauf der Verhandlungen zu bestimmen, machte Iglesias sein Regierungsangebot. Ein wichtiger Teil waren die Notmaßnahmen in den ersten 100 Tagen, „um schwierige Situationen sozialer Notlage zu beenden, wie die Zwangsräumungen ohne Wohnalternative, die armutsbedingten Strom- und Gaskürzungen oder dass Frauen Opfer sexueller Gewalt werden und keine Wohnalternative haben. Außerdem gibt es hunderttausende Bürger in Spanien, die arbeitslos sind und keine Unterstützung bekommen.“

Zweitens forderte er „Maßnahmen des Staates um die notwendigen Verfassungsänderungen vorzunehmen, die die neue Transition benötigt“. Abgesehen von dem direkten Effekt des Vorschlags beinhaltet er abstrakte Definitionen mit lauwarmen sozialem Inhalt, die nur darauf abzielen, die Verhandlungen mit der PSOE zu beginnen, und zu zeigen, dass man „ohne rote Linien“ verhandeln will. Doch das „portugiesische Modell“ einer „Linksregierung“ (also unter Anführung der Sozialdemokratie) ist das Gegenteil des Kampfes für die Erfüllung der demokratischen und sozialen Forderungen.

Die PSOE ist einer der Pfeiler des Zweiparteiensystems von 1978, die zuerst mit Felipe González von 1982 bis 1996 und mit Zapatero von 2004 bis 2011 regierte. Sie ist keine wirkliche Alternative der „Veränderungen“ für die Arbeiter*innen und verarmten Schichten der Bevölkerung. Im Gegenteil handelt es sich um die Partei, die einen großen Teil der kapitalistischen Krise verwaltete, indem sie Banken rettete, soziale Rechte einschränkte und Kürzungen und Entlassungen durchführte. Sie lehnt das Recht auf Selbstbestimmung ab und verteidigt die Monarchie und die Einheit Spaniens. Früher wurde die PSOE von Podemos noch als „Kaste“ gemeinsam mit der PP bezeichnet, doch jetzt ist Pablo Iglesias ein echter „Staatsmann“.

Der Regierungsvorschlag ist die letzte Station des „Kurses ins politische Zentrum“ und des Aufgebens der grundlegenden demokratischen Forderungen. Sie drückten sich 2012 ist der „Empörtenbewegung“ aus, die sowohl die PP als auch die PSOE als „politische Kaste“ der „korrupten Politiker*innen im Dienste des Marktes und der Banken“.

Nach den Regionalwahlen im Mai 2015 näherte sich Podemos stärker an die PSOE an, indem sie Bildung von sozialdemokratischen Regierungen in einigen Regionen unterstütze, im Gegenzug zur Unterstützung der PSOE von neuen Regierungen in Madrid und Barcelona. Doch damals lehnten sie es noch ab, in von der PSOE angeführte Regierungen einzutreten. Jetzt macht Podemos einen weiteren Schritt hin zur Integration in das Regime und möchte Vizepräsident von Pedro Sánchez sein. Eine solche Regierung hat jedoch nichts „linkes“, sondern soll die Ordnung des Regimes „wiederherstellen“.

Die Erfahrung aus Griechenland muss eine wertwolle Lehre für die aktuelle Situation im Spanischen Staat sein. Dort verwandelte sich die selbsternannte „Anti-Austeritäts-Regierung“ von Syriza in die Vollstreckerin derselben, indem sie alle von der Troika geforderten Maßnahmen akzeptierte. Dabei handelte es sich damals sogar um eine Regierung ohne die Sozialdemokratie der PASOK. Der Vorschlag von Iglesias ist deutlich rechter als der seines Freundes Tsipras.

Mehr als fünf Millionen Menschen wählten am 20. Dezember Podemos. Fast eine Million wählte Izquierda Unida. Diese Wählerstimmen für Parteien der „Veränderungen“ drückte die Hoffnung aus, dass sich durch Wahlen und in den Institutionen die demokratischen und sozialen Forderungen erfüllen können, die sich in jeder einzelnen Demonstration seit dem Beginn der kapitalistischen Krise ausdrückten.

Doch weder Podemos noch Izquierda Unida wollen eine Lösung auf diese Forderungen geben, sondern bereiten sich darauf vor, die griechische Erfahrung zu wiederholen. Oder sie schlimmer noch aus einer weit aus rechteren Position nachzuahmen, indem sie sich unter einen der Pfeiler des Regimes unterzuordnen, um als beste Ärzte des krankenden Kapitals zu dienen. Wie Marx sagte, ereignet sich die Geschichte immer zweimal: „das eine Mal als große Tragödie, das andre Mal als lumpige Farce“.

Die Verhandlungen sind noch nicht beendet und auch die politische Krise ist noch nicht vorbei. Doch angesichts einer drohenden „Linksregierung“, die nur neue Enttäuschungen bringen wird, ist der Kampf für die Wiederaufnahme der sozialen Mobilisierungen und des Aufbaus echter verfassungsgebender Prozesse im gesamten spanischen Staat und den Nationen unumgänglich, in denen sich alle demokratischen und sozialen Forderungen diskutieren und lösen lassen.

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