Auswirkungen der Wirtschaftskrise in Deutschland und Europa
Nieder mit dem Sparpaket! Widerstand organisieren!
12/07/2010
Von Mark Turm Die Regierungskoalition aus CDU-CSU und FPD haben den größten Angriff auf die ArbeiterInnenklasse und Armen seit Bestehen der BRD gestartet, damit diese und nicht die Kapitalisten die Kosten der Wirtschaftskrise tragen. Die Rettung der Banken, die mittels Staatsverschuldung finanziert wurde, hat tiefe löcher in den Staatskassen aufgemacht, die nun durch Zuschusskürzungen im sozialen Bereich wieder geschlossen werden sollen. Währenddessen machen deutsche Banken und Konzerne große Gewinne und Unternehmen bekommen noch dazu Steuergeschenke. Widerstand gegen Angriffe auf soziale Errungenschaften muss folgen.
Das Sparpaket
Das Sparpaket der Bundesregierung umfasst neben der Streichung von Stellen im öffentlichen Dienst und anderen vereinzelten Maßnahmen vor allem tiefe Einschnitte der Sozialausgaben, die um rund 30 Milliarden Euro gekürzt werden sollen: Zuschläge für Arbeitslose werden gestrichen. Darunter fällt der Rentenzuschuss, das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger, Ìberbrückungsgelder und der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger.
Die Bundesregierung entschied sich, das jährliche Sparvolumen von Anfangs vorgesehenen 51 Milliarden auf 80 Milliarden Euro bis 2014 nach oben zu korrigieren, das entspricht einen jährlichen Sparvolumen von 20 Milliarden Euro, denn „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“ (Merkel) - als ob Arbeitslose, Hartz IV-EmpfängerInnen, prekär Beschäftigte bisher in Saus und Braus gelebt hätten. „Spätrömische Dekadenz“ (Westerwelle) eben. Die Reichen sind von den Sparmaßnahmen selbstverständlich nicht betroffen. Die Hauptlast des Kürzungspaketes tragen heute Arbeitslose, Hartz IV-EmpfängerInnen, Alleinerziehende, Familien und prekär Beschäftigte. Es handele sich lediglich um eine „Neujustierung von Sozialgesetzen“, dies bedeutet im Klartext einen harten Schlag gegen die Ärmsten, die vorerst durch sie betreffende Kürzungen mehr als ein Drittel des gesamten Sparbetrags tragen müssen.
Harte sozialen Folgen
Seit einem Jahrzehnt sinkt der Reallohn, ein großer Sektor an prekarisierter Arbeit sowie Billiglohnjobs sind entstanden. Die Flexibilisierungsmaßnahmen unter Schröder haben weiterhin zu einem „Paradigmenwechsel im deutschen Arbeitslosenregime“[1] geführt. Die prekäre Lage gerade der Arbeitslosen Deutschlands, die durch die Hartz-Gesetzte der rotgrünen Regierung bereits verschlimmert wurde, wird durch die aktuellen Angriffe nun klar vertieft und die soziale Schere in Deutschland geht weiter auseinander.
Es wäre aber naiv zu erwarten, dass breite Teile der Gesamtgesellschaft, sprich vor allem die Massen der Lohnabhängigen von den Angriffen verschont blieben. Neben bereits (aufgrund angeblicher wirtschaftlicher Notwendigkeiten) durchgeführten Kurzarbeitsprogrammen, Lohneinfrierungen und Entlassungswellen wird die verdeckte Erhöhung der Mehrwertsteuer mittels Subventionsabbau vorangetrieben. Steuervergünstigungen wie die Steuerfreistellung von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen, die Pendlerpauschale oder auch der reduzierte Mehrwertsteuersatz gelten als Subventionen. Eine Streichung derartiger Steuervorteile ohne gleichzeitige Absenkung der Tarife bedeutet im Endeffekt nichts anderes als eine Steuererhöhung. Schließlich wird eine allgemeine Steuererhöhung folgen. Die Gesundheitsreform wurde vor erst auf Eis gelegt, sie kommt dennoch bestimmt, die Erhöhung der Kassenbeiträge sind nur der Anfang. Die Bosse fordern bereits eine Gebühr von 5 Euro pro Arztbesuch. Die Renten werden zunächst eingefroren, um demnächst gekürzt zu werden. Diese und weitere grauenhafte Maßnahmen sind vorprogrammiert und sie werden sich unweigerlich auf große Sektoren der Arbeiterschaft auswirken und mehr Armut und Elend werden die Folgen für die Lohnabhängigen und ihre Kinder sein.
Neudefinition des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit
Die Wirtschaftskrise hat zu einem brutalen Rückgang der Profitrate der Kapitalisten geführt. Nach Schätzungen bürgerlichen Ökonomen kann der Umsatz von vor der Krise nicht vor 2012 erreicht werden.
Die Sparpakete in den europäischen ländern verringern die Möglichkeit deutsche Produkte zu kaufen. Die Exportabhängigkeit Deutschlands weist sich also als seine größte Schwäche aus, denn wenn alle gleichzeitig sparen, stellt sich die Frage, wohin die deutschen Exportüberschüsse nun fließen sollen. Diese Perspektive führt also unweigerlich zum Einbruch der Exporte. Die Exportindustrie muss dann Mitarbeiter entlassen, die Arbeitslosigkeit steigt, die Binnenwirtschaft bricht erneut ein. Diese Kettenreaktion führt dann zu einbrechenden Gewerbesteuern, sprich weniger Geld in den Staatskassen, was wiederum Kürzungen im sozialen Bereich hervorbringen kann. Anders ausgedrückt, ist das deutsche Kapital dazu gezwungen, seine imperialistische Ambitionen, gemäß seiner wirtschaftlichen Stärke, zum Nachteil ihrer Konkurrenten in Europa aber auch in Ìbersee, auszuweiten. Die Außenhandelsorientierung und damit auch „Außenhandelsabhängigkeit“ impliziert auch, dass „im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“ (Köhler im DR, 22.05.2010).
Das auf dem Ausbau des deutschen Exports in die europäischen Nachbarländer basierende Modell, das den europäischen Wachstumszyklus des letzten Jahrzehnts ermöglicht hatte, ist nunmehr erschöpft und der einzige Weg, den das deutsche Kapital hat, seine globalen Ambitionen und strategischen Interessen insbesondere in seinem historischen Hinterhof, Osteuropa, aber auch in dem Nahen und Mittleren Osten, sowie Afrika und Asien gerecht zu werden führt unweigerlich zu einer Neudefinition der Beziehung zu einerseits seinen imperialistischen Konkurrenten in Europa und Ìbersee, andererseits zu seinem internen Feind, der ArbeiterInnenklasse.
Die vom IWF und neben anderen europäischen Mächte unter Federführung Deutschlands auferlegten harten Kürzungsmaßnahmen in Griechenland zeigen wie letztendlich das Kapital seine auf Kosten der Lohnabhängigen und Unterdrückten Krisen löst. Dabei wird „eine neue geopolitische Realität innerhalb der EU“ offenbart: „Derjenige, der bestimmt, ist ein nationaler Minister“: Wolfgang Schäuble, deutscher Finanzminister. „Er versteckt sich hinter dem IWF und der Europäischen Zentralbank, aber diese beiden Organisationen arbeiten lediglich die technischen Details für die Reformen und die Haushaltsbeschränkungen aus, die von Schäuble diktiert werden und die die Griechen nicht umhin können zu akzeptieren.“[2]. Auch im Inneren muss das deutsche Kapital seine Beziehung zu der ArbeiterInnenklasse neu definieren. Das impliziert für die Lohnabhängigen und Unterdrückten, wie Griechenland zeigt, eine verstärkte Ausbeutungsrate und somit eine radikale Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen.
Uneinigkeit im herrschendem Lager über Tempo und Rhythmus der Angriffe und die Folgen
Das Sparpaket ist der deutliche Ausdruck davon, wie die Verwalter des Kapitals, sprich die Regierungen die Reihen schließen, wenn es heißt die Interessen der Bourgeoisie zu wahren. Angesichts der Krise bedeutet dies hauptsächlich, die Kosten auf dem Rücken der ArbeiterInnen abzuladen und jegliche, historisch erkämpften Zugeständnisse, abzuschaffen. Schon kündigen bürgerliche Politiker ununterbrochen an, unter dem reaktionären Vorwand „Missbrauch zu vermeiden“, den sog. „Sozialstaat“, der heute dysfunktional für den „Interessenausgleich“ zwischen den antagonistischen Klassen geworden ist, auf ein Minimum zu reduzieren, der dann nur noch als Puffer gegenüber sozialem Unmut dienen soll. Die Zeiten weitgehender Zugeständnisse an die ArbeiterInnenklasse sind nun vorbei.[3] Das gerade angekündigte Sparpaket reiht sich nahtlos an die vom Kapital verlangten und von der Sozialdemokratie durchgesetzten Angriffe auf die Arbeit ein. Damals hieß es, den kranken Mann Europas auf die Beine zu stellen, heute heißt es die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Kapitals zu gewährleisten und „gestärkt aus der Krise“ hervor zugehen. Die Sparpakete sind also nur der Anfang und die ArbeiterInnenklasse muss sich auf noch härtere Schläge seitens der herrschenden Klasse vorbereiten, wie führende Vertreter aus dem bürgerlichen Lager bereits ankündigen, “Das Sparpaket reicht alleine nicht aus. Wir müssen auch die Rentengarantie kritisch überprüfen. Alle Teile der Gesellschaft müssen einen Beitrag zur Konsolidierung leisten”[4].
Bemerkenswert ist hierbei jedoch, dass die jetzigen Angriffe von einer Regierung geleitet werden, die sich in einer politischen Krise befindet und über das weitere Vorgehen gespalten ist: In einer Fraktion, die offen zum Generalangriff bläst und einer anderen, die eher auf die Einbindung der Gewerkschaftsbürokratie und Sozialdemokratie setzt. Diese Uneinigkeit wurde jüngst beim Wahldebakel um den Bundespräsidenten erneut deutlich. Der Grund dafür, dass eine politisch angeschlagene Regierung dennoch in der Lage ist, das schlimmste Kürzungspaket in der Geschichte der BRD zu beschließen, zeigt, dass beim Ausbleiben einer starken Antwort seitens der Lohnabhängigen die Bourgeoisie sich ermutigt fühlt, ihre Angriffe weiter fortzusetzen. Das Fehlen einer starken Reaktion der Lohnabhängigen ist dabei auf die Politik des Interessensausgleichs durch die Gewerkschaftsbürokratien zurückzuführen, was für das Proletariat Desorientierung und mangelndes Vertrauen in ihre eigenen Kräfte verursacht.
Die Tiefe der Angriffe und die sozialen Folgen der selben werden aber die schon vorhandenen Erosionstendenzen im Regime weiterhin verstärken. Diese Entwicklung kann „zu Nationalismus, zu sozialen Unruhen, zu Fremdenfeindlichkeit [führen]. Sie gefährdet also die Demokratie“[5], denn in den Augen der Lohnabhängigen und Unterdrückten sinkt die Legitimität des bürgerlichen Regimes und seine Institutionen, die für sie nichts anderes als Entbehrungen und Arbeitslosigkeit bedeuten, während für Banken und Unternehmen Rettungsschirme und Steuererleichterungen geboten werden. Perspektivisch wird diese Situation die Bedingungen für die politische Arbeit revolutionärer Organisationen „erleichtern“, denn die Suche nach Alternativen, die den kapitalistischen Horizont überschreiten, wird eine proletarische Avantgarde hervorbringen, die empfänglicher für revolutionäre Antworten auf die Krise sein wird.
Opposition und Gewerkschaftsspitzen wollen die Einsparungen sozial gestalten
Die SPD versucht wieder bei den ArbeiterInnen zu punkten, indem sie einerseits auf die sozialen Lasten für die Ärmsten schimpft. Im gleichen Zuge erklärt sie sich jedoch bereit, einen „Pakt der Vernunft“ mit der Regierung zu schließen, denn „Es ist vollkommen klar, dass wir sparen und konsolidieren müssen“[6], also es geht doch nicht darum das Sparpaket zu stoppen, sondern lediglich um eine „solidarische Lastenverteilung“ (sic!). Angesichts des tiefen Unmuts in breiten Teilen der Bevölkerung und des sich langsam formierenden Widerstands gegen das Sparpaket, versuchen SPD und Grüne (die Architekten der Agenda2010 und Hartz IV!) sich als Freunde der ArbeiterInnen und Unterdrückten zu präsentieren, um eben den sich langsam formierenden Protest von vornherein zu vereinnahmen. Sie kündigen beispielsweise in populistischer Manier an, Vermögenssteuern wieder einführen zu wollen, ohne dabei zu erwähnen, dass sie gemeinsam mit der CDU die Abschaffung der Vermögenssteuer Anfang 1997 ermöglicht hatten, sie kündigt erbitterten Widerstand gegen die „zu drastische Sozialkürzungen“ an, sie schweigt aber darüber, wie sie dieser Widerstand zu organisieren gedenkt.
Auch die LINKE will ein „breites Widerstandsbündnis“ auf die Beine stellen, um „Riesenproteste“ zu organisieren. Dabei haben wir jedoch seit Beginn der Krise gesehen, dass die LINKE außerhalb der linken Rhetorik nicht in der Lage ist weder ein Programm aufzustellen, noch eine Politik zu entwerfen, die die Interessen der Arbeiter mit oder ohne Arbeit gegen die Maßnahmen der rechtsliberalen Regierung erfolgreich verteidigt. Die Strategie der LINKE beschränkt sich also auf die Aufstellung keynesianischer Forderungen, sowie auf die parlamentarische Oppositionsarbeit in der Hoffnung, die SPD auf dem rechten Pfad zu bringen, spricht, sie zu „resozialdemokratisieren“, oder anders gesagt, ihr die neoliberalen Flecken vom Gesicht reinzuwaschen, damit man wieder „soziale Politik“ statt „Marktpolitik“ in Deutschland betreiben kann.
Auch die Gewerkschaftsspitzen reihen sich in die rhetorischen Empörungswellen ein und definierten das Sparpaket als „unausgewogen“. Protestaktionen werden aber erst für den Herbst ankündigt, obwohl der Haushalt für das nächste Jahr, und somit die „Liste der Grausamkeiten“ schon am 7. Juli im Kabinett bewilligt wurden. Sie rufen zwar zu Protestkundgebungen auf, jedoch weder zu einem branchenübergreifenden Arbeitskampf, geschweige denn einem Generalstreik. So sind die Unmutsäußerungen seitens der Gewerkschaftsspitzen nichts anderes als der Versuch, ihr Ansehen an der Basis nicht zu verlieren.
Dennoch begrüßen wir die Ankündigung von Protestaktionen gegen das Sparpaket. Diese Aktionen sollten Startpunkt eines Kampfes sein, der von allen Sektoren der Arbeiterschaft getragen werden muss. Die Forderungen müssen jedoch explizit die Abschaffung der Agenda2010 und der Hartz Gesetze sowie die Forderung nach Erhalt aller Arbeitsplätze, Arbeit für alle Arbeitslosen, d.h. die Verteilung der Arbeit auf alle Hände (z.B. durch Arbeitszeitverkürzung) gegen die Leiharbeit und prekäre Beschäftigung sowie für die Verstaatlichung von Betrieben, die entlassen - unter Arbeiterkontrolle - beinhalten.
Widerstand organisieren!
Der Kampf gegen die Angriffe des Kapitals auf die historischen Errungenschaften der Lohnabhängigen muss abgewehrt werden. Dabei kann nur die effektive Einheit der ArbeiterInnen garantieren, dass wir uns den bevorstehenden und zukünftigen Angriffe erfolgreich widersetzten können.
Angesichts der Vereinnahmungsversuche seitens der SPD und der verräterischen Politik der Gewerkschaftsspitzen, stellt sich die Frage, wie ein erfolgreicher Widerstand gegen die Maßnahmen der Regierung organisiert werden kann aber auch wie eine Strategie gegen die Versuche, den Protest zu vereinnahmen, aussehen soll. Fest steht, dass angesichts der Tiefe der Einschnitte ein breiter Widerstand von Nöten ist. Dafür bedarf es einer Kampagne gegen das Sparpaket, die in den Betrieben, auf den Straßen, an den Universitäten, und überall organisiert wird. Dazu muss sie in erster Linie von den ArbeiterInnenorganisationen mit Millionen Mitgliedern aufgerufen werden, denn nur sie sind heute im Stande Hunderttausende sogar Millionen Menschen zu mobilisieren, sowohl in den Betrieben, als auch auf den Straßen.
Jedoch ist uns bewusst, dass die Gewerkschaftsspitzen eher bereit sind den Lohnabbau zu verhandeln statt einen entschiedener Streik gegen die Bosse zu organisieren, geschweige denn von einem Streik gegen das Sparpaket. Die Gewerkschaftsspitzen zeigen Mut und Entschlossenheit gegenüber kämpferischen KollegInnen, wie die Drohung die „Alternative“ Liste in der IG Metall aus der Gewerkschaft auszuschließen, doch gegenüber dem Kapital sind sie brav und verständnisvoll. Sie rufen zwar zu Protestkundgebungen auf, jedoch weder zu einem branchenübergreifenden Arbeitskampf, geschweige denn einem Generalstreik. Schlimmer noch, wenn wilde Streiks stattfinden, wie letztes Jahr bei Daimler in Sindelfingen, lassen sie die „ungeplanten Streiks nur so weit laufen, wie es notwendig ist, um der Wut ein Ventil zu geben und den Managern ihre Selbstherrlichkeit vor Augen zu führen.“[7] Leider können „ wir weder das Feld, noch die Bedingungen für unsere Arbeit nach unseren Wünschen wählen.“[8] Wir müssen heute trotz der Hürden, die uns die Gewerkschaftsbürokratie auferlegt, versuchen, eine systematische Arbeit innerhalb der Gewerkschaften zu betreiben.
Auf der anderen Seite impliziert der Kampf gegen das Sparpaket auch den politischen Kampf gegen die SPD, die heute wieder einmal so tut als ob sie eine fortschrittliche Partei sei, die im Interesse der Lohnabhängigen und Armen handelt. Wenn sie aber an der Regierung ist, ergreift sie klar arbeiterfeindliche Maßnahmen. Keine Partei kann gleichzeitig die Interessen der herrschenden Klasse und die des Proletariats bedienen. Wenn die SPD der große Freund der Lohnabhängigen sein will, müsste sie sofort für die Rücknahme der Agenda 2010, der Hartz-Gesetze und der Rente mit 67 einstehen. Alles andere ist leeres Geschwätz!
Obwohl die SPD immer noch einen bedeutenden Einfluss auf einen großen Teil der organisierten Sektoren der ArbeiterInnenklasse hat, gibt es eine unbestreitbare Tendenz zur Distanzierung der ArbeiterInnenklasse von der SPD. Ein Beispiel dafür ist die sich bei der Demonstration in Stuttgart entbrannte Wut auf die Absetzung des Gewerkschaftslinken Tom Adler, von der „Alternative“ der IG Metall durch den SPD-Landtagsfraktionschef Schmiedel, Verteidiger der Agenda2010 und Befürworter des Projektes Stuttgart-21 auf der Rednertribüne. Schmiedels Erscheinen wurde von vielen KollegInnen und Jugendlichen zunächst mit Buhrufen, dann mit Eiern, Bananen und Flaschen quittiert. Anschließend stürmte die Polizei auf die Bühne, um die Protestierenden unter Einsatz von Tränengas und Knüppeln zu entfernen. Dieses Ereignis auf der Antikrisendemo in Stuttgart ist ein weiteres Zeichen für die tiefe Kluft zwischen der SPD und der Arbeiterschaft, wie der unverminderte Mitgliederschwund bei der SPD oder auch die schlechten Wahlergebnisse zeigen. Sie sind aber auch Vorboten der kommenden Auseinandersetzungen innerhalb der Gewerkschaften, zwischen den sozialdemokratische Bürokratien und kämpferischen Sektoren, wie die gewalttätigen Versuche der DGB-Ordner linke, revolutionäre und klassenkämpferische Kräfte von der 1. Mai Demo 2009 fernzuhalten bzw. die Ausgrenzungsversuche gegenüber linken Kräften an der diesjährigen Maidemonstration in Berlin teilzunehmen, zeigen.
Für eine Klassenantwort auf das Sparpaket!
Die Ankündigung des Sparpakets hat zu einer breiten Empörungswelle geführt. Diese Solidaritätswelle ist Ausdruck der Gewissheit vieler Teile der Bevölkerung, dass bei diesen Kürzungsmaßnahmen das letzte Wort noch nicht gesprochen wurde. Nun geht es darum, die Wut in betriebliche Aktionen und Demonstrationen umzuwandeln.
Deshalb fordern wir die Gewerkschaften auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen und aktive branchenübergreifende Streiks zu organisieren, um auf einen Generalstreik hinzuarbeiten. Denn nur durch den Kampf für und in einem Generalstreik kann das Vorhaben der Regierung gestoppt und sie zu Fall gebracht werden.
DGB-Chef Sommer kündigte an, den Protest gegen das Sparpaket in die Betriebe zu tragen. „Wir halten das für das wirkungsvollere Mittel als jetzt einmal auf die Straße zu gehen“, sagte er, „und das wird der Regierung wirklich wehtun“.[9] Fordern wir von den Gewerkschaftsspitzen die aktive Vorbereitung von Massenaktionen in den Betrieben, aber nicht nur dort, sondern auch auf den Straßen.
Sich jedoch auf die Forderung an die Gewerkschaften zu begrenzen wäre sicherlich illusorisch. Der Kampf gegen die unaufhörlichen Angriffe der Bourgeoisie kann letztendlich nur erfolgreich sein, wenn eine klassenkämpferische Tendenz von KollegInnen organisiert wird, um allen in der Praxis zu beweisen, dass die Gewerkschaftsführungen es letztlich vorziehen, hinter dem Rücken der KollegInnen und zu ihren Lasten, mit den Bossen Vereinbarungen zu treffen, anstatt die Interessen der ArbeiterInnen gegenüber dem Klassenfeind zu vertreten.
Der politische Kampf in den Gewerkschaften hat zum Ziel „die Umwandlung der Gewerkschaften von einem Organ der Arbeiteraristokratie in ein Organ der breiten, ausgebeuteten Massen.“[10] zu ermöglichen. Nun gibt es einige wenige Anzeichen dafür, dass die proletarische Vorhut anfängt, die Notwendigkeit zu erkennen, eine Alternative zur von den Gewerkschaftsspitzen betriebenen Politik aufzustellen. So zeigt, trotz aller Hetze von Seiten der IG-Metall, die Initiative „Alternative“ wie die proletarische Vorhut anfängt, Schritte im Kampf zur Demokratisierung der Gewerkschaften einzuleiten. Unseres Erachtens bedarf es jedoch eines Programms zur effektiven Demokratisierung der Gewerkschaften, mit dem wir den Gewerkschaftsbürokratien die Einführung der Versammlungs- und Fraktionsfreiheit aufzwingen. Wichtige Punkte sind die Forderung nach der demokratischen Wahl des Verwaltungspersonals durch die Basis und die Freiheit, eigenständige von der Basis nominierte und gewählte Delegierte aufzustellen. Dabei muss jeder demokratisch gewählte Vertreter jederzeit rechenschaftspflichtig und abwählbar sein sowie regelmäßig rotieren.
· STOPPT DIE VERFOLGUNG DER KRITISCHEN BETRIEBSRÄTE DER „ALTERNATIVE“ MUSTAFA EFE, MARTIN FRANKE UND FEHMIYE UTKU!
· VERTEIDIGUNG ALLER KÄMPFERISCHEN KOLLEGEN, DIE VON DEN GEWERKSCHAFTSFÌHRUNGEN MIT HETZERISCHEN UND REAKTIONÄREN METHODEN VERFOLGT WERDEN!
· FRAKTIONSFREIHEIT INNERHALB DER GEWERKSCHAFTEN!
· DEMOKRATISIERUNG DER GEWERKSCHAFTEN ZU WAHREN INSTRUMENTEN DES ARBEITERINNENKAMPFES!
Wir bezahlen nicht für Eure Krise!
Auch als Arbeitslose, Studierende und Auszubildende können wir uns wehren und den Protest gegen das Sparpaket gemeinsam mit den ArbeiterInnen organisieren. Hierzu können sich Stadteil-Komitees gründen, die an der Basis in den Betrieben und in den Stadtteilen von Arbeitslosen -mit oder ohne Papieren- und Studierenden stattfinden, um eine effektive Einheit zwischen beschäftigten und unbeschäftigten ArbeiterInnen, sowie zwischen ArbeiterInnen und Studierenden zu erreichen. Gemeinsam können so Abwehrpläne diskutiert und Protestaktionen geplant werden. Um neue Stellungen wie die Schaffung von Arbeits- oder Studienplätzen zu erobern, müssen wir zunächst in der Lage sein, die alten zu verteidigen. Dies erfordert ein Programm von Ìbergangsforderungen, das ausgehend vom aktuellen Bewusstseinsstand eine Brücke zu den objektiven Bedürfnissen der Ausgebeuteten und Unterdrückten schlägt. Somit ist der Kampf gegen Entlassungen, zur Sicherung von Beschäftigung oder Sozialleistungen heute nur ein erster Schritt. Es ist notwendig, eine Kampagne gegen die obszöne Situation zu starten, in der trotz Krise die großen Unternehmen weiterhin Gewinne einfahren, wir jedoch in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden, die prekäre Arbeit zunimmt und die ArbeiterInnen und ihre Familien zu Armut und sozialer Degradierung verurteilt werden. Somit fordern wir:
· SOFORTIGE WIEDEREINSTELLUNG ALLER ENTLASSENEN „LEIHARBEITER“ UND SOFORTIGE ÌBERNAHME IN DIE STAMMBELEGSCHAFT
· WEG MIT DER AGENDA 2010, DEN HARTZ-GESETZEN UND DER RENTE MIT 67
· VERTEILUNG DER ARBEIT AUF ALLE HÄNDE, OHNE LOHNVERLUST
· GLEITENDE SKALA DER là–HNE UND VERTEILUNG DER ARBEITSZEIT ZWISCHEN ALLEN ZUR VERFÌGUNG STEHENDEN KRÄFTEN AUF KOSTEN DER REICHEN UND DER KAPITALISTEN
· ÖFFNUNG DER GESCHÄFTSBÌCHER UND ABSCHAFFUNG VON GESCHÄFTSGEHEIMNISSEN
· VERBOT VON ENTLASSUNGEN UND AUSSPERRUNGEN: VERSTAATLICHUNG UNTER ARBEITERKONTROLLE ALLER UNTERNEHMEN, DIE ENTLASSUNGEN VORNEHMEN!
Fußnoten
[1] Steffen Lehndorff u.a.. Abriss, Umbau, Renovierung? Studien zum Wandel des deutschen Kapitalismusmodells. VSA: Verlag Hamburg, 2009, S. 36
[2] „Grote landen zijn weer de baas“, NRC Handelsblad 03.05.2010
[3] Mehr dazu im Artikel „Die Neudefinition des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit“, Internationaler Klassenkampf Nr. 5
[4] Vorsitzende der Jungliberalen, Lasse Becker, im Interview mit der Rheinischen Post, 22 Juni, 2010.
[5] Soros sieht deutsche Sparpolitik als Gefahr für Europa, Zeit Online, 23.6.2010.
[6] SPD-Chef Gabriel bietet Schwarz-Gelb "Pakt der Vernunft" an, Spiegel Online, 15.06.2010
[7] Stuttgarter Zeitung: Das Fanal von Sindelfingen, 05.12.2009
[8] Trotzki, Leo: Die Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs, August 1940.
[9] Heftiger Widerstand gegen Sparpaket, 08.06.2010. www.spd.de
[10] Trotzki, Leo: Die Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs, August 1940.