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Pakistan

Obamas dritter Krieg?

18/06/2009

Während am 6. Mai in Washington das so genannte „dreigliedrige Gipfeltreffen“ zwischen den Präsidenten Barak Obama (USA), Hamid Karzai (Afghanistan) und Asif Zardari (Pakistan) abgehalten wurde, das von dem US-Präsidenten einberufen worden war, um eine verstärkte Zusammenarbeit mit den NATO-Truppen im Kampf gegen die Taliban und Al-Qaida zu erreichen, wurde die Nachricht bekannt, dass mehr als 150 Afghanen, laut dem Bericht humanitärer Organisationen vor allem Frauen und Kinder, während der Bombenangriffe der Besatzungstruppen am 4. Mai in der Provinz Farah gestorben waren.
Entgegen den Illusionen derjenigen, die glaubten, Obama würde mit der Politik Bushs Schluss machen und das Ende des „Krieges gegen den Terrorismus“ ausrufen, also den „Af-Pak“-Plan beenden, unter dem die militärischen Einsätze in Afghanistan und Pakistan laufen – macht Obama nicht mehr und nicht weniger, als die US-Offensive in Zentralasien zu vertiefen, um eine verstärkte Zusammenarbeit, vor allem mit der pakistanischen Regierung, im Kampf gegen die Taliban und andere Milizen zu erlangen. Diese haben ihre Angriffe gegen die US-Truppen verschärft und drohten, eine Krise großen Ausmaßes in Pakistan mit unvorhersehbaren regionalen Auswirkungen auszulösen.

Begrenzte Möglichkeiten
Neben der schwierigen Situation, in der sich die imperialistischen Truppen in Afghanistan befinden, seitdem die Taliban und die so genannten „Warlords“ (Kriegsherren) die territoriale Kontrolle der gesamten Provinz im Süden und Osten (im Rahmen der großen Unbeliebtheit der Besatzungstruppen) wieder übernommen haben, ist die andere große Sorge der Regierung Obamas, dass der Krieg sich auf Pakistan ausgeweitet hat.
Obgleich sowohl Karzai als auch Zardari prowestlich eingestellt sind, haben sich ihre Beziehungen zu den Vereinigten Staaten rapide verschlechtert. Im Fall von Afghanistan führt H. Karzai eine Marionettenregierung der NATO Besatzung an: Da er versucht hatte, auf die „moderaten“ Taliban zuzugehen, hatte er die Unterstützung der USA verloren, die ihn bei den kommenden Präsidentschaftswahlen im Juni auswechseln wollte,wobei eine Strategie verfolgt wurde, die die Regierung Bush bereits im Irak angewandt hatte. Karzai jedoch akzeptierte dieses Vorgehen nicht und wird vielmehr zusammen mit einem ehemaligen Kriegsherren als Vizepräsidenten, der des Verstoßes gegen die Menschenrechte und des Drogenhandels beschuldigt wird, antreten. Die Regierung Obamas fand sich bereits mit der Möglichkeit seiner Wiederwahl ab und wird auch weiterhin zu Verhandlungen mit Karzai gezwungen sein, bis sie haltbarere Figuren findet. Im Fall von Pakistan sind die Aussichten nicht wesentlich ermutigender. Zardari wurde das Ziel von Kritik aus dem Weißen Haus für seine Verhandlungspolitik mit den Taliban, welche er verfolgte, da die Armee nur zögernd eine militärische lösung anstreben würde, die nicht auf die breite Unterstützung der Bevölkerung stößt. Pakistan scheint auch die Politik der USA in Bezug auf den Konflikt mit Indien (Pakistans historischem Rivalen) nicht zu akzeptieren und im Wesentlichen eine Armee für die Aufstandsbekämpfung und den Bürgerkrieg zu trainieren.
Am Vorabend des Gipfeltreffens, nach enormem Druck von Seiten der US-Regierung, startete die Armee Pakistans schließlich eine militärische Offensive gegen das Swat-Tal, das seit einer Einigung im Februar unter Kontrolle lokaler Talibangruppen stand. Diese Einigung war vom Parlament genehmigt worden, wodurch die Regierung ihnen die Umsetzung der Shariah (islamisches Recht) im Gegenzug für die Einstellung der bewaffneten Angriffe gewährt. Dieser Politik stellten sich die Vereinigten Staaten vehement entgegn. Die Spannung wuchs, nachdem sich die Taliban-Milizen Mitte April entschlossen hatten, ihr Einzugsgebiet zu erweitern, und einige Tage das Gebiet von Burne besetzten, eine Fläche von über 1,3 Millionen Einwohnern, nur 90 km von der Hauptstadt Islamabad enfernt.
Als die Nachricht von diesem Vorstoß der Taliban und der zunächst unklaren Politik der lokalen und nationalen Regierung bekannt wurde, erklärte die Außenministerin der USA, Hillary Clinton, dass Pakistan zu einer „Bedrohung für die Welt“ würde, und warf der Regierung vor, gegenüber „Taliban und Extremisten aufzugeben“. Sie ging sogar soweit zu behaupten, dass die Vereinigten Staaten um das Schicksal des nuklearen Waffenarsenals Pakistans fürchteten, wenn die Taliban den „Sturz der Regierung“ herbeiführten. Dies trotz der Tatsache, dass Geheimdienstberichte der Vereinigten Staaten klar darauf hinwiesen, dass es keine Möglichkeit der Machtübernahme durch die Taliban gebe.
Obama stufte öffentlich die Regierung Pakistans als „zerbrechlich“ und „nicht in der Lage ein, der Bevölkerung die grundlegende Versorgung zu sichern, geschweige denn eine populäre Basis aufzubauen“. Einige Tage vor dem Gipfel in Washington wurde sogar offen in der US-Presse berichtet, dass der Sondergesandte der Vereinigten Staaten, Richard Hoolbroke, enge Kontakte mit dem Oppositionsführer Nawaz Sharif aufgebaut habe.
Doch trotz dieser Widersprüche wird Obama versuchen, durch eine Kombination von politischem Druck und Geld Zardari zu dem „Kampf gegen Al Qaeda“ zu verpflichten. Gleichzeitig soll die Pakistanische Armee im Wesentlichen weiterhin die Bodenangriffe gegen die lokalen Milizen führen, während die Vereinigten Staaten auch weiterhin ihre Bombenangriffe von unbemannten Luftfahrzeugen aus durchführt - zwar eine sehr unpopuläre militärische Praxis, jedoch von der Regierung Pakistans bewilligt. In diesem Sinne versprach Obama Hilfen für nicht-militärische Ausgaben in Höhe von 1.500 Millionen US-Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren zuzüglich 400 Millionen für die Ausbildung der Sicherheitskräfte, die den Taliban gegenüberstehen.
Obamas Plan ist die Regionalisierung des „Af Pak“ - Konflikts und eine stärkere Zusammenarbeit vor allem mit Russland und dem Iran zur Stabilisierung der Region. Diese Politik, die immer mehr sowohl finanzielle als auch militärische Mittel im Krieg in Afghanistan und jetzt Pakistan erfordert, begann bereits einige Zweifel in den Reihen der eigenen Partei der Demokraten hervorzurufen. So erklärte der Vertreter Wisconsins, David Obey, der den Vorsitz des Ausschusses im Kongress zur Billigung von Ausgaben des Bundes innehält, er „gebe dem Weißen Haus nur ein Jahr, um konkrete Ergebnisse zu erzielen“, und verglich Obamas Ansatz des Öfteren mit Plänen des Präsidenten Richard Nixon in Vietnam im Jahr e1969 . (NYT, 4-05-09).

Failed State?
Die proamerikanische Regierung Pakistans unter Asif Zardari, einer der wichtigsten Millionäre des Landes, dem die Führung der Pakistan People’s Party nach der Ermordung seiner Frau Benazir Bhutto vererbt wurde, verlor in kaum einem Jahr fast seine gesamte gesellschaftliche Unterstützung, da mit jedem militärischen Angriff, der Opfer unter der Zivilbevölkerung fordert, die antiamerikanische Stimmung im Land wächst. Pakistan befindet sich in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, die katastrophale Ausmaße anzunehmen drohte und in den letzten zwei Jahren große Demonstrationen unter den Arbeitern auslöste. Nach einem jüngsten Bericht der Weltbank „steht Pakistans eigene Nachhaltigkeit als unabhängige Nation auf dem Spiel, da die Knappheit zu wachsender sozialer Unzufriedenheit und zu Disharmonien zwischen dem Bund und den Provinzen führen könnte“. Um das schlimmste Szenario zu verhindern, bewilligte der IWF Ende 2008 ein Darlehen in Höhe von 7600 Millionen US-Dollar und die Vereinigten Staaten organisierten im vergangenen April eine „Geldgeber-Konferenz“ in Tokio, wo sie erreichten, dass Großbritannien, Japan, Saudi-Arabien, Südkorea und andere „Freunde Pakistans“ Hilfen in Höhe von 5300 Millionen Dollar versprachen. (The Economist, 30-4-09).
Diese finanzielle Unterstützung wurde gewährt, obwohl Pakistan aus den Vereinigten Staaten rund 10.000 Millionen US-Dollar militärischer Hilfe neben nicht bekannten Summen für Geheimdienstausgaben in den letzten sieben Jahren erhalten hat. Dem hinzuzufügen ist die verheerende Niederlage, die die Regierung im Kampf gegen den ehemaligen Präsidenten Nawaz Sharif, der die wichtigste Oppositionspartei, die Muslimische Liga Pakistans, anführen wird, zu verkraften hatte.
Die Armee und der Geheimdienst des Landes (ISI) pflegen historische Beziehungen zu den Taliban, die, worauf vor kurzem Hillary Clinton hinwies, aus dem Kampfe gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan entstanden sind, während dem beide Parteien mit finanzieller und militärischer Unterstützung der Vereinigten Staaten rechnen konnten.
Abgesehen von einer wichtigen Arbeiterklasse, die Streiks gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise anführte, ist Pakistan tief gespalten in eine städtische Mittelschicht,
meist säkular geprägt, die in den Genuss der „Modernisierung“ kam und die Basis der Demonstrationen gegen die Regierung darstellte, und eine große ländliche Bevölkerung in den Provinzen an der Grenze zu Afghanistan, die hauptsächlich in Armut und Unterentwicklung lebt – hier konnten die Taliban neben anderen bewaffneten Gruppen und Parteien ethnischer Minderheiten an Stärke gewinnen.
Doch während dieses Phänomen für die meisten westlichen Analysten nur eine „Talibanisierung“ Pakistans durch die Anwesenheit von fanatischen Stämmen darstellt, nutzt die Taliban in Wirklichkeit die tief greifenden sozialen Ungleichheiten und möglichen Klassenkonflikte aus, um eine Basis für ihre zutiefst reaktionäre Politik zu gewinnen. Laut einem Artikel in der New York Times seien die Fortschritte der Taliban in Pakistan darauf zurückzuführen, dass sie „die tiefe Spaltung zwischen einer kleinen Gruppe von reichen Landbesitzern und ihren landlosen Pächtern ausnutzten“. Außerdem werde diese „Fähigkeit zur Nutzung der Klassengegensetzte zu einer neuen Dimension des Aufstand“, weil die Struktur der pakistanischen Gesellschaft nach wie vor weitgehend feudal organisiert ist“.
Laut diesem Artikel war die Strategie, die die Taliban umsetzten, um das Swat-Tal einzunehmen, „die Organisierung von bewaffneten Bauernbanden“, denen nicht nur die „Einführung der Shariah, sondern auch eine Umverteilung von Land“ versprochen wurde, eine Strategie, die, „so befürchtet die Regierung, auf Punjab (die bevölkerungsreichste Provinz des Landes) übertragen werden könnte, da die Provinz, in der die Milizen bereits an Kraft gewonnen haben, genauso reif für die gleichen sozialen Umwälzungen, die das Swat-Tal erschütterten, reif wäre.“ (NYT, 16-4-09).
Der Widerspruch liegt darin, dass es nicht gilt, eine Handvoll „Terroristen“ zu erledigen, sondern dass eine Eskalation der Pakistanischen Armee, die als Stoßkraft zum Schutze der strategischen Interessen der USA in Zentralasien auftritt, oder gar eine militärische Invasion durch die Vereinigten Staaten bereits vorhandene Tendenzen in Richtung eines Bürgerkrieges verschärfen könnte, statt die Region zu „stabilisieren“.

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