Politische Erklärung der Trotzkistischen Fraktion
Angesichts der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kuba und den USA
22/12/2014
// Politische Erklärung der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale //
Obama erkennt das politische Scheitern der kriminellen Strategie der Blockade der Insel an – obwohl sie weiter als Druckmittel in Kraft ist – und verfügt die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen mit Havanna. Er lässt sich auf diese grundlegende Ebene der Beziehungen zwischen Staaten ein, aber er tut dies zur Verstärkung der US-amerikanischen Einmischung in den Prozess der kapitalistischen Restauration auf der Insel. Das ist Teil seiner Manöver zur Zurückeroberung von politischem Terrain in Lateinamerika. Dies findet im Rahmen des Niedergangs der US-Hegemonie statt und ist Teil einer globalen Strategie gegenüber den Herausforderungen, die ihnen andere Mächte stellen. Was hinter dieser Maßnahme auf dem Spiel steht, ist die Zukunft Kubas selbst und die der Errungenschaften, die noch aus der Revolution überlebt haben. Es ist nichts Gutes von dem Abkommen und den Geheimverhandlungen zwischen den Regierungen Obamas und Raúl Castros zu erwarten, die von Papst Franziskus unterstützt und abgesegnet wurden und denen die europäischen Regierungen und die „Progressiven“ Lateinamerikas applaudieren, allesamt daran interessiert den restaurativen Prozess zu vertiefen.
1.
Die Verkündung des Abkommens, vollwertige diplomatische Beziehungen zwischen den USA und Kuba aufzubauen, hat internationale Bedeutung. Dies stellt einen tiefgründigen Kurswechsel in der Ausrichtung des nordamerikanischen Imperialismus gegenüber dem kubanischen Staat dar. Dass es der nordamerikanische Imperialismus akzeptiert, vollwertige diplomatische Beziehungen mit Kuba aufzunehmen, wie mit irgendeinem anderen Staat der Welt, stellt zuerst eine verspätete Anerkennung des politischen Scheiterns der US-amerikanischen Strategie der offenen Feindseligkeit und Blockade dar, die, wie es selbst Obama sagt, „nichts genutzt hat“. An zweiter Stelle ist dieser Schritt nicht Ergebnis des „guten Willens“ vom Papst oder von Obama, sondern das Nebenprodukt der Notwendigkeit des Imperialismus, sich an das Kräfteverhältnis in der Region anzupassen. In diesem Kräfteverhältnis spielt Kuba eine wichtige Rolle, ebenso wie der hartnäckige antiimperialistische Widerstand des kubanischen Volkes und die Solidarität der Völker Lateinamerikas angesichts des Interventionismus der USA einen Schlüsselfaktor darstellen. Trotz der desaströsen Politik der castristischen Führung repräsentiert Kuba in der Vorstellung von Millionen in Lateinamerika und der Welt das revolutionäre Erbe von 1959 (das gezeigt hat, dass es möglich ist, den Imperialismus zu verjagen und die KapitalistInnen zu enteignen) und den Willen zum antiimperialistischen Widerstand. Deshalb erregt diese Maßnahme große Aufmerksamkeit bei vielen ArbeiterInnen und Jugendlichen, die mit großer Sympathie etwas begrüßen, was als Erfolg dargestellt wird, der Kuba zugute komme. Aber das Ìbereinkommen kann nicht von der Gesamtheit der politischen Situation in Kuba und der Welt getrennt werden und auch nicht von der generellen Politik der Obama-Regierung und seiner konterrevolutionären Ziele.
2.
Das Ìbereinkommen, das von Obama und Raúl Castro getrennt angekündigt wurde, wurde begleitet von der Befreiung und Rückführung in ihre Heimat der drei Kubaner, die in den USA für ihre Rolle im Kampf gegen die konspirativen Pläne der kubanischen Ultrarechten und der CIA verurteilt wurden (zwei weitere Kubaner [der sogenannten „Cuban Five“, AdÌ.] waren schon befreit worden und ihre Freiheit war eine richtige Forderung der internationalen Linken). Im Gegenzug wurde den USA Charles Gross übergeben, der beschuldigt wird, für die Washingtoner Geheimdienste zu arbeiten. Dies war das Ergebnis von langwierigen Verhandlungen, in denen der Vatikan als Vermittler auftrat und so die Rolle der katholischen Kirche Kubas auf der Insel nutzte, und die von Kanada, engem Verbündetem der USA, unterstützt wurden. Dies könnte der erste Schritt hin zu einer größeren Liberalisierung des Handels und des Tourismus zwischen den USA und Kuba sein, auch wenn die vollständige Aufhebung der Blockade von Verhandlungen im US-amerikanischen Kongress abhängen wird. Es ist möglich, dass diese Entscheidung trotz der republikanischen Rechten und der kubanisch-nordamerikanischen Lobby in beiden Parteien die Türen zum Ende dieser Handels- und Finanzblockade öffnet.
3.
1961 hat Washington die Beziehungen zu Kuba abgebrochen und die Blockade errichtet, als Teil einer Strategie zur Erstickung der kubanischen Revolution. Der historische Triumph der kubanischen Revolution im lateinamerikanischen „Hinterhof“ der USA war ein schwerer Schlag für den nordamerikanischen Imperialismus. Es waren die Zeiten des „kalten Krieges“ und diese aggressive Linie des Imperialismus, begleitet von der Vorbereitung von direkten Interventionen, wie der gescheiterte Versuch der Invasion der Schweinebucht, war ein wichtiger Grund dafür, dass die kubanische Führung (deren praktisch nationalistischer und kleinbürgerlicher Orientierung eine konsequente Strategie der Allianz mit der internationalen ArbeiterInnen- und Massenbewegung fehlte) sich der Sowjetunion unterordnete und sich in den Stalinismus integrierte. Seitdem hat die kriminelle Blockade einen enormen Schaden für die KubanerInnen verursacht, konnte aber weder Fidel Castro stürzen, noch Kuba in das Herrschaftsgebiet des nordamerikanischen Imperialismus wiedereingliedern. Im Laufe von mehr als einem halben Jahrhundert voll großer historischer Veränderungen (unter anderem das Scheitern des internationalen revolutionären Aufschwungs der 70er Jahre, der Sturz der Sowjetunion und die kapitalistische Restauration in den Staaten des Ostens, usw.) wurde die Blockade weiter aufrechterhalten, aber in ihrer konkreten Ausgestaltung immer wieder verändert. In den 90er Jahren, mit dem Helms-Burton-Act, setzte Washington darauf, Kuba zu ersticken, um einen „Regimewechsel“ zu erreichen., Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die Insel ihre Verbindungen zu der UdSSR verlor, aber die Effekte dieser Politik wurden teilweise durch den gestiegenen Handel mit und Tourismus aus europäischen ländern, China und Südamerika abgemildert. Zum Schlüsselfaktor für Kuba aber wurde die Allianz mit Venezuela, die für die Zufuhr billigen Öls sorgte. Nichtsdestotrotz existieren schon seit Jahren Verhandlungen und Abkommen zwischen Washington und Havanna, wie zu den Themen Migration oder Drogenhandel, und die Blockade wurde in den letzten Jahren immer weiter geschwächt. Die USA sind schon jetzt ein wichtiger Handelspartner der Insel und ihr wichtigster Lieferant von landwirtschaftlichen Produkten, aber die aktuelle Situation bleibt sehr schädlich für Kuba, das die Importe aus Nordamerika mit Devisen und in bar zahlen muss, keinen Zugang zu bestimmten Branchen hat und anderen Hemmnissen begegnet. Die Situation ist auch nachteilig für US-Unternehmen, die auf verschiedene Manöver wie den Handel über Dritte zurückgreifen müssen, um mit der Insel handeln zu können, was sie in der Konkurrenz zu europäischen und anderen Konzernen benachteiligt. Deshalb sind sie an einer Liberalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen interessiert, die es ihnen erlauben würde, bessere Geschäfte auf der Insel zu machen.
4.
Die Regierung von Obama führt diese Politikwende gegenüber Kuba nach langem Taktieren durch, zu einem Zeitpunkt, zu dem schon breite Sektoren innerhalb des Establishments sich für einen Wechsel ausgesprochen haben (wie es aktuelle Leitartikel in der New York Times widerspiegeln), zu dem die USA praktisch alleine auf ihrer Blockade-Position verblieben sind, selbst in der UNO, und zu dem praktisch alle lateinamerikanischen Regierungen diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen mit Havanna unterhalten. Tatsächlich kam es praktisch zu einer „Einheitsfront“, die europäische Mächte, wichtige Sektoren der nordamerikanischen Bourgeoisie usw. mit der katholischen Kirche verband und die darauf hingewirkt hat, dass Washington das Auslaufmodell der Blockade aufgibt. Es ist kein Zufall, dass die Ankündigungen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen, die in den imperialistischen Medien gelobt wurden, von US-Konzernen gefeiert wurden, die ein Interesse am kubanischen Markt haben. Aktienkurse transnationaler Unternehmen wie Sherrit International, einem kanadischen Bergbauunternehmen, das Nickel abbaut, der spanischen Hotelkette Meliá und anderer Unternehmen mit Investitionen auf der karibischen Insel stiegen ebenfalls an. Selbst innerhalb der kubanischen Exilgemeinde in den USA besteht ein Unterschied zwischen der alten Generation der offen anti-castristischen „Gusanos“, die direkte Interventionen und Blockaden unterstützen, und der jüngeren Generation, die einer verhandlungsbereiten Position anhängen.,Letztere geben nicht das Projekt der kapitalistischen Restauration auf, aber sie sind für die Methode der „demokratischen Konterrevolution“ und praktizieren sie seit einiger Zeit. Damit gewinnt die Neuorientierung der nordamerikanischen Politik gegenüber Kuba weiter an Kraft: Die diplomatischen Beziehungen werden neu geknüpft werden und es wird sich der Aufhebung der Blockade genähert. Dies aber nur, um die diplomatische und wirtschaftliche Einmischung effektiver zu machen und die Kräfte der „Öffnung“ innerhalb Kubas zu stärken. Letztendlich sind die Ziele die gleichen wie immer: die vollständige kapitalistische Restauration zu erreichen, einem Regimewechsel den Weg zu bereiten, Vorbereitungen zu treffen für die Wiedereingliederung Kubas als Halbkolonie in die eigene Einflusszone.
5.
Obama macht diesen Schritt auf Kuba zu zur gleichen Zeit, wie der Kongress ein Gesetz verabschiedet, das zynischerweise „Gesetz der Verteidigung der Menschenrechte in Venezuela“ genannt wird und welches Sanktionen gegen Mitglieder der chavistischen Regierung vorschlägt. Auch wenn diese zwei Maßnahmen wie ein Widerspruch erscheinen, wie es der linke Chavismus in Venezuela analysiert, so sind das Ìbereinkommen mit Kuba und das Gesetz gegen Venezuela zwei taktische Maßnahmen im Rahmen einer einzigen Strategie der imperialistischen Einmischung, um die Zukunft von Kuba und Venezuela zu beeinflussen. Mit dem Beschluss dieses Gesetzes soll die chavistische Regierung unter Druck gesetzt werden und die rechte Opposition gestärkt werden; indem er die Beziehungen zu Kuba wiederherstellt, möchte Obama seine Möglichkeiten ausbauen, Druck und Einfluss innerhalb Kubas auszuüben. Die USA sind weit davon entfernt, die Disziplinierung der länder des Kontinents, die sich als ihrer Autorität gegenüber widerspenstig erwiesen haben, aufzugeben. Es sind falsche Illusionen, die die „progressiven“ Regierungen schüren, wenn sie den „Mut“ Obamas loben, wie es beispielsweise Nicolás Maduro getan hat. Im Gegenteil, wenn sie in Washington versuchen, offensiv einen Moment der internationalen Krise zu nutzen, die die BRICS-Staaten und Lateinamerika und besonders Venezuela trifft, dann ist es noch krimineller als sonst, Hoffnungen in den „guten Willen“ von Obama und in die Möglichkeit von progressiven Ìbereinkommen mit dem unterdrückerischen Imperialismus zu wecken.
6.
Der Kurswechsel in den kubanisch-amerikanischen Beziehungen zielt auf eine sehr viel weiter reichende Strategie ab, nämlich auf eine Neuverhandlung der Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika. Die „Geopolitik“ der Karibik und der Prozess der Restauration, der sich in Kuba zu vervollständigen droht, sind eng verbunden. Die Sonderwirtschaftszone im großen Hafen von Mariel, gebaut mit brasilianischer Unterstützung, wo sich zahlreiche Unternehmen niederlassen wollen, unter anderem chinesisches Kapital, zielt darauf ab, ein Zentrum des Handels und der Maquiladora-Industrie zu werden. Sie liegt nah an den nordamerikanischen Häfen und ist an Asien und China durch einen verbreiterten Panamakanal angebunden, ebenso wie durch den neuen Kanal, den die sandinistische Regierung (eine enge Verbündete Kubas) in Nicaragua vorantreibt, mit chinesischer Finanzierung. Der Schachzug der Vereinigten Staaten soll den Versuchen Chinas und Russlands, Kuba an ihre Allianz anzunähern, einen Strich durch die Rechnung machen und die Beteiligung der US-amerikanischen Konzerne an der „Öffnung“ der kubanischen Volkswirtschaft sicher stellen. Das wird heute durch die Blockade gebremst, die außerdem nicht verhindern konnte, dass sich starke spanische und allgemein europäische sowie kanadische Interessen auf der Insel durchsetzen. Obama möchte zur gleichen Zeit die Allianz zwischen Kuba und Venezuela unterminieren und den Interessen seiner europäischen Verbündeten und Brasiliens in Kuba Grenzen setzen. Dies ist eine zentrale Achse seiner gesamten Karibikstrategie. Die Vereinigten Staaten brauchen Lateinamerika, um ihre in Frage gestellte Welthegemonie zu verteidigen, indem der schon erreichte Einfluss der „aufsteigenden Mächte“ der sogenannten BRICS-Staaten zurechtgestutzt werden und unerwünschte regionale Allianzen verhindert werden sollen. In diesem Sinne sind die aktuellen Maßnahmen Teil einer Linie, die die verschlechterten Beziehungen mit der gesamten Region verbessern und die Autorität der USA wiederherstellen sollen. Die Entspannungspolitik in der „kubanischen Frage“ ist ein sehr wichtiges Element in dieser Neuverhandlung der kontinentalen Beziehungen. Zu diesem Bild der Neuordnung der Erbschaften aus Zeiten des „kalten Kriegs“ gehört auch die klare Unterstützung der „Friedensverhandlungen“ in Havanna zwischen der FARC und der Regierung Santos durch Obama, die dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien ein Ende setzen sollen.
7.
In diesem Kontext muss auch davor gewarnt werden, dass es zwar eine objektive Notwendigkeit für die kleine und schwache kubanische Volkswirtschaft ist, „normale“ Handelsbeziehungen mit der nächsten und weltgrößten Volkswirtschaft zu etablieren, dies aber auch ein hervorragendes Druckmittel für die Absichten des Imperialismus darstellt. Dieser kann seine enormen wirtschaftlichen, finanziellen und technologischen Ressourcen einsetzen, ebenso wie er das Gewicht der kubanischen AuswandererInnen nutzen kann, unter denen es eine vermögende Bourgeoisie gibt, um so den pro-kapitalistischen Druck zu verstärken, während er gleichzeitig auf eine „politische Öffnung“ drängt. Die AnführerInnen des nordamerikanischen Imperialismus haben sich zur Zeit auf eine tolerantere Linie gegenüber der castristischen Bürokratie geeinigt, so wie sie es auch in China oder Vietnam getan haben, wo sie akzeptiert haben, dass es die „kommunistischen“ BürokratInnen selbst sind, die die Rückkehr zum Kapitalismus steuern. Aber sie werden trotzdem nicht damit aufhören über verschiedene Mittel Druck auszuüben, um ihre Forderungen durchzusetzen – die wirtschaftliche Erpressung mit der noch wirksamen Blockade mit eingeschlossen. Deshalb kann es die andere Seite der Medaille der Entspannungspolitik von Washington sein, dass es auf Kuba zu einem qualitativen Sprung im Prozess der kapitalistischen Restauration kommt. Tatsächlich wurde die nationalisierte Ökonomie schon stark beschädigt durch „Pro-Markt“-Maßnahmen, die die Bürokratie seit Jahren umsetzt und die seit dem 6. Kongress der kommunistischen Partei massiv ausgeweitet werden. Dies schließt Maßnahmen wie das neue Gesetz zu ausländischen Investitionen mit ein.
8.
Die Regierung von Raúl Castro präsentiert die Wiederherstellung der Beziehungen als einen diplomatischen Triumph, der seinen allgemeinen Kurs der Marktöffnung und der Kürzungen auf Kosten der Lohnabhängigen, der Zerstörung der Reste der verstaatlichten Wirtschaft und anderer Errungenschaften der Revolution, und der größeren Öffnung für ausländisches Kapital bestätigen soll. Gleichzeitig wird er auf eine weitere Entspannung mit den Vereinigten Staaten hinarbeiten.Die kubanische Bürokratie folgt dem Beispiel der chinesischen Bürokratie, graduell mit der kapitalistischen Restauration voranzuschreiten und dabei das „Einparteiensystem“ beizubehalten, um ihre Privilegien zu sichern. Vor staatlicher Kontrolle geschützt machen Sektoren der Bürokratie selbst Millionengeschäfte und verbinden sich immer mehr mit dem ausländischen Kapital. Sie beschreiten den Weg der eigenen Kapitalakkumulation, um zur neuen Bourgeoisie zu werden. In den letzten Jahren wurde eine Reihe von ökonomischen Reformen durchgeführt, deren Ziel es war, ausländisches Kapital anzuziehen, wichtige Bereiche der Wirtschaft vom Staat zu trennen und soziale Errungenschaften abzubauen, wie im Gesundheitswesen, in der Erziehung, bei der Vollbeschäftigung und in anderen Bereichen, während sich gleichzeitig der Raum für „Privatinitiativen“ ausweitete. Dies, gemeinsam mit den „Pro-Markt“-Maßnahmen, hat schon einen Raum für die Entstehung einer sozialen Schicht mit Zugang zu größeren Gewinnen geschaffen, die auf eine weitere Öffnung drängen. Sie bilden die Grundlage für eine offener restaurationistische Politik, im Verbund mit der castristischen Bürokratie selbst. Und während das System die Möglichkeiten eines eigenständigen politischen Lebens der ArbeiterInnenklasse und des kubanischen Volkes erstickt, erlaubt es eine wachsende Betätigung der katholischen Kirche, dieser alten Konterrevolutionärin, die als einzige Opposition toleriert wird und als bevorzugte Gesprächspartnerin der Regierung erscheint. In der Tat spielt seit den Tagen von Johannes Paul II. die kubanische Kirche eine wachsende Rolle, im engen Dialog mit der Regierung in Havanna, um den restaurationistischen Kurs zu „begleiten“ und die „Versöhnung“ mit der kubanischen Exilgemeinde predigend, usw.
9.
Die „progressiven“ Regierungen und die Mehrheit der lateinamerikanischen Linken, vor allem diejenigen, die die kubanische Führung unterstützen, haben das Ìbereinkommen zwischen Obama und Raúl Castro euphorisch begrüßt und sich beeilt einen „revolutionären Triumph“ in der Wiederaufnahme der Beziehungen zu erkennen. Dabei beschönigen sie die Rolle von Obama und dem Papst und unterstützen damit den restaurationistischen Kurs der Regierung von Raúl Castro. Leider hat diese Verwirrung auch Teile der trotzkistischen Linken mit sich gerissen, die glauben einen „Sieg von David gegen Goliath“ sehen zu können, wie es die die GenossInnen der Partido Obrero (PO – ArbeiterInnenpartei) in Argentinien genannt haben. Damit lassen sie sich von der Begeisterung der öffentlichen Meinung der „Progressiven“ beeinflussen. Die Sichtweise dieser Maßnahme als Sieg steht im kompletten Widerspruch zu den großen Gefahren, die das Ìbereinkommen zwischen Obama und Raúl Castro mit sich bringt, und zu der Notwendigkeit einer richtigen Politik, um sich diesen Gefahren entgegenzustellen. Es wird ein Triumph der kubanischen Revolution über die Interessen des Imperialismus wahrgenommen, während der Imperialismus eigentlich vorrückt und sich auf einen noch weiteren Vormarsch vorbereitet. Auf der anderen Seite steht die brasilianische PSTU (Partido Socialista dos Trabalhadores Unificado – Vereinigte Sozialistische ArbeiterInnenpartei) und ihre internationale Strömung, die LIT-CI, die verkünden, dass die Wiederherstellung der Beziehungen aus der Tatsache folgt, dass Kuba schon seit langem zum Kapitalismus zurückgekehrt ist. Diese falsche Charakterisierung wird benutzt, um den Verzicht auf das Programm der politischen Revolution für Kuba zu rechtfertigen. Dieser Verzicht ist verknüpft mit den Revisionen der Theorie der permanenten Revolution, die diese Strömung mit dem Verweis auf die „demokratische Revolution“ vertritt und die zu schwerwiegenden politischen Fehlern führen. Es führt zum Beispiel dazu, ein Programm, das aus demokratischen Forderungen besteht, aufzustellen, ohne sie mit der Verteidigung der strukturellen Errungenschaften der Revolution zu verbinden, weil sie jene schon als aufgelöst begreifen. Damit wird sich ohnmächtig an den Druck der „demokratischen Konterrevolution“ angepasst. Die LIT-CI verwechselt den Anfang des Films (der Prozess der Auflösung des bürokratisierten ArbeiterInnenstaates auf Kuba und den Abbau seiner progressiven Grundlagen, wie die Enteignung der Produktionsmittel) mit seinem Ende (die vollständige kapitalistische Restauration, die sie als schon lange erreicht ansehen). Unsere Strömung vertritt dagegen die Position, dass selbst wenn der Prozess der Abwicklung der strukturellen Errungenschaften der Revolution bedrohlich voranschreitet, und zwar durch die herrschende Bürokratie selbst, die ihre eigene Grundlage mit den Kürzungen und „Pro-Markt“-Maßnahmen untergräbt, wir die Verteidigung der Errungenschaften und den Kampf für ihre Wiederherstellung nicht aufgeben dürfen. Deshalb ist es notwendig, das Programm der politischen Revolution aufzustellen, das wirtschaftlich-soziale Aufgaben mit einschließt und die Eroberung eines Systems der echten sozialistischen ArbeiterInnendemokratie und die Zerschlagung der Bürokratie voraussetzt, um auf einer gesunden Grundlage die Planwirtschaft und einen revolutionären ArbeiterInnenstaat wiederzuerrichten. Die politische Revolution auf Kuba ist eine historische Aufgabe von internationaler Dimension, untrennbar verbunden mit dem Kampf des ganzen Kontinents gegen den Imperialismus und für eine Föderation Sozialistischer Republiken von Lateinamerika.
10.
Wir, die wir konsequent die Errungenschaften der kubanischen Revolution von 1959 verteidigen, müssen klar und offen vor den Gefahren warnen, die in der neuen Kuba-Politik von Barack Obama verkörpert sind, und dazu aufrufen, der Regierung und den Plänen von Raúl Castro nicht zu trauen, ebenso wenig wie den „progressiven“ Regierungen, die die Entspannungspolitik des Imperialismus loben und gleichzeitig die Entwicklung hin zur Wiederherstellung des Kapitalismus auf Kuba unterstützen. Wir verteidigen das Recht Kubas, normale diplomatische Beziehungen mit allen ländern zu unterhalten, aber wir kritisieren, dass sie auf eine Weise vorgestellt werden, die Obamas Regierung und die „Vermittlerrolle“ des Papstes beschönigt. Wir fordern von der Regierung der Vereinigten Staaten die sofortige und bedingungslose Beendigung der kriminellen Wirtschaftsblockaden und die Rückgabe Guantánamos, der kolonialisierten Enklave auf kubanischem Territorium. Wir sind gegen die restaurationistischen Reformpläne und Anpassungsprogramme, die die Regierung Raúl Castros durchgeführt hat. Wir fordern die vollständige gewerkschaftliche und politische Organisationsfreiheit für die ArbeiterInnenklasse und für die politischen Strömungen, die die Errungenschaften der Revolution verteidigen und sich gegen den Imperialismus stellen. Wir sagen Nein zu den Anpassungsmaßnahmen und Kürzungen in der Lebensmittelverteilung, der Erziehung, der Gesundheitsversorgung und den sonstigen Errungenschaften, die die täglichen Nöte des kubanischen Volkes erleichtern. Wir sagen Ja zur Abschaffung der Privilegien und Pfründe der Bürokratie, die den Staat aussaugt und verdirbt, seine Ressourcen zum eigenen Vorteil umleitet und verschwendet. Die kollektive Kontrolle der ArbeiterInnen über alle Aspekte des wirtschaftlichen Lebens muss hergestellt werden, einschließlich einer Ìberprüfung all der Maßnahmen, die gegen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung gehen. Ein neuer Plan muss demokratisch beschlossen werden, nach dem die beschädigten Grundlagen der nationalisierten Wirtschaft im Dienste der Verteidigung und Weiterentwicklung der revolutionären Errungenschaften wiedererrichtet werden. Wir sind für das Ende des „Einparteiensystems“, welches jegliches unabhängiges politisches Leben der Massen erstickt und unterdrückt. Es muss Schluss sein mit den „neuen Reichen“, die im Schatten der staatlichen Korruption und dank der „Märkte“ gedeihen. Wir sagen Nein zur „Öffnung“ für ausländisches Kapital, und Ja zur Rücknahme jeglicher Zugeständnisse, die den Interessen der Revolution schaden. Die führende Kaste wird sich nicht in einem revolutionären Sinne „selbst reformieren“; eine echte sozialistische ArbeiterInnendemokratie kann nur durch Mobilisierung und Selbstorganisierung der Massen erobert werden, durch die Zerstörung der restaurationistischen Bürokratie. Sicherlich kann das kleine Kuba sich nicht an der Illusion, die vom Castrismus geschürt wurde, festhalten, dass der „Sozialismus auf einer einzigen Insel“ aufgebaut werden kann. Eine wirkliche ArbeiterInnendemokratie auf allen Ebenen ist die Grundlage der Macht der ArbeiterInnen und der Massen, die einzig dem restaurationistischen Druck widerstehen kann, die einzig entscheiden darf, bis wohin Zugeständnisse unvermeidbar sind, und wie vor allem die Kraft der ArbeiterInnenklasse und der revolutionäre Klassencharakter ihres Staats verteidigt werden muss. Die ArbeiterInnenklasse Kubas steht an einem gefährlichen Scheideweg, aber die kapitalistische Krise kann die Pläne, die der Imperialismus mit der Insel hat, erschweren. Währenddessen kann sich die internationale ArbeiterInnenklasse, die erste Erfahrungen des Kampfes in verschiedenen ländern macht, in eine mächtige Verbündete der ArbeiterInnen Kubas entwickeln und so mit neuer Kraft zur Verteidigung der Errungenschaften der Revolution beitragen. Heute schon können die ArbeiterInnen Kubas mächtige Verbündete in den unterdrückten Schwarzen und Latinos und der Jugend in den Vereinigten Staaten selbst finden, ebenso wie in den Studierenden und ArbeiterInnen Mexikos, die gegen die Regierung von Peña Nieto und die Verbrechen des Staates, wie das Verschwinden der Studierenden in Guerrero, mobilisieren. Sie können Verbündete finden in den ArbeiterInnen des gesamten Kontinents, die sich den Angriffen der Bosse und den Kürzungsprogrammen der Regierungen (die „progressiven“ Regierungen mit eingeschlossen) entgegenstellen, deren Ziel es ist, die ArbeiterInnen die Krise bezahlen zu lassen. Es stellt sich die strategische Notwendigkeit einer neuen sozialistischen ArbeiterInnenführung auf Kuba, die unabhängig vom Castrismus seien muss, aber auch unversöhnlich gegenüber der Kirche und den pro-imperialistischen DissidentInnen. Es muss die Grundlage gelegt werden für eine revolutionäre und internationalistische Strömung, die sich inspiriert vom Erbe von Marx, Lenin und Trotzki ein Programm gibt, das sich die aufgezeigten Aufgaben stellt.