Freilassung von 52 politischen Häftlingen in Kuba
Worüber wird in Havanna verhandelt?
14/07/2010
von Eduardo Molina 08. 07.2010
Moratinos, amtierender spanische Außenminister der Zapatero-Regierung, traf sich mit dem kubanischen Außenminister Bruno Rodríguez und dem Präsidenten Raúl Castro in Kuba. Bei dem Gespräch war auch der katholische Erzbischof von Havanna, Kardinal Jaime Ortega anwesend. Dieses Treffen fand vor dem Hintergrund eines langen Hungerstreiks von Guillermo Fariñas, der sich in einem kritischen Gesundheitszustand befand, statt. Bei dem Treffen wurde die Freilassung mehrerer politischer Häftlinge, die nun ins spanische Exil gehen müssen, vereinbart. Weitere 47 Häftlinge, die 2003 zu Haftstrafen von 20 Jahren oder mehr verurteilt worden, sollen in den nächsten Monaten frei kommen.
Das Ziel der Gespräche geht weit über das Schicksal der Häftlinge hinaus. „Ich bin überzeugt, dass der Besuch in Kuba erfolgreich sein wird, sowohl für Kuba als auch für Spanien, und logischerweise werden unsere europäischen Partner den Besuch als gelungen ansehen“. Sie werden bereit sein, die Beziehungen zu Kuba zu normalisieren, hatte Moratinos erklärt (Clarín, 07.07.20?). Die eigentliche Frage dreht sich also um die Lockerung oder Aussetzung der sogenannten „Gemeinsamen Position“ der EU, die in den letzten Jahren ihre Haltung gegenüber Kuba verschärft hat. Im Gegenzug verlangt sie weitgehende Zugeständnisse von der kubanischen Regierung.
Der Lateinamerika-Beauftragte des US-Außenministeriums, Arturo Valenzuela, lobte diese Vermittlungsbemühungen mit folgenden Worten: „Selbstverständlich bereitet uns die Tatsache Sorge, dass es auf Kuba immer noch Gewissenshäftlinge gibt. Deshalb ist jede Bemühung seitens der Kirche oder anderer Personen willkommen, wie heute die des spanischen Außenministers, die Häftlinge frei zu bekommen. (...) Wir sind natürlich bereit, Verhandlungen darüber aufzunehmen“ (Página 12, 07.07).
Dies drückt eine Wende aus, die nun den Dialog gegenüber der kubanischen Regierung seitens der USA und der imperialistischen Staaten sucht. Das von der Bürokratie errichtete repressive „Einparteien-Regime“ wird von den USA ausgenutzt, um unter dem demagogischen und zynischen Vorwand die „Menschenrechte verteidigen“ zu wollen, eigentlich nach wie vor das Embargo aufrecht erhalten will. Somit wollen sie letztendlich nicht anderes als Druck ausüben, um eine „politische Öffnung“ zu erreichen, die die kapitalistische Restauration zum Ziel hat.
Der Kurs der Bürokratie
Die Castro-Regierung hat einen Kurs von „Marktreformen“ und Konzessionen für das ausländische Kapital eingeschlagen, die auf eine kapitalistische Restauration abzielt. Wenn auch die Durchführung der Reformen langsam vonstatten geht, beschleunigt sie doch die Zerfallsgeschwindigkeit des deformierten Arbeiterstaates, Produkt der Revolution von 1959.
Die internationale Wirtschaftskrise trifft auch Kuba hart. Der Nickelpreis ist regelrecht eingebrochen, der Tourismus geht zurück etc. Die Regierung antwortet auf die Krise indem sie den Druck auf die ArbeiterInnen erhöht, um die „Produktivität“ zu steigern und historische Errungenschaften abzuschaffen. So hat die kubanische Regierung beschlossen, staatliche Leistungen massiv abzubauen, unter anderem wurden die kostenlosen Arbeiterküchen geschlossen, das Rentenalter teilweise erhöht und die Leistungen der Arbeitslosenversicherung gekürzt. Dies hat zu einer „unterschwelligen“ Unzufriedenheit in der Bevölkerung geführt, die ständig mit der Knappheit zu kämpfen hat. Dies steht im krassen Widerspruch zum Wohlstand der Bürokratie und den Mittelschichten, die Beziehungen zum Markt, Tourismus und ausländischen Unternehmen pflegen.
Die Bürokratie ist intern noch über die Art und Weise und die Geschwindigkeit der Marktöffnung gespalten. Diese Uneinigkeiten – wie auch die soziale Unzufriedenheit - können deutlicher zu Tage treten, wenn die Gebrüder Castro, vor allem Fidel, die Bühne verlassen. Dessen eingedenk, versucht die Bürokratie einen raschen Weg zu suchen, um eine Art Pakt mit dem Imperialismus voranzutreiben: ihr Ziel ist es dabei, mehr politische und wirtschaftliche Zugeständnisse für die Sicherung ihrer langfristigen Interessen auszuhandeln. Dabei will sie für sich den größtmöglichen Anteil an politischer und wirtschaftlicher Macht sowie Garantien angesichts der Gefahr einer revanchistischen Haltung der kubanischen Bourgeoisie im Exil in Miami zugesichert sehen. Die mit Moratinos beschlossenen Vereinbarungen könnten eine neue Etappe der Beziehungen zwischen Kuba und dem Imperialismus ankündigen. Gleichzeitig sind sie ein Alarmsignal, denn sie kündigen das Ende der kubanischen Gratwanderung an.
Ein Programm zur politischen Revolution, um die Revolution zu retten
Das Regime der Castro-Bürokratie erstickt das politische Leben der Massen, gleichzeitig sind die kubanischen Arbeiter und Bauern die einzigen, die ein wahres Interesse daran haben, die Errungenschaften der Revolution sowie die Rückkehr zum Kapitalismus und die Halbkolonialisierung Kubas zu verhindern.
Die Rettung Kubas vor der Katastrophe, d.h. vor der kapitalistischen Restauration, liegt also weder in der Unterstützung des Castrismus, der Kuba zur Katastrophe führt, noch in der Wiederholung der imperialistischen Demagogie über Demokratie und Menschenrechte. Es ist notwendig ein Programm zur politischen Revolution aufzustellen, um die Errungenschaften der Revolution von 1959 zu verteidigen. Die politische Revolution impliziert den Kampf gegen das Embargo und gegen die Drohungen des Imperialismus, gegen die Privilegien der Bürokratie und die neuen Reichen aufzunehmen. Dieser Kampf muss auch die Ìberprüfung des ganzen Wirtschaftsplans unter der Kontrolle von Arbeitern und Bauern einschließen, gegen die repressive Politik und für weitgehende demokratische Freiheiten für die Massen einstehen, für das Recht nach gewerkschaftlicher Organisierung unabhängig vom KPK [Kommunistische Partei Kubas] und für den Rauswurf der Bürokratie aus den bestehenden Massenorganisationen kämpfen, sowie Freiheit für alle politischen Tendenzen, die die Errungenschaften der Revolution verteidigen. Man kann die Agenten des Imperialismus nicht bekämpfen, indem das politische Leben der Massen beschnitten wird! Stopp die willkürliche Repression des Regimes! Für unabhängige Arbeiter- und Volkskommissionen, die jeden politischen Prozess oder jede politische Inhaftierung untersucht. Für den Aufbau unabhängiger Organisationen der Massen, für ihre revolutionäre Mobilisierung zur Verteidigung der erkämpften Errungenschaften der Massen, die nur durch den Sturz der Bürokratie und die Errichtung von Arbeiter- und Bauernräten möglich sein wird.
Esteban Morales: „Die Konterrevolution nimmt Stellungen in Staats- und Regierungspositionen ein“
Dr. Esteban Morales ist ein namhafter Forscher des Zentrum für hemisphärische Studien der Vereinigten Staaten von Havanna (CEHSEU), Mitglied der Kommunistischen Partei Kubas und verfügt über gute Verbindungen zu hohen Regierungskreisen. Er wurde sanktioniert, nachdem er seinen Artikel „Korruption: Die wahre Konterrevolution?“ auf der Webseite der Schriftsteller- und Künstlervereinigung Kubas (UNEAC) veröffentlicht hatte.[1] Dort behauptet er: „Wenn man heute die interne Lage Kubas beobachtet, kann man keine Zweifel darüber haben, dass die Konterrevolution nach und nach Positionen in gewissen Sphären des Staates und der Regierung einnimmt. (...) Zweifelsohne gibt es Leute in staatlichen Positionen, die sich heute finanziell auf den Sturz der Revolution vorbereiten, und andere, die so gut wie alles vorbereitet haben, um die staatlichen Besitztümer in Privateigentum zu überführen, so wie es in der ehemaligen Sowjetunion passiert ist.“
Obwohl sein Artikel die Gesamtheit der „Marktreformen“ und die Zugeständnisse an das ausländische Kapital, die die Castro-Führung seit 1992 vorantreibt, nicht in Frage stellt, zielt seine Kritik auf einen der wichtigsten Mechanismen ab, die die kapitalistischen Restauration beflügeln: Die Korruption der Bürokratie, die sich heute darauf vorbereitet, Teil einer zukünftigen Bourgeoisie zu werden.
Fern von jeglicher Arbeiterkontrolle nutzt diese Kaste ihre Privilegien, ihr politisches Machtmonopol, ihre Stellung in den Unternehmen, in den Joint-ventures und durch ihre Verbindungen mit dem ausländischen Kapital und dem internationalen Handel um sich wie ein Schmarotzer zu bereichern, der die staatlichen Ressourcen für ihre eigenen Zwecke ausnutzt, während gleichzeitig die Bevölkerung unter Knappheit, Not und dem Zerfall der durch die Revolution erreichten Errungenschaften leidet.
Wie Morales beschreibt: „Es handelt sich um eine Korruption, an der fast alle beteiligt sind, und die von der Korruption der Staatsangestellten verursacht wird. Denn, damit es klar ist, in Kuba gibt es einen einzigen Importeur, nämlich den Staat. D.h. es gibt ganz eindeutig einen illegalen Produktfluss zwischen dem staatlichen Großhandel und dem Straßenverkauf. Es handelt sich also um eine regelrechte Schattenwirtschaft, die der Staat nicht zu kontrollieren vermag. Es wird auch unmöglich sein, sie zu ordnen solange die riesigen Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage, die heute unsere Ökonomie charakterisieren, bestehen. Beim letzteren Aspekt handelt es sich also um eine Art Konterrevolution, die einen verborgenen Anführer hat, Alternativen zum Staat bietet und über eine Masse verfügt, die ihre Alternativen in die Praxis umsetzt.“
Zusammengefasst, „ist die wahre konterrevolutionäre Macht in Kuba (...) nicht unten sondern oben angesiedelt, in den Regierungs- und Staatsorganen. Es handelt sich also nicht um kleinkarierte Korrupte, man trifft sie in Schlüsselpositionen an. Sie verfügen über ein ausgedehntes Netz bestehend aus besten internen und externen Kontakten, die das Produkt von der Jahrzehnte langen Ausübung der immer selben Funktionen sind.“
Morales macht eine Trennung zwischen den korrupten Elementen und der führenden Kaste um Fidel, obwohl der pro-restaurationistische „harte Kern“ die Führung der Revolutionären Streitkräfte (FAR) ist. Sie genießt einen hohen Grad an Autonomie und konzentriert in ihren Händen eine riesige wirtschaftliche und politische Macht um die Holding des Militärs GAESA (Grupo de Administración Empresarial S.A.). Die wichtigsten Gestalten kommen aus der direkten Umgebung von Rául Castro. Sie beherrschen 89% der Exporte, 59% der Gewinne aus der Tourismusindustrie und 66% des Devisenhandels“ (La Vanguardia, 26.02.2008).
Die schnelle Sanktion gegen Morales zeigt, wie der staatliche Apparat die interne Debatte innerhalb des Regimes zu ersticken versucht. Dies ist Ausdruck der Furcht des Regimes vor einer Kritik „von links“ - selbst wenn sie nur manche Aspekte kritisieren -, die in den Massen Anklang finden könnte.
Fußnote
[1] http://www.uneac.org.cu/index.php?module=noticias&act=detalle&tipo=noticia&id=3123
Danke an Systemcrash